Betreff
Konzentration von perfluorierten Tensiden (PFT) im Trinkwasser hier: Antrag der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN vom 27.08.2006
Vorlage
069/2006
Art
Mitteilungsvorlage

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat mit Datum vom 27.08.2006 eine Anfrage zu mög­lichen Belastungen des Trinkwassers in der Stadt Kamen mit perfluorierten Tensiden (PFT), als Tagesordnungspunkt für den Planungs- und Umweltausschuss am 04.09.2006 gestellt. Da zur Beantwortung des gestellten Fragenkatalogs eine umfangreiche Recherche bei den Trink­wasserversorgungsunternehmen sowie dem Kreis Unna als zuständiger Aufsichtsbehörde getätigt werden musste, wurde die Beantwortung in die Sitzung am 06.11.2006 verschoben.

 

Vorab einige grundsätzliche Informationen zum Thema perfluorierte Tenside (PFT):

 

“PFT sind organische, oberflächenaktive Verbindungen, bei denen die Wasserstoffatome am Kohlenstoffgerüst durch Fluoratome ersetzt wurden. PFT haben keine natürliche Quelle. Wegen ihrer besonderen Eigenschaften werden sie industriell hergestellt und in einer Vielzahl von Produkten verwendet.

 

Die Verbindungen werden hauptsächlich in der Textilindustrie zur Herstellung atmungsaktiver Jacken und in der Papierindustrie zur Herstellung von schmutz-, fett- und wasserabweisenden Papieren verwendet. Darüber hinaus gibt es noch eine Vielzahl weiterer Einsatzgebiete.”[1]

 

“In Oberflächenwässern und Trinkwässern des Hochsauerlandkreises wurden in der ersten Maihälfte 2006 im Rahmen wissenschaftlicher Studien des Instituts für Hygiene und Öffentliche Gesundheit der Universität Bonn zum Vorkommen langlebiger Substanzen in Gewässern erhöhte Konzentrationen von Perfluortensiden (PFT) festgestellt. Hauptkomponente in Anteilen von 50 – 80 % ist die Perfluoroctansäure (PFOA). Im Trinkwasser des Hochsauerlandkreises fanden sich bis zu 0,56 µg/l PFOA, daneben deutlich niedrigere Werte von Perfluoroctan­sulfonsäure(PFOS).

 

Die Trinkwasserverordnung von 2001 enthält für o.a. Stoffgruppen keine spezifischen Grenz­werte. Auch international werden bis auf Weiteres keine Trinkwassergrenzwerte für diese Stoffgruppe verfügbar sein.

 

Aus gegebenem Anlass bat das Gesundheitsamt des Hochsauerlandkreises die Trinkwasser­kommission (TWK) des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) beim Umweltbundesamt um eine Stellungnahme, welche hygienisch und gesundheitlich duldbaren Höchstkonzentrationen zur Bewertung der o.a. Stoffgruppen im Trinkwasser herangezogen werden sollen.

 

Hier eine Zusammenstellung der wichtigsten, in der Stellungnahme empfohlenen Höchstwerte für Summen aus PFOA und PFOS:”[2]

 

 

Art des Höchst­wertes

Abkürzung

Zahlenwert

Begründung

Zielwert (Lang­fristiges Mindest­qualitätsziel bzw. allgemeiner Vorsorge­wert für PFOA, PFOS und evtl. weitere PFT)

GOW (Gesundheit­licher Orien­tierungswert) des UBA

≤0,1 µg/l

Lebenslange gesund­heitliche Vorsorge, z.B. gegen die Anwe­senheit weiterer PFT

Lebenslang gesund­heitlich duldbarer Leitwert für alle Be­völkerungsgruppen

LW des UBA

≤0,3 µg/l

Bis zu dieser Konzen­tration sind Summen aus PFOA und PFOS lebenslang gesund­heitlich duldbar

Vorsorglicher Maß­nahmewert für Säug­linge

VMWs

0,5 µg/l

Vorsorglicher Schutz von Säuglingen, z.B. gegen die Anwesen­heit weiterer PFT

Maßnahmewert für Erwachsene

MW V MW0

5,0 µg/l

Trinkwasser für Lebensmittelzwecke nicht mehr verwend­bar

 

 

Nachfolgend werden die Stellungnahmen des Kreises Unna sowie der Trinkwasserversor­gungsunternehmen Gelsenwasser und Gemeinschaftsstadtwerke Kamen-Bergkamen-Bönen (GSW) zusammengefasst. Die Fragestellungen der Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Rat der Stadt Kamen werden im Rahmen der Ausführungen zu den einzelnen Stellungnahmen beantwortet und daher nicht mehr einzeln aufgeführt. Eine bewertende Stellungnahme seitens der Stadt Kamen ist nicht möglich, da die Trinkwasserversorgung und deren gesundheitliche Auswirkung auf den Menschen nicht in die Zuständigkeiten der Stadt Kamen fällt.

 

 

1.      Das Trinkwasser in Kamen stammt aus den Wasserwerken Echthausen und Halingen der Wasserwerke Westfalen GmbH, Schwerte. Das Trinkwasser wird seit Bekanntwerden der Belastung im Einzugsgebiet der Möhnetalsperre regelmäßig auf die Substanzen untersucht, für die im Juni 2006 vom Bundesministerium für Gesundheit nach Anhörung der Trink­wasserkommission am Umweltbundesamt für alle Bevölkerungsgruppen ein Leitwert von 0,3 µg/l für die Summe aus den Substanzen (PFOA) und (PFOS) festgelegt wurde.

