Betreff
Novellierung der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesbauordnung – BauO NRW)
hier: Information über wesentliche Änderungen der Landesbauordnung
Vorlage
034/2017
Art
Mitteilungsvorlage

Beratungsstand:

Am 14.12.2016 hat der Landtag Nordrhein-Westfalen die Neufassung der Landesbauordnung – BauO NRW beschlossen.

Am 28.12.2016 wurde die Neufassung der Landesbauordnung verkündet (Gesetz- und Verordnungsblatt NRW, Ausgabe 2016 Nr. 4, S. 1161-1194)

Die §§ 3, 17 bis 25, § 86 Abs. 11 und § 87 treten sechs Monate nach der Verkündung in Kraft. Gleichzeitig treten die §§ 3 und 20 bis 28 der Landesbauordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 01.03.2000 außer Kraft.

Alle weiteren Teile des Gesetzes treten zwölf Monate nach seiner Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt die komplette  Landesbauordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 01.03.2000 außer Kraft. Ausnahme ist der § 51 (Stellplätze und Garage, Abstellplätze für Fahrräder) dieser tritt erst am 01.01.2019 außer Kraft.

 

Wesentliche Änderungen:

Baugenehmigungsverfahren:

Das Genehmigungsfreistellungsverfahren (bisher § 67) entfällt.

Ein vollständiges Genehmigungsverfahren mit Prüfung aller öffentlich-rechtlicher

Vorschriften gibt es auch zukünftig nur für Große Sonderbauten nach § 53 Abs. 3

(§ 66). Des Prüfprogramm für alle anderen baulichen Anlagen (bisher § 68 Abs. 1

S. 4, nunmehr § 67 Abs. 1) ist materiell unverändert.

 

Das sogenannte Freistellungsverfahren ließ ein genehmigungsfreies Errichten von Wohngebäuden geringer und mittlerer Höhe im Geltungsbereich eines Bebauungsplans zu. Vorausgesetzt das Vorhaben entsprach den Festsetzungen des Bebauungsplans und die zu informierende Gemeinde verlangte nicht die Durchführung eines Baugenehmigungsverfahrens. Mit der Neufassung der Bauordnung wird das Freistellungsverfahren wieder abgeschafft.

 

 

Aufbewahrungspflicht von Unterlagen:

 

Neu ist die Aufbewahrungspflicht für Baugenehmigungen und Bauantragsunterlagen durch den Bauherrn und durch die Bauaufsichtsbehörde (§ 77 Abs. 4)

 

„Die Bauherrin oder der Bauherr und die späteren Eigentümerinnen und Eigentümer

haben die Baugenehmigung einschließlich der Bauvorlagen sowie bautechnische Nachweise

und Bescheinigungen von Sachverständigen aufzubewahren. Diese Unterlagen sind an

etwaige Rechtsnachfolger weiterzugeben. Die Bauaufsichtsbehörde hat die Bauvorlagen einer baulichen Anlage so lange aufzubewahren, wie diese besteht. Bei Archivierung in elektronischer Form muss gewährleistet sein, dass die Unterlagen nicht nachträglich verändert werden können.“

 

 

Barrierefreiheit:

Im neuen § 48, der die Regelungen für Wohnungen enthält, wird der Abs. 2, der die Barrierefreiheit der Wohnungen betrifft, dahingehend geändert, dass zukünftig zwischen barrierefreien und uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbaren Wohnungen unterschieden wird. Damit soll, auch im Interesse von Bauherren und Investoren, dem unterschiedlichen Bedarf an entsprechendem Wohnraum Rechnung getragen werden.

