Betreff
„Familienbüro“ – Service- und Anlaufstelle für Familien in Kamen
– Evaluation –
Vorlage
025/2017
Art
Mitteilungsvorlage

 

Sachverhalt und Begründung (einschl. finanzielle Möglichkeit der Verwirklichung)

 

1.    Das Familienbüro der Stadt Kamen – Ausgangslage und Zielsetzung

Mit der Einrichtung eines Familienbüros wird das Ziel verfolgt, allen Kamener Familien mit Kindern eine Anlaufstelle für Fragen rund um das Thema Familie zu bieten. Das Angebot soll niedrigschwellig sein und den Charakter eines offenen Beratungs- und Vermittlungsangebots einnehmen. Dem Familienbüro kommt in diesem Zusammenhang eine Lotsenfunktion zu, indem es Familien auch über die eigene Beratung hinaus bei Bedarf Informationen beschafft und an relevante Einrichtungen und Dienste weiterleitet. Beratung und Informationsvermittlung sind dabei stets durch Neutralität geprägt. Das Familienbüro bietet niedrigschwellige Leistungen im Rahmen der Prävention und ist abgekoppelt von den Aufgaben der Abteilung Soziale Dienste zu sehen. Dabei ist es einer von mehreren Bausteinen im Bereich von Frühen Hilfen.

In der zweiten Sitzung des Jahres 2015 am 11.06.2015 wurde im Jugendhilfeausschuss der Beschluss gefasst, in Kamen ein Familienbüro zu eröffnen. Damit verbunden war der Auftrag der Evaluation des Angebots. Die Eröffnung des Familienbüros fand am 18.01.2016 statt.

 

2.    Räumlichkeiten des Familienbüros

Das Familienbüro wurde in der sog. „Alten Villa“ (Rathausplatz 4, Kamen) eingerichtet. Die Alte Villa ist vielen Kamener Familien durch die Räumlichkeiten der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern der Städte Bergkamen und Kamen im Erdgeschoss bereits gut bekannt.

Die Beratungsräume des Familienbüros befinden sich im 1. Obergeschoss der Alten Villa. Ein barrierefreier Zugang ist mit einem Aufzug über den Seiteneingang möglich. Die Räume sind farblich ansprechend und familienorientiert gestaltet. Es wurde ein Wartebereich eingerichtet, der ebenso wie die Beratungsräume mit Spiel- und Krabbelecken ausgestattet wurde. Auf diese Weise soll Eltern und Kindern eine entspannte Gesprächssituation ermöglicht werden. Der Wartebereich wurde inzwischen wegen des Bedarfs an zusätzlichen Arbeitsplätzen aufgegeben, ebenfalls musste der Raum für Spielmöglichkeiten reduziert werden.

Für ältere Kinder stehen verschiedene Bücher, Gesellschaftsspiele und Mal- und Bastelmaterialien zur Verfügung. Ein Wickelplatz für Babys und Kleinkinder ist ebenfalls vorhanden. Die Sitzecken aus Rattan schaffen eine gemütliche Atmosphäre und sollen sich bewusst von der Arbeitsplatzeinrichtung einer Behörde absetzen. Zusätzlich gibt es für die Besucher/-innen des Familienbüros ein kostenloses Getränkeangebot von Kaffee, Tee und Wasser.

Die für die Arbeitsorganisation und Informationsvermittlung notwendigen technischen Voraussetzungen sind vorhanden. Mit Hilfe des Druckers bzw. des Kopierers können Informationsmaterialien nach individuellen Bedürfnissen der Familien zur Verfügung gestellt werden. Aktuelle Flyer und Broschüren zu verschiedenen Themen stehen gut sichtbar in einem Informationsständer zur Verfügung.

 

3.    Angebot, Personal und Erreichbarkeit

Das Familienbüro deckt ein vielfältiges Aufgabenspektrum ab. Es fungiert gleichermaßen als Informationsstelle, als Beratungsstelle und als Interessenvertretung. Gleichzeitig kommt ihm eine Lotsenfunktion zu, indem Familien bei Bedarf und ggf. in enger Begleitung an zuständige Stellen und Einrichtungen (z.B. Fachdienste des Jugendamtes, Beratungsstellen freier Träger, Familienzentren) vermittelt werden. Dies ist insbesondere durch die starke Netzwerkorientierung möglich. Über alldem ist die Serviceorientierung das zentrale Charakteristikum des Familienbüros.

