Seit dem
1.1.2019 sind Bauvorhaben nach der im Jahr 2018 novellierten Bauordnung für das
Land Nordrhein-Westfalen (kurz: Landesbauordnung 2018, LBO 2018 bzw. BauO NRW
2018) zu beurteilen und zu genehmigen. Hierbei handelt es sich um die erste
anzuwendende grundlegende Neufassung der bis dahin geltenden Landesbauordnung
2000.
Bereits am
15.12.2016 fasste der Landtag einen Beschluss zur Novelle der Bauordnung von 2000
(BauO NRW 2016). Ein Teil der Novelle (Bauarten und Bauprodukte) trat zum
28.7.2016 in Kraft, die überwiegende Zahl der Vorschriften sollte jedoch erst
ein Jahr später, im Dezember 2017, in Kraft treten. Nach der Landtagswahl im
Mai 2017 hat die Landesregierung jedoch im Juni 2017 mit einem Moratorium das
Inkrafttreten zum Dezember 2017 um ein Jahr verschoben.
Die nochmals
überarbeitete BauO NRW wurde vom Landtag am 12.7.2018 beschlossen (BauO NRW
2018); Inkrafttreten zum 1.1.2019 - ohne Übergangsfrist. Ab Oktober 2018
erfolgten Dienstbesprechungen für die Bauaufsichtsbehörden mit Vertretern des
Ministeriums auf Ebene der Bezirksregierungen.
Eine Reihe
von untergesetzlichen Regelungen (z.B. Verwaltungsvorschrift oder
Rechtsverordnung zu notwendigen Stellplätzen) liegen bislang nicht vor. Im
Januar hat das zuständige Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und
Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen (MHKBG NRW) „Handlungsempfehlung
auf der Grundlage der Dienstbesprechungen mit den Bauaufsichtsbehörden im
Oktober/November 2018“ vorgelegt, die u.a. bei der Auslegung einiger unklaren
Regelungen unterstützen sollen. Eine Überarbeitung der BauO NRW 2018 wird für
dieses Jahr erwartet.
Die
Zielsetzungen der Erneuerung des Bauordnungsrechtes in NRW im Vergleich zur
BauO NRW 2000 waren:
-
Vereinfachung
des Bauordnungsrechtes
-
Reduzierung
von Baukosten
-
Beschleunigung
der Verfahren
-
Förderung
des Wohnungsbaus
-
Harmonisierung
des Bauordnungsrechtes der Länder durch stärkere Orientierung an der
Musterbauordnung (MBO)
Wesentliche Änderungen in der BauO NRW 2018 beziehen sich auf:
1. Gebäudeklassen
2. Abstandsflächen
3. Notwendige Stellplätze
4. Barrierefreiheit
5. Neudefinition der Vollgeschossigkeit
6. Erweiterung des Katalogs der
Genehmigungsfreien Vorhaben
7. Bauordnungsrechtliche Verfahren
Aufgrund der
Vielzahl der geänderten Regelungen werden in dieser Vorlage nur die
wesentlichen Änderungen mit kurzen Erläuterungen aufgeführt. Umfangreiche
weitergehende Informationen sind im Internet abrufbar. Zu empfehlen ist hier
das aktuelle Angebot der Architektenkammer NRW. Hier sind alle wesentlichen
Dokumente zur BauO NRW 2018 aufgeführt, wie z.B. Gesetzestext, Synopse BauO NRW
2000/2018 mit Begründung, Handlungsempfehlung des MHKBG NRW oder weitergehende
Verordnungen. Link: https://www.aknw.de/mitglieder/recht-und-gesetze/landesbauordnung/
zu 1. Gebäudeklassen:
Nach § 2 (3) BauO NRW 2018 werden Gebäude zukünftig in fünf
Gebäudeklassen eingeteilt, in Anlehnung an die Einteilung der Gebäudeklassen
aus der MBO.
