Betreff
Bauleitplanung der Stadt Werl für das Factory-Outlet-Center (kurz: FOC)
hier: Stellungnahme der Stadt Kamen
Vorlage
146/2014
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Planungs- und Straßenverkehrsausschuss beschließt die in Sachverhalt und Begründung dargestellte und erläuterte Stellungnahme zur 85. Änderung des Flächennutzungsplanes sowie zum Bebauungsplan Nr. 117 der Stadt Werl. Die Verwaltung wird beauftragt, die Stellungnahme der Stadt Werl zuzuleiten.


Sachverhalt und Begründung (einschl. finanzielle Möglichkeit der Verwirklichung):

 

Im Rahmen der Beteiligung benachbarter / betroffener Gemeinden gem. § 2 (2) Baugesetzbuch (BauGB) hat die Stadt Kamen die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme zur 85. Ände­rung des Flächennutzungsplanes sowie zum Bebauungsplan Nr. 117 „Am Hellweg“ der Stadt Werl. Mit Schreiben vom 18.09.2014 hat die Stadt Werl über die Beschlüsse zur Einleitung der entsprechenden Verfahren informiert und fordert zur Abgabe einer Stellungnahme auf.

 

Die Verwaltung schlägt vor, die nachfolgenden Ausführungen  als Stellungnahme zu beschlie­ßen. Die Inhalte sind im Wesentlichen Ergebnis einer im Arbeitskreis des „Regionalen Einzel­handelskonzeptes östliches Ruhrgebiet und angrenzende Bereiche“ (REHK) gemeinsam abge­stimmten sachlichen Vorgehensweise. Alle Arbeitskreismitglieder werden in ähnlicher Weise argumentieren und eine entsprechende Stellungnahme abgeben.

 

Stellungnahme der Stadt Kamen:

 

Gegenstand dieser Bauleitplanverfahren ist die Absicht der Stadt Werl zur Ansiedlung eines Herstellerdirektverkaufszentrums (Factory-Outlet-Center, kurz FOC) mit einer max. Verkaufs­fläche von 13.800 m² südlich der Bundesstraße 1, nahe der A 445, Anschlussstelle Werl-Zent­rum, Büderich.

 

Da der Vorhabenstandort zurzeit im planungsrechtlichen Außenbereich liegt, setzt die Realisie­rung des großflächigen Einzelhandelsvorhabens zuvor eine entsprechende bauleitplanerische Flächenausweisung voraus. Zu diesem Zweck beabsichtigt die Stadt Werl auf der Ebene des Flächennutzungsplans die bisherige Darstellung einer Fläche für die Landwirtschaft in die Dar­stellung eines sonstigen Sondergebietes „Großflächiger Einzelhandel – Herstellerdirektverkaufs­zentrum“ mit max. Verkaufsfläche von 13.800 m² zu ändern. Auf der Ebene der verbindlichen Bauleitplanung soll ein sonstiges Sondergebiet mit entsprechender Zweckbestimmung festge­setzt werden. Die vorgesehenen Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung sollen das FOC mit einem Sortimentsschwerpunkt im Bereich „Bekleidung, Sportbekleidung (9.600 m²)“ und im Bereich „Schuh- und Lederwaren (1.800 m²)“ ermöglichen. Auf die sonstigen zulässigen Sorti­mente entfallen max. 2.400 m² Verkaufsfläche.

 

Neben den planungsrechtlichen und städtebaulichen Aspekten hat das Projekt auch eine be­sondere Brisanz, da die Stadt Werl Mitunterzeichner der interkommunalen Vereinbarung ist, die die Grundlage des „Regionalen Einzelhandelskonzeptes östliches Ruhrgebiet und angrenzende Bereiche“ (REHK) mit den dort kooperativ entwickelten und vereinbarten Prüf- und Bewertungs­kriterien für Einzelhandelsgroßprojekte mit überlokaler Ausstrahlung bildet. Die Stadt Kamen ist ebenfalls Mitglied im Arbeitskreis des REHK. Der Haupt- und Finanzausschuss hat zuletzt in seiner Sitzung am 12.11.2013 einstimmig die 2. Fortschreibung des REHK beschlossen und die Verwaltung beauftragt, auf der Grundlage weiter im Arbeitskreis des REHK mitzuarbeiten (Vor­beratung im Planungs- und Umweltausschuss am 07.10.2013 Beschluss einstimmig bei einer Enthaltung).

