Betreff
Vorbereitende Untersuchungen gem. § 141 Baugesetzbuch (BauGB) für das Untersuchungsgebiet Blumenstraße/Karl-Arnold-Straße
hier: Einleitungsbeschluss
Vorlage
009/2024
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

1.    Der Rat der Stadt Kamen beschließt für das Untersuchungsgebiet „Blumenstraße/Karl-Arnold-Straße“ (Anlage 1) die Einleitung einer vorbereitenden Untersuchungen nach § 141 Abs. 3 BauGB i.V.m. §§ 136-139 BauGB zur Gewinnung von Beurteilungsgrundlagen über die Festlegungsvoraussetzungen für ein förmliches Sanierungsgebiet gem. § 142 BauGB.

 

2.    Die Verwaltung wird mit der Beauftragung eines externen Planungsbüros zur Durchführung der vorbereitenden Untersuchung im unter (1.) benannten Quartier beauftragt.

2.


Sachverhalt und Begründung (einschl. finanzielle Möglichkeit der Verwirklichung):

 

Der Planungs- und Stadtentwicklungsausschuss hat die Verwaltung mit Beschluss vom 30.11.2023 aufgefordert, die Einleitung einer vorbereitenden Untersuchung gem. § 141 BauGB für das oben genannte Quartier vorzubereiten. Die Durchführung einer vorbereitenden Untersuchung (Untersuchung der Sanierungsbedürftigkeit und Klärung weiterer Rahmenbedingungen) ist Voraussetzung für den Erlass einer Sanierungssatzung gemäß § 142 BauGB.

 

 

Situation:

Bereits seit Jahren prägen problematische Wohnverhältnisse verbunden mit z. T. erheblichen Leerständen (bis zu 50 %) einige Wohnungsbestände im Quartier Blumenstraße/Karl-Arnold-Straße. Diese hängen ursächlich mit der mangelnden Bereitschaft des Eigentümers bzw. der Verwaltungsgesellschaft zusammen, ihren Pflichten zur Instandhaltung der Immobilien in geeigneter Form nachzukommen. Mängel bestehen u. a. in Feuchtigkeits- und Schimmelbefall, CO-Grenzwertüberschreitungen der Heizungsthermen mit notwendiger Stilllegung sowie defekten Aufzügen. Die Bausubstanz selbst wird durch das Bauordnungsamt der Stadt Kamen als gut und erhaltenswert beurteilt werden.

 

Erhebliche Missstände z. T. mit Gefährdung von Bewohner/innen wurden in sechs Immobilien verzeichnet (Blumenstraße 2, 6, 7, 8; Auf dem Spiek 41, 43). Weitere 16 Immobilien weisen deutliche Instandhaltungsmängel mit zum Teil erheblichen Leerständen auf (Erik-Nölting-Straße 1, 3, 5, 7, 9; Karl-Arnold-Straße 8, 10, 12, 14, 16, 18; Auf dem Spiek 35, 37, 39; Blumenstraße 3, 9). Mit Ausnahme der beiden letztgenannten Immobilien ist Eigentümerin die Silver Wohnen Fünfte GmbH. Die Verwaltung erfolgt durch MVGM Property Management Deutschland GmbH (vormals belvona bzw. Altromondo).

 

Im Dezember 2023/Januar 2024 hat sich die Lage im Quartier derart verschärft, dass in den Häusern Blumenstraße 2 und 8 (beide: Silver/MVGM) insgesamt 60 Wohnungen durch die städtische Wohnungsaufsicht für unbewohnbar erklärt und geräumt wurden (u. a. Wasser im Heizungskeller sowie im Bereich von elektrischen Leitungen, Mängel an Gasleitungen). Im Haus Blumenstraße 3 (priv. Eigentümer) hatte sich zudem aufgrund einer defekten Therme in einer Wohnung eine lebensgefährliche Situation aufgrund von CO-Wert-Überschreitungen entwickelt. Auch hier wurde die betroffene Wohnung geräumt. Mieterinnen und Mieter wurden – sofern sie nicht private Wohnalternativen gefunden haben – zunächst durch die Stadt untergebracht. Aktuell wird geprüft, inwiefern leerstehende Wohnungen im Quartier (Silver/MVGM) als Ersatzwohnraum genutzt werden können.

 

Die Situation im Quartier wird laufend geprüft durch Wohnungsaufsicht und Bauordnung der Stadt Kamen sowie z. T. durch den Schornsteinfeger und die Feuerwehr (zuletzt in der dritten Januar-Woche 2024). Bereits im Laufe des Jahres 2023 waren in zwölf Wohnungen in der Blumenstraße 2, 6, 7, 8 die Heizungen stillgelegt worden. Nach wiederholter Aufforderung durch die Stadt Kamen beauftragte die MVGM eine Firma mit einem Austausch der Gasthermen. Bislang sind fünf Thermen ausgetauscht worden (Stand 27.10.2023).