Gebäudeklasse 1
-
freistehende
Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von
insgesamt nicht mehr als 400 m² und
-
freistehende
land- oder forstwirtschaftlich genutzte Gebäude und Gebäude vergleichbarer
Nutzung
Gebäudeklasse 2
-
Gebäude
mit einer Höhe bis zu 7 m und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von
insgesamt nicht mehr als 400 m²
Gebäudeklasse 3
-
sonstige
Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m
Gebäudeklasse 4
-
Gebäude
mit einer Höhe bis zu 13 m und Nutzungseinheiten mit jeweils nicht mehr als
400 m²
Gebäudeklasse 5
-
sonstige
Gebäude einschließlich unterirdischer Gebäude
Ergänzend dazu werden Hochhäuser mit einer Höhe von > 22m weiterhin
als Sonderbau definiert § 50 (2) Nr. 1.
zu 2. Abstandsflächen:
Das
Abstandsflächenrecht orientiert sich mit dem neu gefassten § 6 ebenfalls näher
an der MBO. Grundsätzlich verbleibt es bei einem Mindestabstand von 3 m. Die
Faktoren zur Berechnung der Abstandsflächen wurden jedoch reduziert, so dass es
bei hohen Gebäuden zu einer deutlichen Verminderung der Breite von
Abstandsflächen im Vergleich zu den Abstandflächen nach BauO NRW 2000 kommen
kann.
Weitere Änderungen
betreffen die Berechnung von Abstandsflächen für untergeordnete Bauteile oder
nachträglich angebaute Außenwandaufzüge an Gebäuden mit Wohnungen.
zu 3. notwendige Stellplätze
In § 2 (8) wird nun
definiert: Stellplätze sind Flächen, die dem Abstellen von Kfz und Fahrrädern außerhalb der
öffentlichen Verkehrsflächen dienen. Nach der BauO NRW 2000 waren bei
Bauvorhaben Stellplätze und Garagen in ausreichender Anzahl und Größe zu berücksichtigen.
Als Orientierung galt die formal aufgehobene Anlage zur Verwaltungsvorschrift
„Richtzahlen für den Stellplatzbedarf“. Gem. § 48 (2) BauO NRW 2018 wird nun
der Mindestbedarf für Stellplätze (Kfz und Fahrräder) bei Bauvorhaben durch
eine Rechtsverordnung des zuständigen Ministeriums (MHKBG NRW) vorgegeben.
Diese Rechtverordnung liegt aber bislang noch nicht vor.
Neu ist eine
Satzungsermächtigung für die Gemeinden, die es den Kommunen nun ermöglicht,
alternativ zur Rechtsverordnung durch eine Stellplatzsatzung oder durch
Festsetzungen in Bebauungsplänen angepasste Reglungen über Zahl und
Beschaffenheit der notwendigen Stellplätze bei Bauvorhaben zu treffen.
Weiterhin kann die
Kommune die Ablösung von Stellplätzen durch eine Ablösesatzung regeln. Dabei
ist jedoch zu beachten, dass bereits vorhandene Ablösesatzungen lt. Aussage des
Ministeriums (MHKBG) vom 23.11.2018 nach § 48 Abs. 3, Satz 2, Nr. 8 BauO NRW
2018 angepasst werden müssen. Die Verwaltung bereitet eine angepasste
Ablösesatzung auf Grundlage einer vom Städte- und Gemeindetag entwickelten
Musterablösesatzung vor.
zu 4. Barrierefreiheit
In der Begründung zur BauO NRW 2018 wird bezüglich der Barrierefreiheit
ausgeführt:
„Die Zielsetzung des
neugefassten § 49 Absatz 1 ist, den Wohnungsneubau dahingehend zu verändern,
dass zumindest wesentliche Barrieren vermieden werden. Insbesondere sollten
solche Barrieren nicht mehr eingebaut werden, die das selbständige Wohnen im
starken Maße behindern und nachträglich nur mit großem Aufwand (auch eigentümerseitig)
beseitigt werden können.“
In § 2 (10) wird definiert: Barrierefrei sind bauliche Anlagen, soweit
sie für alle Menschen, insbesondere für solche mit Behinderungen, in der
allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne
fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Weiter konkretisiert wird
das in § 49 Barrierefreies Bauen:
-
In
Gebäuden der Gebäudeklassen 3 bis 5 mit Wohnungen müssen die Wohnungen
barrierefrei und eingeschränkt mit
dem Rollstuhl nutzbar sein.