 

Die Stadt Kamen hat sich zudem im November 2011 der von der Stadt Hamm initiierten „Ge­meinsamen Erklärung zum FOC Werl der Städte und Gemeinden Arnsberg, Ahlen, Bergkamen, Bönen, Dortmund, Hagen, Hamm, Kamen, Iserlohn, Lippstadt, Lünen, Menden, Meschede, Paderborn, Schwerte, Soest, Sundern, Unna, Warstein, Werne“ angeschlossen und diese mit unterzeichnet. Zentraler Inhalt der gemeinsamen Erklärung der genannten Städte und Gemein­den ist eine strikte Ablehnung, „die Innenstädte und das funktionierende Geflecht der Groß-, Mittel- und Kleinstädte in der Region durch unbedachte und räumlich fehlgerichtete Ansied­lungsvorhaben zu gefährden oder sogar scheitern zu lassen“.

 

Die Planungsabsichten der Stadt Werl für das FOC sind planungsrechtlich folgendermaßen zu bewerten:

Raumordnung

Gemäß § 1 Abs. 4 BauGB ist die Bauleitplanung der Gemeinden den Zielen der Raumordnung anzupassen. Diese Anpassungspflicht löst für die planenden Gemeinden eine strikte Bindungs­wirkung aus. Sie ist durch die Gemeinden auch nicht im Wege planerischer Abwägungsent­scheidung überwindbar. Ziele der Raumordnung enthalten in NRW insbesondere der Landes­entwicklungsplan und die Regionalpläne. Hier steht der Bauleitplanung der Stadt Werl der sach­liche Teilplan „großflächiger Einzelhandel“ zum LEP NRW (siehe auch: http://www.nrw.de/landesregierung/landesplanung/lep-sachlicher-teilplan-grossflaechiger-einzel­handel.html) ebenso wie der aktuelle Regionalplan für den Regierungsbezirk Arnsberg (siehe auch: http://www.bezreg-arnsberg.nrw.de/themen/r/regionalplan/do_west/index.php ) entgegen.

 

Landesplanung

Nach Ziel 1 des sachlichen Teilplans „großflächiger Einzelhandel“ dürfen Kerngebiete und Son­dergebiete für Vorhaben im Sinne des § 11 Abs. 3 Baunutzungsverordnung (BauNVO) nur in regionalplanerisch festgelegten allgemeinen Siedlungsbereichen dargestellt und festgesetzt werden. Nach Ziel 2 dürfen derartige Kern- und Sondergebiete mit zentrenrelevanten Sortimen­ten nur in bestehenden zentralen Versorgungsbereichen sowie in neu geplanten zentralen Ver­sorgungsbereichen dargestellt und festgesetzt werden. Als zentrenrelevant gelten dabei die in der Anlage 1 zum sachlichen Teilplan aufgeführten Sortimente sowie weitere von der jeweiligen Gemeinde als zentrenrelevant festgelegte Sortimente. Ausnahmen von diesem Ziel 2 sieht der sachliche Teilplan nur für Sondergebiete für Einzelhandelsgroßvorhaben mit nahversorgungs­relevanten Sortimenten und in Ziel 5 für Sondergebiete für Einzelhandelsgroßvorhaben  mit nicht zentrenrelevanten Sortimenten vor. 

 

Mit diesen landesplanerischen Zielvorgaben ist die Bauleitplanung der Stadt Werl offensichtlich unvereinbar. Der Vorhabenstandort ist im Regionalplan als Freiraum dargestellt. Es handelt sich auch offensichtlich nicht um einen Standort innerhalb eines zentralen Versorgungsbereichs.

 

Dies hat die Stadt Werl auch selbst erkannt. Sie meint jedoch ausweislich der Entwürfe der Planbegründungen, sich über die raumordnerische Zielbindung hinwegsetzen zu können, weil sie der Auffassung ist, die regionalplanerische Festlegung des Freiraums sei ebenso wie Ziel 2 des sachlichen Teilplans offensichtlich rechtswidrig. Hinsichtlich des Ziels 2 meint die Stadt Werl sogar, die Verfassungswidrigkeit der Zielvorgabe feststellen zu können.