 

Zur Situation wurden zudem im Verlauf der letzten Jahre bereits verschiedentlich Quartiersstudien erstellt (SSR 2012 i. R. d. HK Wohnen, plan-lokal 2015, plan-lokal 2023 i. R. d. HK Wohnen inkl. Diskussion im Workshop am 07.02.2023 mit Vertreter/innen von Politik und Wohnungswirtschaft). Die Wohnqualität in den Immobilien hat sich im Zeitverlauf nicht verbessert. Leerstände haben weiter zugenommen.

 

Im Herbst 2022 hatte die - seinerzeit mit der Verwaltung betraute - belvona im Gespräch mit der Stadt mündlich Maßnahmen zu einer kurz- und mittelfristigen Verbesserung der Bewohnbarkeit ihrer Bestände zugesagt. Bis zum Oktober 2023 wurde - mit Ausnahme des o. g. Thermenaustauschs, der erst auf wiederholte Aufforderung hin erfolgte - keine dieser Maßnahmen umgesetzt.

 

Neben den konkreten gebäudebezogenen Missständen sind im Wohnumfeld im gesamten Quartier Probleme wahrnehmbar: Zum einen ist das Wohnumfeld in Teilen wenig attraktiv und bewohnerorientiert gestaltet. Zum anderen ist - ebenfalls in Teilen - eine deutliche und wiederkehrende Vermüllung festzustellen. 

 

Bewohner/innen sind zu einem großen Teil Migrant/innen, vorrangig aus Rumänien, Bulgarien, Russland und der Türkei. Zum Teil handelt es sich um große Familien mit sozialen Problemlagen.

Details zur Situation sind dem i. R. d. Handlungskonzeptes Wohnen erstellten Quartierssteckbrief zu entnehmen.

 

Im Folgenden sind Ziele und Instrumente dargestellt, die dazu dienen sollen, die Wohn- und Lebensverhältnisse im Quartier zu verbessern.

 

Vorläufige Ziele für das Quartier:

·         Beseitigung von Substanz- und Funktionsmängeln, Erreichen von gesunden Wohnverhältnissen

·         Anstoßen privater Modernisierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen; Ziel nachhaltig verlässliche Lösung

·         Bei mangelnder Kooperationsbereitschaft: Ziel (Zwischen-)erwerb durch die Stadt Kamen

·         Reaktivierung Leerstände

·         Verbesserung Kommunikation Mieter/innen Vermieter/innen

·         Verbesserung Integration von Anwohner/innen mit Migrationshintergrund

·         Aufwertung öffentliches und privates Wohnumfeld

·         Imageaufwertung

 

Instrumente/Handlungsmöglichkeiten:

Um diese Ziele zu erreichen, beabsichtigt die Stadt Kamen, zunehmenden Druck auf den - bislang nicht kooperationsbereiten - Eigentümer der Problemimmobilien aufzubauen, um ihn entweder zur Instandsetzung oder zum Verkauf seiner Immobilien zu motivieren.

 

Erster, kurzfristig wirksamer Teil der Strategie ist der Erlass einer Vorkaufsrechtssatzung (Entscheidung darüber in selber Sitzung).

 

Zweiter, eher mittelfristig, aber thematisch umfangreicherer Teil der Strategie ist das Anstreben einer städtebaulichen Sanierungssatzung gemäß § 142 BauGB für das Quartier:

 

Eine städtebauliche Sanierungssatzung stellt ein Instrument dar,

·         das Handlungs- und Einflussmöglichkeiten der Stadt im Quartier erhöht und gleichzeitig den Druck auf Eigentümer/innen erhöht (z. B. in Form von Genehmigungsvorbehalten bei baulichen oder liegenschaftlichen Veränderungen, ggf. Pflicht zur Ausgleichszahlung der durch die Sanierungsmaßnahme ausgelösten Bodenwertsteigerungen),

·         das finanzielle Sanierungsanreize für Eigentümer/innen setzt (steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten)

·         und das der Stadt Zugang zu Städtebaufördermitteln ermöglicht.

 

Vorbereitende Untersuchung (VU) gem. § 141 BauGB

Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen können nicht beliebig eingesetzt werden. Ihre Erforderlichkeit ist im Zuge einer ergebnisoffenen vorbereitenden Untersuchung (VU) gem. § 141 BauGB nachzuweisen.