 

 

In allen Fällen blieben die Konzentrationen unter dem Leitwert von 0,3 µg/l:[3]

 

PFT- Untersuchungen im Trinkwasser Wasserwerke Halingen und Echthausen

 

 

14.06.2006

20.06.2006

20.07.2006

1

Wasserwerk Halingen

PFOA (µg/l)

PFOS
(µg/l)

PFOA (µg/l)

PFOS
(µg/l)

PFOA (µg/l)

PFOS
(µg/l)

 

 

0,200

0,031

0,180

0,039

0,140

<0,025

2

Wasserwerk Echthausen

0,280

0,015

0,200

< 0,025

0,170

< 0,025

 

 

2.      Die Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr, deren Mitglied auch die Wasser­werke Westfalen GmbH ist, hat sich mit den Gesundheitsbehörden auf einen monatlichen Untersuchungszyklus verständigt.

 

Untersuchungen im Versorgungsgebiet bzw. im Gebiet der Stadt Kamen sind nicht durchgeführt worden und auch nicht geplant, da sich die Gehalte auf dem Fließweg nicht verändern.

 

 

3.      Folgende Aufbereitungstechniken werden eingesetzt:

Wasserwerk Echthausen:

·          Rohwasservorreinigung: Feinrechen, Sedimentationsbecken (Inhalt: 40.000 m³), Flockung (bei Bedarf), Dosierung von Aktivkohlepulver (bei Bedarf)

·          Langsamsandfiltration (10 Versickerungsbecken, Gesamtfilterfläche: 90.000 m², Filtergeschwindigkeit: 0,5–1,5 m/d) mit anschließender Bodenpassage

·          Re-Infiltration (Bodenfiltrat Teilstrom): Sauerstoffanreicherung, Langsamsandfiltration, Bodenpassage

·          Desinfektion mit Chlordioxid (ClO2)

·          pH- Wert-Anhebung durch Zugabe von Natronlauge (NaOH)

·          Anhebung des pH-Wertes durch Zugabe von Natronlauge (NaOH)

Wasserwerk Halingen

·          Rohwasservorreinigung: Feinrechen, Sedimentationsbecken (Inhalt: 70.000 m³ und 25.000 m³) 

·          Langsamsandfiltration (14 Versickerungsbecken, Gesamtfilterfläche: 160.000 m², Filtergeschwindigkeit:
0,5–1,5 m/d) mit anschließender Bodenpassage

·          Re-Infiltration (Bodenfiltrat Teilstrom): Dosierung von Aktivkohlepulver (bei Bedarf), Sauerstoffanreicherung, Langsamsandfiltration, Bodenpassage

·          Desinfektion mit Chlordioxid (ClO2)

·          pH-Wert- Anhebung durch Zugabe von Natronlauge (NaOH)


In den Wasserwerken Echthausen und Halingen wird eine Aktivkohledosierung ab Anfang Juli 2006 vorgenommen.[4]

 

 

4.      Ob neben der Aktivkohlefilterung andere Möglichkeiten der Filterung bestehen, wird zurzeit in verschiedenen Versuchen von Flockungsverfahren begonnen. Eine endgültige Aussage der weiteren sinnvoll einsetzbaren Möglichkeiten zur Eliminierung von PFT aus dem Trink­wasser kann daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht getroffen werden.

 

 

5.      Die Entscheidung zur Einführung von weitergehenden Aufbereitungstechniken wird abhängig gemacht von den unter Punkt 4 erläuterten Versuchsergebnissen.

 

Der Kreis Unna verweist in diesem Zusammenhang auf die am 25.08.2006 getroffene soge­nannte “Arnsberger Vereinbarung” zwischen dem NRW-Umweltministerium und Spitzen der Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr. Die Vereinbarung umfasst  ein Handlungs­paket mit vorsorgenden Maßnahmen zum Schutz der Gewässer sowie der Modernisierung der Aufbereitungsanlagen. Bis zum Jahresende wird eine Belastungsabschätzung zu relevanten Stoffeinträgen und mikrobiologischen Verunreinigungen erstellt. Die o.a. Vereinbarung ist der Vorlage als Anlage beigefügt.



aaus: Wikipedia, Suchbegriff: Perfluorierte Tenside (PFT), Recherchedatum: 06.09.2006

[2] aus: Vorläufige Bewertung von Perfluorierten Tensiden (PFT) im Trinkwasser am Beispiel ihrer Leitsubstanzen Perfluoroctansäure (PFOA) und Perfluproctansulfonsäure (PFOS); Stellungnahme der Trinkwasserkommission des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) beim Umweltbundesamt vom 21.06.06; überarbeitet am 13.07.06;

[3] Quelle: Koordinierungsstelle für Planungsaufgaben (KfP) Kreis Unna

[4] Quelle: Koordinierungsstelle für Planungsaufgaben (KfP) Kreis Unna

 


Anlage:

 

Antrag der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN

Stellungnahme

Vereinbarung