Sachverhalt und Verfahrensstand
Der Innenminister des Landes NRW hat zum
24.01.2007 den Referentenentwurf eines
Gesetzes zur Stärkung der kommunalen
Selbstverwaltung und zur Änderung der Gemeindeordnung vorgelegt.
Der Gesetzesentwurf wurde nach erster Lesung
in der Sitzung des Landtags am 29.03.2007 an den Ausschuss für Kommunalpolitik
und Verwaltungsstrukturreform – federführend - , den Ausschuss für Wirtschaft,
Mittelstand und Energie sowie an den Ausschuss für Bauen und Verkehr
überwiesen.
Die Verabschiedung der Reform wird noch
für den Sommer 2007 erwartet.
Der
Gesetzentwurf entwickelt nach den Vorstellungen der Landesregierung das mit der
Kommunalverfassungsreform 1994 eingeführte System der Kommunalverfassung fort.
Die damals getroffene Grundentscheidung, die Vertretung der Kommune in die
Hände zweier voneinander unabhängiger gleichwertiger Organe zu legen, nämlich
Rat oder Kreistag auf der einen und Bürgermeister oder Landrat auf der anderen
Seite, hat sich bewährt.
Diesem
Grundprinzip folgend soll das Amt des kommunalen Hauptverwaltungsbeamten weiter
gestärkt und die Eigenständigkeit der Kommunalvertretung noch konsequenter
betont werden.
Besonders
die im Bereich der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden, Teil 11 der GO
NRW beabsichtigten Beschränkungen der kommunalen Wirtschaftstätigkeit werden
landauf landab öffentlich diskutiert.
Der
Referentenentwurf umfasst im wesentlichen nachfolgende Kernpunkte:
§§ 65 ff GO NRW Verlängerung der Wahlzeit des Bürgermeisters und
Aufhebung der Altersgrenze
Ein
erster Kernpunkt des Gesetzentwurfs ist daher die Stärkung der Stellung des
Hauptverwaltungsbeamten durch folgende Änderungen:
-
Verlängerung der Amtszeit der kommunalen Hauptverwaltungsbeamten auf sechs
Jahre
-
Wegfall der Altersgrenze für Bürgermeister und Landräte, die nach
In-Kraft-Treten des Gesetzes gewählt werden (im Landesbeamtengesetz)
-
Einführung eines verkürzten Abwahlverfahrens durch Verzicht des
Hauptverwaltungsbeamten
-
Neuordnung der Entscheidungs- und Kompetenzabgrenzung zwischen Rat und
Bürgermeister (Erweiterung der Stimmrechte und Antragsrechte der Hauptverwaltungsbeamten;
Begrenzung der Einwirkungsmöglichkeit des Rates auf die Geschäftsverteilung der
Beigeordneten und Personalentscheidungen).
§§ 55, 56 GO NRW Fraktionen und Gruppe – Akten- und Auskunftsrecht
Ein
zweiter Kernpunkt des Gesetzentwurfes ist die Stärkung des ehrenamtlichen
Elementes
der Kommunalverwaltung im Hinblick auf die Rechte der einzelnen Ratsmitglieder
und ihrer Fraktionen. Diesem Ziel dienen
-
die Herabsetzung der Mindestgröße für Fraktionen
-
der Anspruch einer Gruppe im Rat ohne Fraktionsstatus sowie eines
einzelnen Ratsmitgliedes auf angemessene finanzielle Ausstattung zur
Vorbereitung auf die Beratungen im Rat
-
das Auskunfts- und Akteneinsichtsrecht jedes Ratsmitgliedes
-
das Akteneinsichtsrecht auf Antrag einer Fraktion
-
das Antragsrecht für Ratsfraktionen zur Tagesordnung eines Ausschusses
-
die Einführung des Zählverfahrens Hare-Niemeyer bei der Verteilung der
Ausschusssitze im Rat bzw. Kreistag
-
die Erweiterung der Entschädigungsregelungen für ehrenamtliche Tätigkeit
und ihre Anpassung an Fortentwicklungen in der Lebenswirklichkeit sowie
Ausgleich der gestiegenen Lebenshaltungskosten jeweils zu Beginn und zur
Hälfte der Wahlzeit der Vertretung.
§ 26 GO NRW Ratsbürgerentscheid und Sperrklausel Bürgerbegehren
Ein
dritter Kernpunkt ist die Stärkung der demokratischen Beteiligung der Bürger
bzw. die Stärkung der bürgerschaftlichen Mitwirkung an kommunalen
Entscheidungen.
Diesem
Ziel dienen
-
die Einführung des Rats- bzw. Kreistagsbürgerentscheides. Der Rat /
Kreistag kann mit Zweidrittelmehrheit beschließen, dass an seiner Stelle die
Bürgerinnen und Bürger eine Entscheidung treffen.
-
die Sperrwirkung eines vom Rat für zulässig erklärten Bürgerbegehrens.