 

Ausgangspunkt der VU ist ein Sanierungsverdacht. Gemäß § 141 Abs. 1 Satz 1 BauGB hat die Gemeinde vor der förmlichen Festlegung des Sanierungsgebiets eine vorbereitende Untersuchung durchzuführen oder zu veranlassen, um Beurteilungsunterlagen über die Notwendigkeit der Sanierung sowie über die sozialen, strukturellen und städtebaulichen Verhältnisse und Zusammenhänge zu gewinnen. Zudem sollen Erkenntnisse über die anzustrebenden allgemeinen Ziele sowie die Durchführbarkeit der Sanierung im Allgemeinen erlangt werden. Gemäß § 141 Abs. 1 Satz 2 BauGB sollen sich vorbereitende Untersuchungen dabei auf positive sowie nachteilige Auswirkungen erstrecken, welche sich für die von der beabsichtigten Sanierung unmittelbar betroffenen Personen in wirtschaftlicher oder sozialer Hinsicht voraussichtlich ergeben werden. Im Zuge der vorbereitenden Untersuchung werden die von einer möglichen Sanierungsmaßnahme betroffenen Eigentümer/innen und ggf. Mieter/innen sowie Ämter und Behörden informiert und beteiligt.

 

Der Zeitraum für die Durchführung der vorbereitenden Untersuchung umfasst circa ein Jahr. Die Ergebnisse werden der Stadt durch das beauftragte Planungsbüro in Berichtsform geliefert. Aus der Darstellung und Analyse von Missständen, Konflikten und Potentialen im Untersuchungsgebiet werden konkrete Sanierungsziele, dazugehörige Einzelmaßnahmen auf Block- und Flurstücksebene, ein städtebauliches Gesamtkonzept sowie ein Sanierungsrahmenplan abgeleitet.

 

Belegt die vorbereitende Untersuchung gemäß § 141 BauGB die Erforderlichkeit und die Durchführbarkeit einer städtebaulichen Sanierungsmaßnahme, d. h. es werden städtebauliche Missstände i. S. d. § 136 Abs. 2 und 3 BauGB festgestellt, kann der Rat in einem nächsten Schritt die Durchführung einer Sanierungsmaßnahme beschließen, sofern sich diese zudem als durchführbar erweist und die Finanzierung gesichert ist.

 

Mit dem Beschluss über die Einleitung einer vorbereitenden Untersuchung gehen gemäß § 141 Abs. 4 BauGB folgende rechtliche Bedingungen einher:

·         In Folge der Abgrenzung des Verdachtsgebietes besteht für die Stadt Kamen die Verpflichtung, öffentliche Aufgabenträger sowie die Betroffenen einer Sanierung an der vorbereitenden Untersuchung zu beteiligen. Die rechtlich vorgeschriebenen Beteiligungsschritte im Rahmen der vorbereitenden Untersuchung sind in § 137 BauGB (Beteiligung und Mitwirkung der Betroffenen) sowie in § 139 BauGB (Beteiligung und Mitwirkung öffentlicher Aufgabenträger) festgelegt. Betroffene im sanierungsrechtlichen Kontext sind insbesondere Eigentümer/innen und Mieter/innen sowie Pächter/innen von Grundstücken, die im Voruntersuchungsbereich Grundstücke besitzen oder nutzen.

·         Gemäß §138 Abs. 1 BauGB sind Eigentümer/innen, Mieter/innen sowie Pächter/innen der Stadt Kamen gegenüber verpflichtet, Auskunft über Tatsachen zu erteilen, deren Kenntnis zur Beurteilung der Sanierungsbedürftigkeit eines Gebiets sowie zur Vorbereitung oder Durchführung der Sanierung erforderlich ist.

·         Gemäß § 141 Abs. 4 BauGB ist ab dem Zeitpunkt der ortsüblichen Bekanntmachung des Beschlusses über den Beginn der vorbereitenden Untersuchung der § 15 BauGB zur Zurückstellung von Baugesuchen auf die Durchführung eines Vorhabens im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB und auf die Beseitigung einer baulichen Anlage entsprechend anzuwenden.

 

Die vorbereitende Untersuchung soll durch ein externes Planungsbüro durchgeführt werden. Die anfallenden Kosten sind gemäß Städtebauförderrichtlinie Nordrhein-Westfalen 2023 förderfähig.

 

 


Anlage 1               Vorschlag zur Abgrenzung des Gebietes, für das eine vorbereitende Untersuchung nach § 141 BauGB durchgeführt werden soll

Anlage 2               VU-Gebiet: Flurstücksliste