hier: Einleitungsbeschluss
Beschlussvorschlag:
1.
Der Rat der Stadt Kamen beschließt für das
Untersuchungsgebiet „Blumenstraße/Karl-Arnold-Straße“ (Anlage 1) die Einleitung
einer vorbereitenden Untersuchungen nach § 141 Abs. 3 BauGB i.V.m. §§ 136-139
BauGB zur Gewinnung von Beurteilungsgrundlagen über die
Festlegungsvoraussetzungen für ein förmliches Sanierungsgebiet gem. § 142
BauGB.
2.
Die Verwaltung wird mit der Beauftragung eines externen
Planungsbüros zur Durchführung der vorbereitenden Untersuchung im unter (1.)
benannten Quartier beauftragt.
2.
Sachverhalt und Begründung (einschl. finanzielle Möglichkeit der Verwirklichung):
Der Planungs- und
Stadtentwicklungsausschuss hat die Verwaltung mit Beschluss vom 30.11.2023
aufgefordert, die Einleitung einer vorbereitenden Untersuchung gem. § 141 BauGB
für das oben genannte Quartier vorzubereiten. Die Durchführung einer
vorbereitenden Untersuchung (Untersuchung der Sanierungsbedürftigkeit und
Klärung weiterer Rahmenbedingungen) ist Voraussetzung für den Erlass einer
Sanierungssatzung gemäß § 142 BauGB.
Situation:
Bereits seit Jahren
prägen problematische Wohnverhältnisse verbunden mit z. T. erheblichen
Leerständen (bis zu 50 %) einige Wohnungsbestände im Quartier Blumenstraße/Karl-Arnold-Straße.
Diese hängen ursächlich mit der mangelnden Bereitschaft des Eigentümers bzw.
der Verwaltungsgesellschaft zusammen, ihren Pflichten zur Instandhaltung der
Immobilien in geeigneter Form nachzukommen. Mängel bestehen u. a. in
Feuchtigkeits- und Schimmelbefall, CO-Grenzwertüberschreitungen der
Heizungsthermen mit notwendiger Stilllegung sowie defekten Aufzügen. Die
Bausubstanz selbst wird durch das Bauordnungsamt der Stadt Kamen als gut und
erhaltenswert beurteilt werden.
Erhebliche
Missstände z. T. mit Gefährdung von Bewohner/innen wurden in sechs Immobilien
verzeichnet (Blumenstraße 2, 6, 7, 8; Auf dem Spiek 41, 43). Weitere 16
Immobilien weisen deutliche Instandhaltungsmängel mit zum Teil erheblichen
Leerständen auf (Erik-Nölting-Straße 1, 3, 5, 7, 9; Karl-Arnold-Straße 8, 10,
12, 14, 16, 18; Auf dem Spiek 35, 37, 39; Blumenstraße 3, 9). Mit Ausnahme der
beiden letztgenannten Immobilien ist Eigentümerin die Silver Wohnen Fünfte
GmbH. Die Verwaltung erfolgt durch MVGM Property Management Deutschland GmbH
(vormals belvona bzw. Altromondo).
Im Dezember
2023/Januar 2024 hat sich die Lage im Quartier derart verschärft, dass in den
Häusern Blumenstraße 2 und 8 (beide: Silver/MVGM) insgesamt 60 Wohnungen durch
die städtische Wohnungsaufsicht für unbewohnbar erklärt und geräumt wurden (u.
a. Wasser im Heizungskeller sowie im Bereich von elektrischen Leitungen, Mängel
an Gasleitungen). Im Haus Blumenstraße 3 (priv. Eigentümer) hatte sich zudem
aufgrund einer defekten Therme in einer Wohnung eine lebensgefährliche
Situation aufgrund von CO-Wert-Überschreitungen entwickelt. Auch hier wurde die
betroffene Wohnung geräumt. Mieterinnen und Mieter wurden – sofern sie nicht
private Wohnalternativen gefunden haben – zunächst durch die Stadt
untergebracht. Aktuell wird geprüft, inwiefern leerstehende Wohnungen im
Quartier (Silver/MVGM) als Ersatzwohnraum genutzt werden können.
Die Situation im
Quartier wird laufend geprüft durch Wohnungsaufsicht und Bauordnung der Stadt
Kamen sowie z. T. durch den Schornsteinfeger und die Feuerwehr (zuletzt in der
dritten Januar-Woche 2024). Bereits im Laufe des Jahres 2023 waren in zwölf
Wohnungen in der Blumenstraße 2, 6, 7, 8 die Heizungen stillgelegt worden. Nach
wiederholter Aufforderung durch die Stadt Kamen beauftragte die MVGM eine Firma
mit einem Austausch der Gasthermen. Bislang sind fünf Thermen ausgetauscht
worden (Stand 27.10.2023).