 

Es ist davon ausgehen, dass die Bezirksregierung Arnsberg (zuständig für die Regionalplanung) ebenso wie die Staatskanzlei NRW (zuständig für die Landesplanung bzw. den sachlichen Teilplan großflächiger Einzelhandel LEP NRW) diese Einschätzung der Stadt Werl selbstver­ständlich nicht teilt. Hinsichtlich der behaupteten Abwägungsfehlerhaftigkeit bezogen auf die Regionalplandarstellung fehlt es hierzu im Übrigen auch an der notwendigen Kenntnis zu den Grundlagen des Abwägungsvorgangs sowie des Abwägungsergebnisses.

 

Festzuhalten bleibt damit, dass die raumordnerischen Zielbestimmungen 1 und 2 des sachlichen Teilplans „großflächiger Einzelhandel“ zu LEP NRW der Bauleitplanung der Stadt Werl entge­genstehen.

 

Regionalplanung

Zur Regionalplanung wurde bereits darauf hingewiesen, dass die regionalplanerische Festle­gung des Plangebietes als Freiraum der Ausweisung eines Sondergebietes für großflächigen Einzelhandel offensichtlich entgegensteht.

 

Rechtliche Konsequenzen

Wegen der entgegenstehenden landesplanerischen und regionalplanerischen Ziele wird die Be­zirksregierung Arnsberg im Verfahren nach § 34 Landesplanungsgesetz die Vereinbarkeit der Bauleitplanung der Stadt Werl mit den geltenden Zielen der Raumordnung nicht feststellen kön­nen. Zudem wird die nach § 6 BauGB erforderliche Genehmigung der Flächennutzungsplanän­derung von der Bezirksregierung nicht erteilt werden können. Letztlich liegen hier natürlich auch die Voraussetzungen für eine raumordnerische Untersagung der Bauleitplanung der Stadt Werl nach § 14 Abs. 1 ROG durch die zuständige Raumordnungsbehörde vor.

 

Abwägungsgrundlagen

Die Stadt Werl ist seit seiner Entstehung Mitgliedsgemeinde des Regionalen Einzelhandelskon­zeptes Östliches Ruhrgebiet und angrenzende Bereiche. Ziel des regionalen Einzelhandelskon­zeptes ist ein abgestimmtes Vorgehen in der Region bei der Ansiedlung oder Erweiterung  groß­flächiger Einzelhandelsbetriebe mit regionaler Bedeutung. Alle Mitgliedsgemeinden gemeinsam streben die Stärkung der innerstädtischen Zentren sowie die Stärkung der Stadtteilzentren mit ihrer Grundversorgung an. Sie haben ein ergänzendes Versorgungsnetz von Sondergebieten lediglich mit nicht zentrenrelevanten Angeboten auch an ausgewählten Standorten außerhalb der Zentren anerkannt.

 

Mit dieser Zielsetzung hat auch die Stadt Werl die interkommunale Vereinbarung zum regiona­len Einzelhandelskonzept unterzeichnet.  In der interkommunalen Vereinbarung haben sich die Städte auch zu gegenseitiger und frühzeitiger Information über Einzelhandelsvorhaben mit überörtlicher Bedeutung verpflichtet. Dieser Verpflichtung ist die Stadt Werl bezogen auf das FOC-Projekt nur sehr zögerlich, auf Aufforderung und auch nicht umfänglich nachgekommen. Die Stadt Werl hat  sich weiter verpflichtet, großflächige Einzelhandelsvorhaben im Kreis be­troffener Kommunen nachbarlich mit dem Ziel zu erörtern, einen regionalen Konsens herzustel­len. Die Stadt Werl hat ihr Einverständnis erklärt, das REHK-Gutachten inhaltlich und verfah­rensmäßig zur Gesprächsgrundlage zu machen.

 

Die Stadt Werl nimmt einerseits in ihren Bauleitplanverfahren Bezug auf das regionale Einzel­handelskonzept. Richtigerweise wird im ersten Absatz als ein Ziel des REHK formuliert, „dass die Ansiedlung, Erweiterung oder Verlagerung großflächiger Einzelhandelsbetriebe nach ein­heitlichen Kriterien bewertet werden.“ Im nächsten Absatz wird dann allerdings andererseits ar­gumentiert, dass die von der Stadt in Auftrag gegebene Wirkungsanalyse „sehr viel genauer“ auf die Auswirkungen  eingeht, „als es die REHK-Kriterien vermögen“.  Damit wird ein zentraler An­satz des REHK, nämlich die gemeinsam verabredeten „Spielregeln“, unterlaufen. Diese Regeln zielen darauf ab, eine gemeinsame regionale Interessenlage zu definieren, diese sowohl nach innen als auch nach außen zu vertreten und diese Position ggf. auch gegenüber einzelgemeind­lichen Planungen, die nachbargemeindliche Interessen beeinträchtigen, deutlich zu artikulieren.

