Betreff
Neufassung der Vergnügungssteuersatzung der Stadt Kamen
Vorlage
091/2009
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Rat der Stadt Kamen beschließt die als Anlage beigefügte „Satzung über die Erhebung von Vergnügungssteuern in der Stadt Kamen (Vergnügungssteuersatzung)“.


Sachverhalt und Begründung (einschl. finanzielle Möglichkeit der Verwirklichung):

 

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig hat in Grundsatzentscheidungen vom 13.4.2005 (10 C 5.04, 10 C 8.04, 10 C 9.04) dargelegt, unter welchen Voraussetzungen die Spielautomatensteuer noch nach der Zahl der aufgestellten Geräte (Stückzahlen) bemessen werden darf. In den zitierten Urteilen wurde zunächst die bisherige Rechtsprechung bestätigt, dass der Charakter der Spielautomatensteuer eine zumindest lockere Beziehung zwischen dem Steuermaßstab und dem Spielaufwand der Benutzer erfordere. Diese Beziehung sei, wie das Gericht entschieden hat, nicht mehr gewahrt, wenn über einen längeren Zeitraum gemittelte Einspielergebnisse (Einnahmen abzüglich ausgekehrter Spielergewinn) einzelner Geldspielge­räte mehr als 50 % von den durchschnittlichen Einspielergebnissen der Automaten in einer Gemeinde abweichen. Sei dies der Fall, so könnten auch Praktikabilitätserwägungen den pau­schalen Stückzahlenmaßstab nicht mehr tragen. Die Gemeinden müssten dann einen anderen, auf die Einspielergebnisse der Spielgeräte bezogenen oder einen sonstigen wirklichkeits­nähe­ren, Maßstab wählen. Die Einhaltung der genannten Forderungen beziehe sich allerdings nur auf Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit, da nur sie seit 1997 über ausreichend manipula­tionssichere Zählwerke verfügen. Für die Besteuerung der übrigen Spielautomaten ohne Gewinnmöglichkeit könne es unverändert bei der bisherigen Steuerbemessung nach dem Stückzahlenmaßstab verbleiben.

 

Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes hat sich inzwischen weiter gefestigt. Nach den neuesten Entscheidungen wird der Stückzahlenmaßstab bei der Besteuerung von Geldspielgeräten überhaupt nicht mehr anerkannt.

 

Nach den Entscheidungen des BVerwG im Jahr 2005 und später ergingen zahlreiche Urteile der nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichte mit unterschiedlichen Entscheidungen zur Aus­legung verschiedener Rechtsfragen (z. B. Ermessen des Satzungsgebers, Regelungen zur Fälligkeit, prozentuale Bemessung der Steuer, Definition des Einspielergebnisses, erdrosselnde Wirkung, Behandlung von Negativergebnissen, Übergangsregelungen).

 

Aufgrund der zahlreichen gerichtlichen Entscheidungen erstellte der Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen seit dem Jahr 2005 insgesamt sechs Mustersatzungen, in denen er die Mustersatzung jeweils an die neueste Rechtsprechung anpasste. Die letzte Mustersatzung datiert aus dem Juli 2009.

 

In mündlichen Verhandlungen vor dem VG Gelsenkirchen wurde jetzt dargelegt, dass die Fällig­keitsregelung der Vergnügungssteuersatzung der Stadt Kamen, die auf Festlegungen der Mustersatzung basiert, in einigen Punkten gegen Bestimmungen der Abgabenordnung verstoße. Darüber hinaus wurde die in Kamen praktizierte Steuererhebung - Selbsterrechnung und Steueranmeldung ohne Steuerbescheid - zwar (noch) für rechtmäßig gehalten, es ergäben sich nach Ansicht der zuständigen Kammer jedoch Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Beginns und des Endes der Rechtsbehelfsfristen.

 

Die Vergnügungssteuersatzung wurde in Anlehnung an die Feststellungen des Verwaltungs­gerichtes überarbeitet und neu gefasst. Wesentliche Änderungen ergeben sich in § 10 der Satzung (Festsetzung und Fälligkeit). Die bisher in § 13 Abs. 3 der Satzung enthaltene Rege­lung der Steueranmeldung bei gleichzeitiger Verpflichtung zur Zahlung der Steuer ist wegge­fallen. Der vom Gericht mit höherrangigem Recht für nicht vereinbar und somit für rechtswidrig gehaltene Zusatz „die unbeanstandete Entgegennahme der Steuererklärung gilt als Steuerfest­setzung“ wurde ersatzlos gestrichen. Die Satzung sieht nunmehr vor, dass die Steuer auf der Grundlage der Steueranmeldungen (Bekanntgabe des Einspielergebnisses) mit Steuerbescheid festgesetzt wird und die festgesetzten Beträge innerhalb von 14 Tagen nach Bekanntgabe des Steuerbescheides zu entrichten sind (§ 10 der neuen Satzung).