Zur Situation
wurden zudem im Verlauf der letzten Jahre bereits verschiedentlich
Quartiersstudien erstellt (SSR 2012 i. R. d. HK Wohnen, plan-lokal 2015,
plan-lokal 2023 i. R. d. HK Wohnen inkl. Diskussion im Workshop am 07.02.2023 mit
Vertreter/innen von Politik und Wohnungswirtschaft). Die Wohnqualität in den
Immobilien hat sich im Zeitverlauf nicht verbessert. Leerstände haben weiter
zugenommen.
Im Herbst 2022
hatte die - seinerzeit mit der Verwaltung betraute - belvona im Gespräch mit
der Stadt mündlich Maßnahmen zu einer kurz- und mittelfristigen Verbesserung
der Bewohnbarkeit ihrer Bestände zugesagt. Bis zum Oktober 2023 wurde - mit
Ausnahme des o. g. Thermenaustauschs, der erst auf wiederholte Aufforderung hin
erfolgte - keine dieser Maßnahmen umgesetzt.
Neben den konkreten
gebäudebezogenen Missständen sind im Wohnumfeld im gesamten Quartier Probleme
wahrnehmbar: Zum einen ist das Wohnumfeld in Teilen wenig attraktiv und
bewohnerorientiert gestaltet. Zum anderen ist - ebenfalls in Teilen - eine
deutliche und wiederkehrende Vermüllung festzustellen.
Bewohner/innen sind
zu einem großen Teil Migrant/innen, vorrangig aus Rumänien, Bulgarien, Russland
und der Türkei. Zum Teil handelt es sich um große Familien mit sozialen
Problemlagen.
Details zur
Situation sind dem i. R. d. Handlungskonzeptes Wohnen erstellten
Quartierssteckbrief zu entnehmen.
Im Folgenden sind
Ziele und Instrumente dargestellt, die dazu dienen sollen, die Wohn- und
Lebensverhältnisse im Quartier zu verbessern.
Vorläufige Ziele
für das Quartier:
·
Beseitigung von Substanz- und
Funktionsmängeln, Erreichen von gesunden Wohnverhältnissen
·
Anstoßen privater Modernisierungs-
und Instandhaltungsmaßnahmen; Ziel nachhaltig verlässliche Lösung
·
Bei mangelnder
Kooperationsbereitschaft: Ziel (Zwischen-)erwerb durch die Stadt Kamen
·
Reaktivierung Leerstände
·
Verbesserung Kommunikation
Mieter/innen Vermieter/innen
·
Verbesserung Integration von
Anwohner/innen mit Migrationshintergrund
·
Aufwertung öffentliches und
privates Wohnumfeld
·
Imageaufwertung
Instrumente/Handlungsmöglichkeiten:
Um diese Ziele zu
erreichen, beabsichtigt die Stadt Kamen, zunehmenden Druck auf den - bislang
nicht kooperationsbereiten - Eigentümer der Problemimmobilien aufzubauen, um
ihn entweder zur Instandsetzung oder zum Verkauf seiner Immobilien zu
motivieren.
Erster, kurzfristig
wirksamer Teil der Strategie ist der Erlass einer Vorkaufsrechtssatzung
(Entscheidung darüber in selber Sitzung).
Zweiter, eher
mittelfristig, aber thematisch umfangreicherer Teil der Strategie ist das
Anstreben einer städtebaulichen Sanierungssatzung gemäß § 142 BauGB für das
Quartier:
Eine städtebauliche
Sanierungssatzung stellt ein Instrument dar,
·
das Handlungs- und
Einflussmöglichkeiten der Stadt im Quartier erhöht und gleichzeitig den Druck
auf Eigentümer/innen erhöht (z. B. in Form von Genehmigungsvorbehalten bei
baulichen oder liegenschaftlichen Veränderungen, ggf. Pflicht zur
Ausgleichszahlung der durch die Sanierungsmaßnahme ausgelösten Bodenwertsteigerungen),
·
das finanzielle Sanierungsanreize
für Eigentümer/innen setzt (steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten)
·
und das der Stadt Zugang zu
Städtebaufördermitteln ermöglicht.
Vorbereitende
Untersuchung (VU) gem. § 141 BauGB
Städtebauliche
Sanierungsmaßnahmen können nicht beliebig eingesetzt werden. Ihre
Erforderlichkeit ist im Zuge einer ergebnisoffenen vorbereitenden Untersuchung
(VU) gem. § 141 BauGB nachzuweisen.