 

Der interkommunalen Vereinbarung kommt primär eine Bedeutung für die Steuerung der kom­munalen Abwägungsentscheidung zu. In formeller Hinsicht ist dies die Verpflichtung zu einer besonderen Ausgestaltung des interkommunalen Abstimmungsprozesses zwischen den Mitg­liedsgemeinden des regionalen Einzelhandelskonzeptes. In materiell-rechtlicher Hinsicht ist die Stadt Werl verpflichtet, das Ergebnis der nachbarlichen Erörterung mit besonderem Gewicht in der eigenen Abwägungsentscheidung zu berücksichtigen.

 

Die Stadt Werl verstößt in beiderlei Hinsicht gegen ihre Verpflichtungen als Mitgliedskommune des regionalen Einzelhandelskonzeptes, wenn sie sich schon in formeller Hinsicht dem Verfah­ren zur Herstellung eines regionalen Konsenses mit der Argumentation entziehen will, dass ein positives Ergebnis der nachbarlichen Erörterung nicht absehbar sei.

 

In einer Auswirkungsanalyse der Stadt Werl wird formuliert, dass die „Umsetzung der Vorgaben des REHK  auf der Basis einer auf Freiwilligkeit basierenden interkommunalen Vereinbarung zwischen den beteiligten Städten“ erfolge. Diese Freiwilligkeit bezieht sich nach Auffassung  der Beteiligten lediglich auf die Unterzeichnung der Vereinbarung und damit die Mitgliedschaft im REHK. Mit der Unterzeichnung der interkommunalen Vereinbarung hat die Stadt Werl aber, wie alle anderen Kommunen auch, explizit die Verpflichtung übernommen, die im regionalen Kon­sens getroffenen Vereinbarungen durch entsprechende planungsrechtliche Maßnahmen einzu­halten und umzusetzen. Dass diese Verpflichtung unter dem Vorbehalt der Unantastbarkeit der gemeindlichen Letztentscheidung über die kommunale Bauleitplanung im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB steht, bedarf dabei keiner besonderen Betonung.

 

Die Stadt Werl hat für das Vorhaben kein Regionales Konsensverfahren eingeleitet, wozu sie als Mitgliedskommune des REHK verpflichtet gewesen wäre. Eine Bewertung des Vorhabens auf der Basis der vereinbarten Prüfkriterien für regional bedeutsame Planvorhaben kommt zu fol­gendem Ergebnis:

 

Da das geplante FOC nahezu ausschließlich aus Einzelhandelsbetrieben mit zentrenrelevanten Sortimenten besteht, ist es als Planvorhaben mit zentrenrelevantem Sortimentsschwerpunkt zu betrachten. Die sortiments- und betriebsformenspezifischen Prüfkriterien des REHK für derartige Planvorhaben lauten:

  • Lage in einem zentralen Versorgungsbereich
  • Lage in einem Allgemeinen Siedlungsbereich (ASB)
  • Umsatz (sortimentsspezifisch) des Vorhabens übersteigt nicht die lokale Kaufkraft der pla­nenden Gemeinde (ggf. auch Teilbereich)

 

Da das Vorhaben an einem Standort realisiert werden soll, der weder in einem zentralen Ver­sorgungsbereich noch in einem Allgemeinen Siedlungsbereich liegt, würde das Vorhaben nach den Prüfkriterien des REHK keinen „Regionalen Konsens“ erhalten können.

 

Aus der Verweigerung der Einhaltung der Regeln des regionalen Einzelhandelskonzeptes folgt die Auffassung, die im Übrigen juristisch geprüft ist, die Abwägungsfehlerhaftigkeit der Planung in formeller wie materiell-rechtlicher Hinsicht.

 

Zusammenfassend hält die Stadt Kamen gemeinsam mit dem REHK das Projekt FOC Werl für nicht genehmigungsfähig, da die landesplanerischen Ziele des LEP, sachlicher Teilplan großflä­chiger Einzelhandel, dem entgegenstehen, ebenso wie die Ziele des Regionalplans. Das Projekt ist zudem nach den Kriterien des REHK nicht konsensfähig. Die Stadt Werl hat sich in ihrer Vor­gehensweise und in ihrer Argumentation gegen die interkommunal vereinbarten Regelungen gestellt.