 

Die Vergnügungssteuersatzung vom 29.12.2005 sah eine wahlweise Besteuerung (Stückzahl oder auf Antrag das Einspielergebnis) vor, die mittlerweile nicht mehr zulässig ist. Aufgrund dieser Regelung wurden im Rahmen der Ausübung des Ermessens seinerzeit Ermittlungen zur Höhe des Steuersatzes für nicht notwendig gehalten. Es wurde davon ausgegangen, dass jeder Steuerpflichtige die für sich günstigste Steuerveranlagung wählt und somit nicht überbelastet wird.

 

Zur jetzigen Beschlussfassung konnten Einspielergebnisse der Spielhallen seit dem 1. Januar 2006 ausgewertet werden. Es wurde dabei festgestellt, dass sich die Besteuerung nach dem Einspielergebnis in fast allen Fällen für die Steuerpflichtigen günstiger auswirkt.

 

Im Rahmen der Ermessenserwägungen wurden der Besteuerung nach Einspielergebnissen in Gaststätten und Spielhallen wie bisher Sätze von 9 bzw. 12 v. H. zugrunde gelegt (§ 7 der Satzung). Bei dem in diesem Zusammenhang zu berücksichtigenden „Erdrosselungsverbot“ konnte zudem festgestellt werden, dass die Steuersätze nicht dazu führen, dass die Anzahl der im Stadtgebiet aufgestellten Spielgeräte oder aber die Anzahl der betriebenen Spielhallen rück­läufig ist.

 

Auch die übrigen Steuersätze (z. B. Tanzveranstaltungen, Unterhaltungsautomaten ohne Gewinnmöglichkeit) sind unverändert übernommen worden.

 

Im Übrigen sind zur Klarstellung einige redaktionelle Änderungen vorgenommen worden. Die begriffliche Unterscheidung bei den Steuererhebungsformen zwischen der „Kartensteuer“ und der „Pauschsteuer“ ist aufgegeben worden. Verwaltungsgerichte haben sich immer wieder an dem Begriff „Pauschsteuer“ gestört, da die Besteuerung nach dem Einspielergebnis eigentlich keine pauschale Art der Besteuerung mehr darstellt. In einem neuen Abschnitt II (Bemessungs­grundlage und Steuersätze) wird jetzt unterschieden nach der Besteuerung nach Eintritts­gel­dern, Spielumsatz, Größe des benutzten Raumes, Einspielergebnis und Stückzahl (nur Unter­haltungsgeräte).

 

Die Satzung soll rückwirkend zum 1.1.2004 in Kraft treten, um die anhängigen Verwaltungs­streitverfahren abwickeln zu können. Eine rückwirkende Inkraftsetzung ist immer zulässig, wenn eine unwirksame (bedeutsame) Satzungsregelung durch eine wirksame Regelung ersetzt werden soll. Es handelt sich im vorliegenden Fall um eine unechte Rückwirkung, da nicht auf einen abgeschlossenen Tatbestand mit Wirkung für die Zukunft eingewirkt wird. Abgeschlossene bestandskräftige Steuerverfahren werden durch die Rückwirkung nicht berührt. Die Unwirksamkeit einer Satzungsregelung muss auch nicht zwingend durch Gerichtsent­scheidung festgestellt worden sein. Für die Zulässigkeit einer (unechten) Rückwirkung reicht es bereits aus, dass eine zwingende Satzungsbestimmung unklar, zweifelhaft oder verworren ist. Der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes steht einer rückwirkenden Änderung ebenfalls nicht entgegen, da der betroffene Personenkreis aufgrund der bisherigen Satzungsregelungen mit der Erhebung von Vergnügungssteuern rechnen musste.

 

Zwecks Beachtung des Verschlechterungsverbotes wurde für die Jahre 2004 bis 2007 durch § 14 der Satzung eine Übergangsregelung geschaffen.


Anlagen:

 

Vergnügungssteuersatzung (Entwurf der Neufassung)