Überprüfung des Allgemeininteresses
Beschlussvorschlag:
Der Anteil des allgemeinen öffentlichen Interesses wird auf 14,27 % festgestellt. Die Verwaltung wird beauftragt, dieses bei der Gebührenkalkulation zu berücksichtigen.
Sachverhalt und Begründung (einschl. finanzielle Möglichkeit der Verwirklichung):
1. Sachverhalt
Nach der bis zum
31. Dezember 1997 geltenden Fassung des § 3 Abs. 1 Satz 2 StrReinG NRW legte
das Gesetz den zu berücksichtigenden Anteil des allgemeinen öffentlichen
Interesses zur Sicherung einer gleichmäßigen Untergrenze generell auf mindestens
25 % der Gesamtkosten fest. Die Gemeinden durften höchstens 75 % ihrer
Reinigungskosten über Gebühren decken. Dabei war nach der Ansicht des
Gesetzgebers das allgemeine öffentliche Interesse an der Reinigung einer Durchgangs-
oder Hauptverkehrsstraße erheblich höher zu bewerten, als das bezüglich einer
reinen Anliegerstraße.
§ 3 Abs. 1 Satz 2
StrReinG NRW ist durch das Gesetz zur Stärkung der Leistungsfähigkeit der
Kreise, Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen abgelöst worden. Hierdurch
sollte den Gemeinden die Möglichkeit gegeben werden, von der Begrenzung des
Gebührenaufkommens auf höchstens 75 % der Gesamtkosten der Straßenreinigung im
Gemeindegebiet abzuweichen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es auch weiterhin
zwingend erforderlich ist, den auf die Interessen der Allgemeinheit
entfallenden Kostenanteil zu ermitteln und von den Gesamtkosten der
Straßenreinigung abzusetzen. Andernfalls verstößt die Gemeinde gegen den
Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (s. BVerwG vom 22.05.1984 – 8 C 55/82; 8 C
58/82 – und 07.04.1989 – 8 C 90/87).
Die Stadt Kamen
hat bei ihren Gebührenkalkulationen in den vergangenen Jahren den Anteil des
Allgemeininteresses sukzessiv von 15 % (in 2001) auf 5 % (ab 2011 im Rahmen des
HSK) reduziert.
Im März dieses
Jahres hat der Rat der Verwaltung einen Prüfauftrag erteilt.
Die Festlegung der
Höhe des auf das Allgemeininteresse entfallenden Kostenanteils liegt im
Ermessen des Ortsrechtgebers. Insoweit steht der Stadt Kamen eine weitgehende
Einschätzungsfreiheit zu. Bei der Entscheidung hat sich die Stadt Kamen an den
örtlichen Verhältnissen zu orientieren und insbesondere das Verhältnis zwischen
den Straßen mit ihren jeweils unterschiedlichen Anlieger- bzw.
Allgemeininteressen zu berücksichtigen. Dabei hat sie, ohne den Gleichheitssatz
zu verletzen, die Wahl: Sie kann den von der gemeindlichen
Straßenreinigungseinrichtung im Allgemeininteresse aufgewendeten Kostenanteil
bei der Ermittlung der durch Gebühren zu deckenden Kosten entweder insgesamt
(vorweg) absetzen oder in der Satzung unterschiedliche, je nach
Verkehrsbedeutung (z.B. Anliegerstraßen, innerörtliche Straßen, überörtliche
Straßen) abgestufte Gebührensätze vorsehen und differenziert den Kostenanteil
für das Allgemeininteresse absetzen.