Ausgangspunkt der
VU ist ein Sanierungsverdacht. Gemäß § 141 Abs. 1 Satz 1 BauGB hat die Gemeinde
vor der förmlichen Festlegung des Sanierungsgebiets eine vorbereitende
Untersuchung durchzuführen oder zu veranlassen, um Beurteilungsunterlagen über
die Notwendigkeit der Sanierung sowie über die sozialen, strukturellen und
städtebaulichen Verhältnisse und Zusammenhänge zu gewinnen. Zudem sollen
Erkenntnisse über die anzustrebenden allgemeinen Ziele sowie die
Durchführbarkeit der Sanierung im Allgemeinen erlangt werden. Gemäß § 141 Abs.
1 Satz 2 BauGB sollen sich vorbereitende Untersuchungen dabei auf positive
sowie nachteilige Auswirkungen erstrecken, welche sich für die von der
beabsichtigten Sanierung unmittelbar betroffenen Personen in wirtschaftlicher
oder sozialer Hinsicht voraussichtlich ergeben werden. Im Zuge der
vorbereitenden Untersuchung werden die von einer möglichen Sanierungsmaßnahme
betroffenen Eigentümer/innen und ggf. Mieter/innen sowie Ämter und Behörden
informiert und beteiligt.
Der Zeitraum für die Durchführung der
vorbereitenden Untersuchung umfasst circa ein Jahr. Die Ergebnisse werden der
Stadt durch das beauftragte Planungsbüro in Berichtsform geliefert. Aus der
Darstellung und Analyse von Missständen, Konflikten und Potentialen im
Untersuchungsgebiet werden konkrete Sanierungsziele, dazugehörige
Einzelmaßnahmen auf Block- und Flurstücksebene, ein städtebauliches
Gesamtkonzept sowie ein Sanierungsrahmenplan abgeleitet.
Belegt die vorbereitende Untersuchung gemäß
§ 141 BauGB die Erforderlichkeit und die Durchführbarkeit einer städtebaulichen
Sanierungsmaßnahme, d. h. es werden städtebauliche Missstände i. S. d. § 136
Abs. 2 und 3 BauGB festgestellt, kann der Rat in einem nächsten Schritt die
Durchführung einer Sanierungsmaßnahme beschließen, sofern sich diese zudem als
durchführbar erweist und die Finanzierung gesichert ist.
Mit
dem Beschluss über die Einleitung einer vorbereitenden Untersuchung gehen gemäß
§ 141 Abs. 4 BauGB folgende rechtliche Bedingungen einher:
·
In Folge der Abgrenzung des Verdachtsgebietes besteht für die
Stadt Kamen die Verpflichtung, öffentliche Aufgabenträger sowie die Betroffenen
einer Sanierung an der vorbereitenden Untersuchung zu beteiligen. Die rechtlich
vorgeschriebenen Beteiligungsschritte im Rahmen der vorbereitenden Untersuchung
sind in § 137 BauGB (Beteiligung und Mitwirkung der Betroffenen) sowie in § 139
BauGB (Beteiligung und Mitwirkung öffentlicher Aufgabenträger) festgelegt.
Betroffene im sanierungsrechtlichen Kontext sind insbesondere Eigentümer/innen
und Mieter/innen sowie Pächter/innen von Grundstücken, die im Voruntersuchungsbereich
Grundstücke besitzen oder nutzen.
·
Gemäß §138 Abs. 1 BauGB sind Eigentümer/innen, Mieter/innen sowie
Pächter/innen der Stadt Kamen gegenüber verpflichtet, Auskunft über Tatsachen
zu erteilen, deren Kenntnis zur Beurteilung der Sanierungsbedürftigkeit eines
Gebiets sowie zur Vorbereitung oder Durchführung der Sanierung erforderlich
ist.
·
Gemäß § 141 Abs. 4 BauGB ist ab dem Zeitpunkt der ortsüblichen
Bekanntmachung des Beschlusses über den Beginn der vorbereitenden Untersuchung
der § 15 BauGB zur Zurückstellung von Baugesuchen auf die Durchführung eines
Vorhabens im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB und auf die Beseitigung einer
baulichen Anlage entsprechend anzuwenden.
Die
vorbereitende Untersuchung soll durch ein externes Planungsbüro durchgeführt werden.
Die anfallenden Kosten sind gemäß Städtebauförderrichtlinie Nordrhein-Westfalen
2023 förderfähig.
Anlage 2 VU-Gebiet:
Flurstücksliste