Vor diesem Hintergrund bündelt das Familienbüro bislang die folgenden Dienste und Angebote:

 

Offene Sprechstunde

Das Kamener Familienbüro bietet immer montags in der Zeit von 15.00 bis 18.00 Uhr eine offene Sprechstunde an. Familien haben während dieser Zeit die Möglichkeit, das Familienbüro ohne Termin aufzusuchen und können stets sicher sein, eine/-n Ansprechpartner/-in anzutreffen.

Die personelle Besetzung erfolgt im Rotationsprinzip durch die Mitarbeiter/-innen der nachfolgend aufgeführten Fachdienste, so dass immer mindestens zwei Fachkräfte für die Beratung zur Verfügung stehen. Auf diese Weise wird eine verlässliche Öffnung des Familienbüros gewährleistet. Außerhalb der Öffnungszeiten sind entweder Mitarbeiter/-innen der einzelnen Dienste erreichbar oder es ist ein Anrufbeantworter geschaltet.

 

Familienhebamme

Über den Förderverein für Jugendhilfe (FörJu) wird eine Familienhebamme beschäftigt, die ebenfalls über das Familienbüro erreichbar ist. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt auf der psychosozialen und gesundheitlichen Betreuung und Begleitung von Schwangeren und Familien mit Kindern im ersten Lebensjahr mit erhöhtem Unterstützungsbedarf. Neben individueller Begleitung und Unterstützung werden seitens der Familienhebamme auch Sprechstunden in externen Einrichtungen angeboten, u.a. in der Beratungsstelle für Schwangerschaftskonflikte und Familienplanung der Diakonie in Kamen.

Terminvereinbarungen erfolgen individuell. Darüber hinaus ist sie telefonisch und per E-Mail sowie über den Träger FörJu zu erreichen.

Familienservice

Auf der rechtlichen Grundlage des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) bietet der Familienservice allen Kamener Familien mit Neugeborenen einen ungezwungenen Hausbesuch an, um den Fachbereich Jugend als Ansprechpartner für die Fragen und Anliegen von Familien vorzustellen. In diesem Zusammenhang wird den Familien ein „Begrüßungspaket“ mit vielfältigen Informationen zum Thema Kind und Familie überreicht. Bei Bedarf werden Eltern Frühe Hilfen angeboten und vermittelt. Der Familienservice ist auch jenseits der Willkommensbesuche stets für Familien ansprechbar und in den Räumen des Familienbüros erreichbar.

Terminvereinbarungen erfolgen individuell. Darüber hinaus ist der Familienservice telefonisch und per E-Mail erreichbar.

 

Schulsozialarbeit

Im Rahmen des Familienbüros findet die Beratung des Arbeitsbereiches Schulsozialarbeit statt. Die Aufgaben liegen hierbei insbesondere bei der Unterstützung zu Fragen rund um die Antragstellung im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepaketes (BuT). Doch auch sachstandsbezogene Beratungsgespräche mit Kindern, Jugendlichen und Familien im Rahmen der Einzelfallhilfe sowie die Unterstützung bei altersspezifischer Orientierungslosigkeit und dementsprechend die Weiterleitung an externe  Fachkräfte, sind Erfordernisse welche hier eine Räumlichkeit  finden.

Die Schulsozialarbeiter/-innen sind u.a. im Familienbüro tätig insbesondere im Rahmen der offenen Sprechstunde ansprechbar.

 

Beratung von Familien mit Fluchterfahrung

Im Oktober 2016 wurde eine zentrale Anlaufstelle für Familien mit Migrationshintergrund und Fluchterfahrung eingerichtet. Damit wird das Ziel der verbesserten Integration in Kamen verfolgt. Das Aufgabenspektrum reicht von der Begleitung der Familien z.B. zu Ärzten und Behörden über die Koordination verschiedener Angebote bis hin zur Vermittlung zu anderen Diensten und Einrichtungen.

 

In den Räumlichkeiten der Alten Villa ist darüber hinaus – unabhängig von den Angeboten des Familienbüros – die Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern der Städte Bergkamen und Kamen untergebracht und im Rahmen einer wöchentlichen Sprechstunde immer montags in der Zeit von 9.00 bis 10.30 Uhr sowie nach Vereinbarung erreichbar.

 

4.    Nutzung, Akzeptanz und Bewertung des Familienbüros

Die offene Sprechstunde wurde mit der Eröffnung des Familienbüros in der Alten Villa neu eingeführt, während die einzelnen Fachdienste bereits seit längerem tätig und etabliert sind. Vor diesem Hintergrund liegt der Schwerpunkt der Ausführungen zu Nutzung und Akzeptanz in der offenen Sprechstunde.