Das OVG Münster
hat in einer jüngeren Entscheidung (v. 01.06.2007 – 9 A 956/03) ausgeführt:
„Bei der Ermittlung des Kostenanteils für das
Allgemeininteresse kann sich der Satzungsgeber an den in § 3 Abs. 2 StrReinG
NRW genannten drei Straßentypen, den Straßen für den Anliegerverkehr sowie den
für den innerörtlichen und überörtlichen Verkehr, orientieren. Er kann aber
auch im Rahmen seines weiten Organisationsermessens entsprechend den örtlichen
Verhältnissen und etwaigen satzungsrechtlichen Besonderheiten weiter
differenzieren. So kann er zusätzliche Untergruppen oder z.B. für Geschäftsstraßen
oder Fußgängerzonen eigenständige Straßengruppen bilden, die den örtlichen
Besonderheiten Rechnung tragen. Die Höhe des auf die einzelnen Straßengruppen
entfallenden öffentlichen Interesses ist unter Berücksichtigung der jeweiligen
Spannbreite innerhalb der einzelnen Gruppen und der Nutzungsintensität durch
Nichtanlieger zu ermitteln. Grundsätzlich ist dabei zu beachten, dass das
Allgemeininteresse um so höher zu bewerten sein wird, je intensiver die Straße
durch Nichtanlieger in Anspruch genommen wird. Dabei dürfte das
Allgemeininteresse bei den Anliegerstraßen, die nach gemeindlicher Praxis in
der Regel - wie auch hier - im Wesentlichen die Straßen aller Wohngebiete der
Gemeinde erfassen, als eher gering anzusehen sein. Bei den Straßen mit
innerörtlichem Verkehr liegt die Nutzung durch Nichtanlieger im Schnitt bereits
deutlich höher; demgemäß ist das darauf entfallende Interesse als beträchtlich
einzustufen. Bei Straßen für den überörtlichen Verkehr ist das
Allgemeininteresse demgegenüber erheblich, weil diese am intensivsten durch
Nichtanlieger in Anspruch genommen werden. Ist das Allgemeininteresse für jede
Straßengruppe festgelegt, sind die Straßengruppen hinsichtlich des Umfangs der
jeweiligen Reinigungsflächen ins Verhältnis zu setzen; danach ist der
prozentuale Kostenanteil des Allgemeininteresses an den Gesamtkosten der
Straßenreinigung zu berechnen.“
2.
Analyse der Straßenflächen
Bestandteil der
Straßenreinigungssatzung ist ein Straßenverzeichnis. Mit diesem Verzeichnis
werden die Straßen definiert, deren Fahrbahnen von den Anliegern (= Teil A) und
deren Fahrbahnen von der Stadt (= Teil B) zu reinigen sind. Soweit die Stadt
Kamen Baulastträger ist, sind die Straßenflächen im Straßenkataster hinterlegt.
Beide
Straßenverzeichnisse wurden mit folgendem Ergebnis zusammengeführt (nicht aufgeführt
= Außenbereich, keine Reinigungsverpflichtung):
Straßenart |
Teil A |
Teil B |
nicht aufgeführt |
Summe |
Anliegerstraßen |
301.798 |
294.795 |
53.397 |
649.990 |
Fußgängerzonen |
24.544 |
14.433 |
|
38.977 |
innerörtliche Straßen |
|
369.252 |
19.044 |
388.296 |
überörtliche Straßen |
|
20.200 |
1.785 |
21.985 |
Fläche m² |
326.342 |
698.680 |
74.226 |
1.099.248 |
Anrechenbar sind
nur die Flächen, die von der Stadt Kamen zu reinigen sind (Teil B), da die
Kosten der Straßenreinigung sich nur auf diese Straßen beziehen.
Nicht enthalten
sind die überörtlichen Straßen anderer Straßenbaulastträger, also die Kreis-,
Landes- und Bundesstraßen.
Diese Flächen
wurden im Rahmen der Veranlagung zu Niederschlagsabwassergebühren analysiert:
andere Baulastträger |
Fläche m² |
Kreisstraßen |
79.000 |
Landesstraßen |
142.800 |
Bundesstraßen |
71.652 |
Summe andere |
293.452 |
Die Flächen der
Kreis- Landes- und Bundesstraßen sind jedoch nur zu 75 % (= 220.089 m²)
anrechenbar, da sich ein Teil dieser Flächen außerhalb der bebauten Bereiche
befinden und daher nach § 1 Straßenreinigungsgesetz NRW hier keine
Verpflichtung zur Reinigung besteht.