-
Bauliche
Anlagen, die öffentlich zugänglich sind, müssen im erforderlichen Umfang barrierefrei sein. Öffentlich zugänglich
sind bauliche Anlagen, wenn und soweit sie nach ihrem Zweck im Zeitraum ihrer
Nutzung von im Vorhinein nicht bestimmbaren Personen aufgesucht werden können.
Weitergehende Regelungen
finden sich u.a. in
§
39 Aufzüge, Abs. 4
„Gebäude mit mehr als drei
oberirdischen Geschossen müssen Aufzüge in ausreichender Zahl haben. Ein
Aufzug muss von der öffentlichen Verkehrsfläche und von allen Wohnungen in dem
Gebäude aus barrierefrei erreichbar sein. Von diesen Aufzügen muss in Gebäuden
mit mehr als fünf oberirdischen Geschossen mindestens ein Aufzug Krankentragen,
Rollstühle und Lasten aufnehmen können und Haltestellen in allen Geschossen
haben.“
§ 47 Wohnungen, Abs. 4
„In Gebäuden der
Gebäudeklassen 3 bis 5 mit Wohnungen sind
leicht und barrierefrei erreichbare Abstellflächen für Kinderwagen und
Mobilitätshilfen sowie für jede Wohnung eine ausreichend große Abstellfläche
herzustellen.“
und
§
72 Beteiligung der Angrenzer und der Öffentlichkeit, Abs. 7
„Bei der Errichtung, Änderung
oder Nutzungsänderung einer im Eigentum der öffentlichen Hand stehenden Anlage
[…] ist von Seiten der zuständigen Bauaufsichtsbehörde der oder dem zuständigen
Behindertenbeauftragten oder der örtlichen Interessenvertretung der Menschen
mit Behinderungen Gelegenheit zur Stellungnahme zu Aspekten der
Barrierefreiheit zu geben.“
zu 5. Neudefinition der Vollgeschossigkeit
Nach § 2 (6) der
BauO NRW 2018 ist ein Geschoss nur dann ein Vollgeschoss, wenn es als
oberirdisches Geschoss mit einer lichten Höhe von mindestens 2,30 m mehr als ¾
der Grundfläche des darunterliegenden Geschosses hat. Sonderregelungen der BauO
NRW 2000 zu Staffelgeschossen (allseitig zurückgesetztes Geschoss) entfallen.
Durch Streichung
des Wortes „oberstes“ im Gesetzestext kann es sein, dass mehrere gestapelte
Geschosse keine Vollgeschosse mehr sind, sofern diese jeweils unter der
¾-Grenze liegen, bezogen auf das jeweils darunter liegende Geschoss. Nach den
Handlungsempfehlungen des MHKBG NRW ist für die Prüfung, ob ein Geschoss ein
Vollgeschoss ist, in Bebauungsplangebieten diejenige Landesbauordnung zugrunde
zu legen, die zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses bzw. der Bekanntmachung des
Bebauungsplans gültig war.