Je nach Bereitschaft der Besucher des Familienbüros wird ein „Fragebogen zur Qualitätssicherung“ angeboten. Zudem findet nach jeder Beratung eine Dokumentation durch die Fachkraft statt. Die Daten zur Person werden anonym behandelt. Besteht ein weiterer Beratungsbedarf der Familie oder ist eine Kontaktaufnahme gewünscht, werden die Personendaten nach Absprache erfasst.

Die Evaluation des Angebots der offenen Sprechstunde erfolgt damit insgesamt auf vier Ebenen:

1.    Daten zur Angebotsnutzung

2.    Dokumentation seitens der Fachkräfte

3.    Besucherfragebogen zur Qualitätssicherung

4.    Wahrnehmung der Fachkräfte

 

Angebotsnutzung

Das Angebot der offenen Sprechstunde wurde unter Berücksichtigung der Öffnungszeit von drei Stunden wöchentlich zufriedenstellend angenommen. Die Sprechstunde wurde zu jedem Termin besucht, bei einer Spannweite von einem bis zu neun Besuchern/Besucherinnen pro Termin. Im Durchschnitt haben fünf Personen pro Woche die offene Sprechstunde aufgesucht. Mehrheitlich haben Mütter und/oder Väter von jüngeren Kindern die Beratung in Anspruch genommen, zu den Besuchern gehörten in einigen Fällen jedoch auch Jugendliche oder Senioren. Das Familienbüro wird von Kamener Bürgern/Bürgerinnen aus allen Alters- und Sozialschichten mit und ohne Migrationshintergrund aufgesucht.

Viele Familien haben darüber hinaus auch außerhalb der Sprechzeiten versucht, das Familienbüro telefonisch zu kontaktieren, wie aus dem Anrufbeantworter und Anruflisten hervorgeht. Schließlich fand die Vermittlung von Informationen, z.B. zum Familienbesuchsdienst, auch auf telefonischem Weg statt.

Das nachgefragte Themenspektrum im Rahmen der Beratungen war vielfältig, darüber gibt die Dokumentation seitens der Fachkräfte Aufschluss. Einen Schwerpunkt bildeten Belange von Familien mit Kindern unter drei Jahren. Die Themen reichten von Geschwistern mit geringem Altersabstand, über Informationen zu Krabbelgruppen oder weiteren Freizeit-, Spiel- und Sportangeboten, über Familienangebote und Mutter-Kind-Gruppen bis hin zur Kindertagesbetreuung. Weitere Beratungsinhalte waren finanzielle Aspekte, z.B. zum Thema Elterngeld und Kindergeld, Beratungen und Antragstellungen im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets oder weitere finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten für Jugendliche. Darüber hinaus ging es um den Übergang von der Schule in den Beruf, Paarbeziehungen junger Eltern, allgemeines Interesse an der Arbeit und den Räumlichkeiten des Familienbüros und andere mehr. Die Tätigkeit des Familienbüros reichte dabei von der Informationsvermittlung über konkrete Beratungen bis hin zur Weitervermittlung an andere Institutionen.

 

Bewertung des Angebots aus Sicht der Nutzer

Der Zugang zu den Räumen des Familienbüros wird von den Familien als unkompliziert erlebt. Bei Bedarf werden Besucher/-innen durch die Fachkräfte beim Zugang zum Aufzug unterstützt. Die Beschilderung des Familienbüros wird teilweise als zu unauffällig eingeschätzt. Einige Familien regen den Einsatz bunter und größerer Schilder an, da diese als ansprechender wahrgenommen werden und den Zugang zum Familienbüro weiter erleichtern könnten. Die Räumlichkeiten selbst werden ansprechend wahrgenommen und als „freundlich“ und „einladend“ beschrieben. Besonders vorteilhaft wird die bewusste räumliche Trennung von Familienbüro und Rathaus bzw. Jugendamt hervorgehoben, dies beschreiben Familien häufig als „entspannend“. Die Spielmöglichkeiten für Kinder und die „lockere Beratungssituation“ werden durchgehend gut, freundlich und hilfreich erlebt. Die Besucher/-innen gaben an, dass ihre Anliegen verstanden wurden, dass ausreichend Zeit zur Verfügung stand und äußerten sich insgesamt zufrieden. Besonders positiv wurde schließlich hervorgehoben, dass Angebote für Familien unter einem Dach gebündelt werden, sodass vielfältige Informationen bei kurzen Wegen verfügbar sind. In diesem Zusammenhang wurde in einigen Fällen angeregt, dass auch die Beratung zur Kinderbetreuung im Familienbüro angesiedelt werden könnte.