Mit der Einführung einer Quote für rollstuhlgerechte Wohnungen, die ab der neunten Wohnung gelten wird, ist ein ausgewogener Kompromiss gefunden worden. Einerseits werden die Bedürfnisse und Ansprüche von Menschen mit Behinderungen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, berücksichtigt. Damit wird nicht nur die Teilhabe gestärkt, sondern auch dem demographischen Wandel entsprochen. Andererseits ist durch eine Quotierung erst ab acht Wohneinheiten eine praktikable Lösung gefunden worden, die auch wirtschaftlich darstellbar ist. Auch hier sind flexible Lösungen möglich. Damit wird zugleich dem Geist der UN-Behindertenrechtskonvention entsprochen, die qualitative Vorgaben für die gesellschaftliche Teilhabe und Inklusion behinderter Menschen auch für das Wohnen macht.
In den nächsten Jahren soll eine valide Datengrundlage zu Angebot und Bedarf barrierefreier und rollstuhlgerechter Wohnungen geschaffen werden, um bei einer zukünftigen Evaluation der Bauordnung diese entsprechend modifizieren zu können. Die Landesregierung hat hierzu eine Arbeitsgruppe zur Förderung von Barrierefreiheit im Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr initiiert.

In Gebäuden mit mehr als zwei Wohnungen müssen die Wohnungen eines Geschosses barrierefrei, aber nicht uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbar sein. In Gebäuden, die gemäß § 37 Absatz 7 Satz 1 Aufzüge haben müssen, müssen alle Wohnungen barrierefrei, aber nicht uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbar sein. Von den Wohnungen nach Satz 1 und 2 müssen in Gebäuden mit mehr als acht Wohnungen eine, in Gebäuden mit mehr als 15 Wohnungen zwei uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbar sein. Die Verpflichtung nach Satz 1 kann auch durch entsprechende Wohnungen in mehreren Geschossen erfüllt werden. Abweichungen von den Sätzen 1 bis 3 können bei der Änderung oder Nutzungsänderung von Gebäuden zugelassen werden, soweit die Anforderungen nur

mit unverhältnismäßigem Mehraufwand erfüllt werden können.

 

Aufzüge müssen barrierefrei sein. Vor den Aufzügen muss eine ausreichende Bewegungsfläche vorhanden sein. Gebäude mit mehr als drei oberirdischen Geschossen (in der bisherigen Fassung: „mit mehr als fünf oberirdischen Geschossen“) müssen Aufzüge in ausreichender Zahl haben. Von diesen Aufzügen muss in Gebäuden mit mehr als fünf oberirdischen Geschossen mindestens ein Aufzug Krankentragen und Lasten aufnehmen können und Haltestellen in allen Geschossen haben. Dieser Aufzug muss von der öffentlichen Verkehrsfläche und von allen Nutzungseinheiten in dem Gebäude aus barrierefrei erreichbar sein.

 

Bauliche Anlagen, die öffentlich zugänglich sind, und bauliche Anlagen für alte Menschen, Personen mit Kleinkindern und für Menschen mit Behinderungen müssen im erforderlichen Umfang barrierefrei sein. Öffentlich zugänglich sind bauliche Anlagen, wenn und soweit sie nach ihrem Zweck im Zeitraum ihrer Nutzung von im Vorhinein nicht bestimmbaren Personen aufgesucht werden können. Wohngebäude sind nicht öffentlich zugänglich.

 

 

Brandschutz – Bauen mit Holz:

Die Vorschriften zum Brandschutz werden insgesamt neu geordnet und inhaltlich überarbeitet, da durch die Aufnahme der Gebäudeklassen 1 bis 5 aus der Musterbauordnung und der Einführung der neuen Stufe „hochfeuerhemmend“ bei den Anforderungen an die Feuerwiderstandsfähigkeit differenziertere Regelungen erforderlich werden.

Für kleine Gebäude werden weitere Erleichterungen für die Feuerwiderstandsfähigkeit der Bauteile umgesetzt. Für Gebäude mit Nutzungseinheiten, die deutlich kleiner sind als Brandabschnitte, die gegeneinander mit Brandschutzqualität abgetrennt sind und die über ein eigenes Rettungswegsystem verfügen sind geringere Brandschutzanforderungen vertretbar. Denn sie stellen für die Brandausbreitung und die Brandbekämpfung durch die Feuerwehr ein geringeres Risiko dar als Gebäude mit ausgedehnten Nutzungseinheiten. Dies gilt beispielsweise für  Wohnungen, kleine Verwaltungseinheiten, Praxen und  kleine Läden. Für Gebäude mit Zellenbauweise in der Gebäudeklasse 4 wird die konstruktive Holzverwendung für Gebäude mit bis zu fünf Geschossen eröffnet, womit die Rahmenbedingungen für die mehrgeschossige Bauweise mit Holz deutlich verbessert werden.