zu 6. Erweiterung des Katalogs der
Genehmigungsfreien Vorhaben
Der bisherige
Katalog der genehmigungsfreien Vorhaben in §§ 65 und 66 BauO 2000 wurde
zusammengefasst, überarbeitet und teilweise erweitert. Genehmigungsfrei gem. §
62 BauO 2018 sind nunmehr z. B.:
-
Gebäude
ohne Aufenthaltsräume und Toiletten bis zu 75 m³, bisher 30 m³ (gilt nicht im
Außenbereich)
-
Balkonverglasungen
sowie Balkonüberdachungen bis 30 m² bei Gebäude der Klassen 1-3, mindestens 3 m
Abstand zur Nachbargrenze
-
Terrassenüberdachungen
mit einer Fläche bis zu 30 m² und einer Tiefe bis zu 4,50 m (Gebäudeklassen
1-3), mindestens 3 m Abstand zur Nachbargrenze
-
Garagen,
Carports bis 30 m2 und 3,0 m Wandhöhe (gilt nicht im Außenbereich)
-
Wintergärten
(unbeheizt) bis 30 m²
-
Freischankflächen
bis 40 m²
-
Maßnahmen
zur Wärmedämmung (Ausnahme bei Hochhäusern)
-
Einfriedungen
(Zäune, Mauern u.ä.) bis zu 2,0 m Höhe (auch an öffentlichen Verkehrsflächen)
-
Werbeanlagen,
die vorübergehend max. bis zu 2 Monate angebracht werden
-
eine
zeitlich begrenzte Änderung der Nutzung von Räumen zu Übernachtungszwecken im
Rahmen von erzieherischen, kulturellen, künstlerischen, politischen oder
sportlichen Veranstaltungen
-
Abriss
von nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen, aber auch von freistehenden Gebäuden
der Gebäudeklassen 1 bis 3. Die Beseitigung aller anderen baulichen Anlagen ist
mindestens 1 Monat zuvor anzuzeigen. Bei nicht freistehenden Gebäuden muss der
Bauherr einen qualifizierten Tragwerksplaner beauftragen. Bautechnische Nachweise
sind nicht vorzulegen, eine Prüfpflicht für die Bauaufsichtsbehörde besteht
nicht mehr und wird dann nicht mehr wahrgenommen.
Zu beachten bei den
Maßnahmen n. § 62 ist, dass die Genehmigungsfreiheit nach BauO NRW 2018 den
Bauherrn nicht von der Verpflichtung der Einhaltung der Anforderungen, die
durch die materiellen öffentlich-rechtlichen Vorschriften an Anlagen gestellt
werden, entbindet.
In den
Handlungsempfehlungen des MHKBG NRW gibt es umfangreiche Ausführungen und
Interpretationshinwiese zu den Regelungen des § 62. So wird hier u.a.
konkretisiert: „§ 62 Absatz 1 Nummer 1 b)
BauO NRW 2018 beschränkt nicht die Anzahl der Garagen, die genehmigungsfrei auf
einem Grundstück errichtet werden dürfen, allerdings darf die
Brutto-Grundfläche aller Garagen und überdachter Stellplätze, die
genehmigungsfrei errichtet werden sollen, 30 m² nicht überschreiten. Es handelt
sich insoweit um eine maximale Flächenbegrenzung, d. h., die Flächen von
Garagen und überdachten Stellplätzen auf dem Grundstück werden zusammengezählt.“
zu 7. Bauordnungsrechtliche Verfahren
Mit der
Novellierung der BauO NRW 2018 wurden auch eine Reihe verfahrensrechtlicher
Reglungen übernommen bzw. geändert oder neu geschaffen. Hier nur die
wichtigsten Regelungen:
Geblieben ist das
Genehmigungsfreistellungsverfahren (§ 63) für Gebäude der Gebäudeklassen 1- 3,
sofern diese u.a. im Geltungsbereich eines rechtskräftigen Bebauungsplans
liegen und keiner Ausnahme oder Befreiung von den Festsetzungen bedürfen.
Neu ist die
Möglichkeit einer referenziellen Baugenehmigung (§ 66). Hier kann im
Geltungsbereich eines Bebauungsplanes eine Genehmigung für ein Referenzgebäude
auf weitere Gebäude in derselben Ausführung übertragen werden.
Die Gültigkeit
eines Vorbescheides wurde auf 3 Jahre verlängert und ist somit an die
Gültigkeit einer Baugenehmigung angepasst worden.
Eingeführt wurde
eine Rücknahmefiktion. Wird der Bauherr durch die Bauaufsichtsbehörde
aufgefordert, in angemessener Frist unvollständige oder mangelbehaftete
Unterlagen nachzubessern, hält er aber diese Frist nicht ein, so gilt der
Bauantrag als zurückgenommen. Ein solches fruchtloses Verstreichen der Frist
führt zur gesetzlichen Rücknahmefiktion mit Kostenfolge (Gebühr) für den
Bauherren. Sollte der Bauherr das Vorhaben weiter verfolgen wollen, so wäre der
Antrag dann vollständig neu einzureichen.