Der Rat kann nicht im Vorfeld eines zulässigen laufenden
Verfahren eines Bürgerbegehrens in gleicher Sache eine anderweitige
Entscheidung treffen.
§ 4 GO NRW Gestaltungsmöglichkeiten für Gemeinden / Absenkung der
Schwellenwerte
Ein
vierter Kernpunkt eröffnet einer Gemeinde bereits mit mehr als 20 000
Einwohnern
(bisher
25 000 Einwohnern) oder bereits mit mehr als 50 000 Einwohnern (bisher
60
000 Einwohnern) die Möglichkeit, in größerem Rahmen verwaltend tätig zu
werden,
wenn sie es beantragt.
In
diesem Fall kann
-
eine kreisangehörige Gemeinde mit mehr als 20.000 Einwohnern zur
Mittleren kreisangehörigen Stadt und
-
eine kreisangehörige Gemeinde mit mehr als 50.000 Einwohnern zur Großen kreisangehörigen
Stadtbestimmt werden.
Außerdem
werden die Einwohnerzahlen für eine mögliche “Rückstufung” von der Großen kreisangehörigen
Stadt zur Mittleren kreisangehörigen Stadt sowie von der Mittleren
kreisangehörigen Stadt zur (im Gesetz nicht definierten) “einfachen”
kreisangehörigen Gemeinde den neuen Schwellenwerten angepasst. Um den Gemeinden
auch darüber hinaus größtmögliche Entscheidungsbefugnis einzuräumen, wird die
maßgebliche Einwohnerzahl, bei der ein Einschreiten von Amts wegen
erforderlich wird, auf 45.000 bzw. 15.000 gesenkt.
Darüber
hinaus wird die Möglichkeit der aufgabenunabhängigen Kooperation geschaffen.
So
können zum Beispiel kreisangehörige Gemeinden mit anderen Gemeinden Aufgaben gemeinsam
wahrnehmen, wenn die Summe ihrer Einwohnerzahlen die neuen Schwellenwerte
überschreitet. Zudem können kreisangehörige Gemeinden Aufgaben, die bisher für
sie vom Kreis erledigt wurden, von benachbarten Gemeinden wahrnehmen lassen,
wenn diesen die jeweilige Aufgabe bereits übertragen worden ist.
Der
Gesetzentwurf enthält darüber hinaus eine Verpflichtung der Gemeinden und ihrer
Organe zur Generationengerechtigkeit.
Für
Aufgaben der Personalverwaltung werden beamtenrechtliche Hürden beseitigt,
die
einer interkommunalen Zusammenarbeit entgegenstehen.
§§ 107 ff GO NRW Wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden
Ein
fünfter Kernpunkt sind Änderungen des Gemeindewirtschaftsrechts.
Die
Landesregierung vertritt den Grundsatz des Vorrangs der privaten
Leistungserbringung vor der Leistungserbringung durch die öffentliche Hand.
Die
wirtschaftliche Betätigung der Kommunen soll künftig an strengere
Voraussetzungen gebunden werden. Erricht werden soll eine stärkere
Konzentration der kommunalen Körperschaften auf die Kernaufgaben der
öffentlichen örtlichen Daseinsvorsorge. Die unter der bisherigen Rechtslage
aufgenommenen und danach zulässigen wirtschaftlichen Betätigungen genießen
Bestandsschutz.
Wesentliche
Regelungen dieses Teils des Gesetzentwurfs sind:
-
Die wirtschaftliche Betätigung wird an das Vorliegen “eines dringenden
öffentlichen Zwecks” gebunden
-
Verschärfung der Subsidiaritätsklausel in § 107 Abs. 1 GO.
Aufgrund
der Erfahrungen mit der Anwendung des aktuellen Gemeindewirtschaftsrechts, z.T.
auch als Reaktion auf einschlägige Entscheidungen der
Verwaltungsgerichtsbarkeit, werden weitere Änderungen im Bereich des
Gemeindewirtschaftsrechts bzw. damit zusammenhängender Vorschriften der
Gemeindeordnung angestrebt. Dies betrifft die überörtliche nichtwirtschaftliche
Betätigung i.S. des § 107 Abs. 2 GO sowie die wirtschaftliche und
nichtwirtschaftliche Betätigung im Ausland. Hier ergeben sich schwerpunktmäßig
folgende Änderungen:
-
Auch die nichtwirtschaftliche überörtliche Betätigung wird ausdrücklich
an das Vorliegen der Voraussetzungen des § 107 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 GO
(dringender öffentlicher Zweck und Leistungsfähigkeit) gebunden
-
Ausdrückliche Bindung der Zulässigkeit der Aufnahme von wirtschaftlicher
und nichtwirtschaftlicher Betätigung im Ausland an das Vorliegen der
Voraussetzungen des § 107 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 GO.
Weitere
Änderungen betreffen die stärkere Betonung der Rolle des Rates im Bereich der
mittelbaren Beteiligungen (§ 111 GO NRW).
Anlage: Synopse GO NRW