Kritisiert werden die begrenzten Öffnungszeiten des Familienbüros an nur einem Nachmittag in der Woche, die teilweise als Zugangsschwelle zur Nutzung des Angebots erlebt werden. Viele Familien wünschen sich die Ausweitung der Öffnungszeiten auf mehrere Wochentage, wobei insbesondere die zusätzliche Öffnung an einem oder mehreren Vormittagen gewünscht wird.

 

Bewertung des Angebots aus Sicht der Fachkräfte

Die Mitarbeiter/-innen des Familienbüros haben im Kontext ihrer Tätigkeit die Erfahrung gesammelt, dass über den Rahmen des Familienbüros ein besserer Zugang zu Familien möglich wird und aus erster Hand Erkenntnisse über die tatsächlichen Bedarfe vor Ort erlangt werden können. Die Bündelung der verschiedenen familienorientierten Dienste stellt aus ihrer Sicht einen Gewinn für das Familienbüro dar, da die unterschiedlichen Kompetenz- und Wissensbereiche wesentlich zu einer schnellen und unkomplizierten Informationsvermittlung und Hilfestellung beitragen. Durch die Kooperation mit anderen familienrelevanten Einrichtungen und Organisationen ergeben sich zudem messbare Synergieeffekte.

Die insgesamt einladende Gestaltung der Räumlichkeiten trägt zu einer für Familien entspannenden Atmosphäre bei. Kritisch wird angemerkt, dass der ursprünglich eingerichtete Wartebereich sowie das Beratungszimmer aus Ressourcengründen mit Schreibtischarbeitsplätzen bestückt wurden. Diese Umstrukturierung habe im Laufe des Jahres zu einer Verschlechterung der Beratungssituation geführt, insbesondere weil anwesenden Kindern während der Beratung weniger Platz zum Spiel zur Verfügung steht. Gewünscht wird daher mehr Platz für die Beratungsarbeit sowie die Wiedereinrichtung eines Wartebereichs. Perspektivisch sind zudem Rahmenbedingungen zu schaffen, die auch vertraulichen oder besonders emotionalen Gesprächssituationen besser gerecht werden.

Bezüglich des Zugangs zum Familienbüro wird eine deutlichere Kennzeichnung im Außenbereich der Alten Villa bzw. am Eingang angeregt, um das Familienbüro im Stadtbild präsenter zu machen.

 

5.    Bilanz und Ausblick

Auf der Grundlage der vorliegenden Evaluation kann festgehalten werden, dass die Bündelung verschiedener familienorientierter Fachdienste unter dem Dach des Familienbüros sich bewährt hat. Mit dem Familienbüro wird ein insgesamt positives Image assoziiert, was besonders durch den ausgeprägten Servicecharakter und die räumliche Trennung von Jugendamt und Rathaus begünstigt wird. Dies führt zu einer guten Akzeptanz bei Familien, sowohl was die Nutzerzahlen als auch die Zufriedenheit mit der angebotenen Beratung betrifft.

Gleichzeitig hat die Evaluation auch einige Entwicklungspotenziale offen gelegt. Diese bestehen insbesondere im Bereich der Öffnungszeiten. Um Familien noch mehr und besser zu erreichen, erscheint eine Ausweitung der Öffnungszeiten sinnvoll. Sowohl die expliziten Rückmeldungen von Familien als auch die Häufigkeit der Kontaktversuche außerhalb der festgelegten Sprechzeiten lassen diesen Schluss zu. Ein weiterer Punkt betrifft die Etablierung und Sichtbarmachung des Familienbüros im Stadtbild und bei Kamener Familien. Zu nennen sind hier z.B. eine gut sichtbare Beschilderung oder ein Logo mit Wiedererkennungswert. Mit weiteren Ankerangeboten können schließlich der Bekanntheitsgrad des Familienbüros verstärkt, Zugangsschwellen bei Informations- und Beratungsbedarfen potenziell gesenkt und Nutzerzahlen erhöht werden.

Ein gut aufgestelltes Familienbüro kann ein zentraler Baustein für die Familienfreundlichkeit der Stadt Kamen sein. Mit dem Ziel, den Charakter des Familienbüros als zentrale und niedrigschwellige Service- und Lotsenstelle für Familien in Kamen weiter zu stärken, sollte das Konzept des Familienbüros gezielt weiterentwickelt werden.