 

 

Stellplätze und Fahrradabstellplätze:

 

Die gesetzliche Stellplatzverpflichtung (§ 51 alter Fassung) entfällt. Eine Stellplatzverpflichtung und eine Stellplatzablösung ist zukünftig durch gemeindliche Satzung zu regeln (§ 50 Abs. 1).

Die derzeit geltende Stellplatzregelung in § 51 BauO bleibt bis zum 01.01.2019 in Kraft. Die Kommunen gewinnen damit ein weiteres Jahr, um Stellplatzkonzepte aufzustellen und eine entsprechende Satzung zu verabschieden. Allerdings tritt § 50 der neuen BauO bereits ein Jahr vorher in Kraft. Dies ermöglicht es den Kommunen, zügig Satzungsregelungen zu treffen. Denn die Bauaufsichtsbehörden sollen nur dort nach der bisherigen Stellplatzregelung vorgehen, wo keine Satzung vorliegt. Sollte eine Gemeinde für ein bestimmtes Gebiet bewusst keine Regelung treffen, bedeutet das allerdings, dass dies erst nach dem 01.01.2019 durch schlichtes Unterlassen möglich ist.

Durch die Möglichkeit zum Erlass von Stellplatzsatzungen wird es den Kommunen zukünftig je nach kommunaler Besonderheit ins Ermessen gestellt, die Anzahl und Ausgestaltung von Stellplätzen durch Satzungen zu regeln. Dadurch erhalten sie ein Mehr an kommunaler Selbstverwaltung und eine sinnvolle Flexibilisierung für maßgeschneiderte Lösungen vor Ort.

 

Derzeit wird vom Städte- und Gemeindebund eine juristisch belastbare Mustersatzung als Vorlage für kommunale Stellplatzsatzungen erarbeitet. Die Arbeitsgemeinschaft fahrrad- und fußgängerfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in NRW e.V. (AGFS) ist hier beratend tätig, so dass die Stadt Kamen über die Arbeit in der AGFS in den Prozess mit eingebunden ist. Nach Vorlage der Mustersatzung wird die Verwaltung auf dieser Grundlage einen Satzungsentwurf für die Stadt Kamen erstellen und in die zuständigen parlamentarischen Gremien zur Beratung und Beschlussfassung einbringen.

 

 

Weitere Änderungen:

 

  • Bauprodukte (Grundlegend überarbeitet wurden die Vorschriften über Bauarten und Bauprodukte - bisher §§ 20-28, zukünftig §§ 17-25 -. Die Überarbeitung war zur Anpassung an europäisches Recht erforderlich.)
  • Neuordnung haustechnischer Anlagen
  • Vereinfachung des Vollgeschossbegriffs
  • Abstandflächen (Regelungsvereinfachung)
  • Spielflächen für Kleinkinder (Vereinfachung der Anforderung)

 

  • Fliegende Bauten (Umsetzung aller länderübergreifend vereinbarten Freistellungen vom Ausführungsgenehmigungsverfahren im Landesrecht)

 

  • Bauüberwachung, Bauzustandsbesichtigung (Abgrenzung zur Verantwortung der staatlich anerkannten Sachverständigen)
  • Baulasten (Vereinfachung der Abgabe von Baulasterklärungen)

Weiterführende Links:

Den Text der verkündeten Fassung der novellierten Bauordnung finden Sie hier:

https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_vbl_detail_text?anw_nr=6&vd_id=16079&ver=8&val=16079&sg=0&menu=1&vd_back=N

Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen (AKNW) hat eine Synopse auf ihrer Website veröffentlicht, die den Vergleich der bisherigen mit den zukünftigen Vorschriften ermöglicht. Die Synopse der AKNW finden Sie unter folgendem Link:

 http://www.aknw.de/fileadmin/user_upload/Gesetze/Synopse_BauO_NRW_2016-161215.pdf