Es ergeben sich folgende zu berücksichtigende
Straßenflächen:
städt. Straßen |
andere Baulastträger |
Summe |
|
Anliegerstraßen |
294.795 |
|
294.795 |
Fußgängerzonen |
14.433 |
|
14.433 |
innerörtliche Straßen |
369.252 |
|
369.252 |
überörtliche Straßen |
20.200 |
220.089 |
240.289 |
Summe |
698.680 |
220.089 |
918.769 |
3.
Öffentliches Interesse
Wie bereits
erwähnt, ist das Allgemeininteresse um so höher zu bewerten, je intensiver die
Straße durch Nichtanlieger in Anspruch genommen wird. Die Anteile
(Prozentsätze) auf der Basis der abrechenbaren Straßenbaubeiträge zu ermitteln,
ist nicht angezeigt, da das Interesse an intakten Straßen von Nichtanliegern
erheblich größer ist, als das Interesse an einer sauberen Straße. Das Interesse
der Anlieger an einem „sauberen Entree“ ist jedoch nicht außer acht zu lassen.
Anliegerstraßen
werden i. d. Regel von den Anliegern genutzt. Das Interesse der Anlieger an
einem sauberen Umfeld ist sehr groß. Der Anteil des Allgemeininteresses wird
hier mit 1 % angesetzt.
Fußgängerzonen
werden naturgemäß von vielen Nichtanliegern genutzt. Das Interesse der
Geschäftsinhaber an einem sauberen Umfeld ist jedoch extrem groß. Auch sind in
den anliegenden Gebäuden sehr viele Wohnungen, so dass die Fußgängerzone auch
als Anliegerstraße zu sehen ist. Der Anteil des Allgemeininteresses wird hier
mit 5 % angesetzt.
Innerörtliche
Straßen werden von mehr Nichtanliegern genutzt, als bei den Anliegerstraßen. Es
handelt sich aber auch um Haupterschließungsanlagen, die die Anliegerbereiche erschließen.
Das Interesse der Anlieger an einem sauberen Umfeld ist daher groß. Der Anteil
des Allgemeininteresses wird hier mit 15 % angesetzt.
Überörtliche
Straßen werden naturgemäß von vielen Nichtanliegern genutzt. Das Interesse der
Anlieger an einem sauberen Umfeld ist ebenso groß, wie bei den anderen Straßen.
Der Anteil des Allgemeininteresses wird hier mit 30 % angesetzt.
Unter
Berücksichtigung der o. g. Anteile, ergibt sich ein Anteil des öffentlichen
Interesses von 14,27 %.
alle Straßen |
Summe Fläche |
öffentl. Interesse |
Öffentl. Interesse |
|
Anliegerstraßen |
294.795 |
1,00% |
2.948 |
|
Fußgängerzonen |
14.433 |
5,00% |
722 |
|
Innerörtliche Straßen |
369.252 |
15,00% |
55.388 |
|
Überörtliche Straßen |
240.289 |
30,00% |
72.087 |
|
Summe |
918.769 |
|
131.144 |
14,27% |
4.
Finanzielle Auswirkungen
Der Anteil des Allgemeininteresses wird prozentual von den gesamten Kosten abgesetzt. Die Kosten liegen i. d. R. zwischen 500.000 € und 700.000 €. Bei der Wertermittlung für das HSK ist man von Kosten in Höhe von rd. 540.000 € ausgegangen, so dass bei der Reduzierung von 10% auf 5% eine Einsparung von 27.000 € ermittelt wurde. Wird der Anteil des Allgemeininteresses erhöht, ist das Einsparpotential nicht mehr gegeben und der Haushalt wird zusätzlich belastet. Die HSK-Maßnahme ist damit hinfällig.
Bei einem
Gesamtaufwand von rd. 600.000 € und einem öffentlichen Anteil von 5% beträgt
dieser 30.000 € und bei 14,27 % 85.620 €, so dass der Haushalt durchschnittlich
mit jährlich 55.620 € mehr belastet wird.