Sitzung: 25.04.2013 Familien- und Sozialausschuss
Herr Zude referierte anhand einer der Niederschrift in Kopie beigefügten Powerpointpräsentation.
Anhand eines Schaubildes stellte Herr Zude den Aufbau der Werkstatt Unna samt den beteiligten Gesellschaften vor. Die Werkstatt wurde vor rd. 30 Jahren gegründet und als Handlungsauftrag sehe man das Kümmern um benachteiligte Menschen. Finanziert werde man u.a. durch Regelzuschüsse von 7 kreisangehörigen Kommunen. Als Zielgruppen habe man besonders benachteiligte Jugendliche und Erwachsene mit unterschiedlichen Problemlagen ins Auge gefasst. In der Vergangenheit habe man auch ein Frauenqualifizierungszentrum betrieben, dessen Betrieb jedoch aus Kostengründen eingestellt werden musste. Das Angebotsspektrum erstrecke sich von der Beratung über Bildung bis zur Beschäftigung. In Bezug auf die von ihm vorgestellten Arbeitsschwerpunkte wies er im Besonderen auf die erst seit ca. 5 Jahren geleistete Arbeit der Prävention im Übergangssystem hin. Hier habe man ein Bindeglied zwischen Schulabschluss und Übergang in das Berufsleben schaffen wollen.
Derzeit biete die Werkstatt rd. 1.450 Teilnehmerplätze an. Naturgemäß gebe es bei der Frequentierung einen hohen Fluktuationsgrad.
Im Nachgang stellte Herr Zude Zahlenmaterial zur Jugendberufsnot im Kreis Unna vor. Im Besonderen wies er auf das ungünstige Verhältnis von Stellen- zu Bewerberzahl hin. Der Kreis Unna weise hier einen Wert von 0,71 aus. Dieser Wert sei vergleichbar mit den strukturschwachen Regionen in den neuen Bundesländern. Die Stadt Münster weise zum Vergleich einen Wert von 1,5 vor. Der Zustand auf dem Ausbildungsmarkt sei zur Zeit derart schlecht, dass lediglich 18% der Schulabgänger der Sekundarstufe I einen regulären Ausbildungsplatz erhalten würden. Bemerkenswert und bedenklich sei zudem, dass 17% der Jugendlichen eines Jahrgangs dauerhaft ohne Berufsabschluss bleiben würden.
Anhand eines weiteren Schaubildes erläuterte Herr Zude die auf dem Gebiet des Übergangssystems handelnden Akteure, die jeweiligen Fördergeber und die Anzahl der angebotenen Plätze im Jahre 2010. Von den kreisweit angebotenen 2208 Plätzen entfielen 110 auf die im Kreisgebiet ansässigen Produktionsschulen, deren Fördergeber das Jobcenter war. Die Regelangebote dieser Akteure erreichen jedoch einen Teil der Jugendlichen aus unterschiedlichen Gründen nicht. Zum Einen werden sie, wie bei den Jugendwerkstätten, die nur maximal 44 Schüler aufnehmen können, nicht flächendeckend angeboten, zum Anderen überfordern sie die Klientel durch zu rigide Vorgaben, wie es nach seiner Einschätzung bei den berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen der BA der Fall sei.
Notwendig seien Maßnahmen, die keinen Schulcharakter mehr haben, um der Schulmüdigkeit zu entgehen und noch nicht die Anforderung des Arbeitsbetriebs stellen, da die Teilnehmer hierfür noch nicht geformt seien.
An diesen Überlegungen setzen Produktionsschulen an. Anhand weiterer Schaubilder erläuterte Herr Zude Wurzeln, Handlungsansätze und Leitbilder der Produktionsschulen.
Der pädagogische Rahmen sei geprägt dadurch, dass den Teilnehmern sowohl Anleiter als auch Pädagogen zur Verfügung stünden. Praxis und Theorie werden so verknüpft, dass die Teilnehmer im Rahmen ihrer Tätigkeit die Notwendigkeit des Erlernens von theoretischem (schulischem) Wissen erkennen.
Anschließend schilderte Herr Zude den im Idealfall vier Phasen umfassenden Projektablauf.
Besonders wies er darauf hin, dass in der ersten sogenannten
Einschleusungsphase, die vier Wochen andauert, den Jugendlichen die Möglichkeit
offensteht diese abzubrechen, ohne dass sie seitens des Jobcenters sanktioniert
würden.
Mittels einer weiteren Folie stellte er die derzeit 5 Produktionsbereiche im Kreisgebiet vor. Besonders hob er hervor, dass hier nicht für den Müll erzeugt würde, sondern es sich um tatsächliche Produktion handle. Herr Zude stellt noch einmal Eckpunkte aus dem Jahre 2006 vor. Damals konnte man in 4 Werkstattbereichen 48 Jugendliche betreuen. Heute würden allein in Kamen 28 Jugendliche in den Bereichen Holz und Metall betreut. Die seinerzeit auferlegte Beschränkung, dass man Aufträge nur von öffentlichen oder gemeinnützigen Einrichtungen entgegennehmen könne, habe heute noch Gültigkeit. Die Zielgruppen der Produktionsschulen benannte er anhand einer weiteren Übersicht. Insgesamt sei die Klientel eine besonders schwierige, die häufig noch mit mehreren Problemlagen behaftet sei. Teilweise lägen gravierende psychische Beeinträchtigungen vor, die die Produktionsschule dazu veranlasst hätten, die Hilfe von Psychologen in Anspruch zu nehmen. Entsprechende Mittel seien auch seitens des Landschaftverbandes Westfalen-Lippe bewilligt worden. Eine Auswertung über einen Zeitraum von 5 Jahren habe ergeben, dass leider 55% der Absolventen die Produktionsschule erfolglos in dem Sinne, dass sie keinen Übergang finden, besucht haben.
Derzeit gebe es in Deutschland über 100 Produktionsschulen mit unterschiedlichen Finanzierungsmodellen. Hier im Kreis Unna gehöre die Teilnahme an einer Maßnahme der Produktionsschule zum Regelangebot des Jobcenters und werde über die 1-€-Jobs finanziert. Die Zusammenarbeit mit dem Jobcenter sei eine enge und vertrauensvolle.
Seit dem 01.01.2013
ist jedoch ein seitens der Bundesagentur für Arbeit entwickeltes Fachkonzept
für „Berufsvorbereitende
Bildungsmaßnahmen mit produktionsorientiertem Ansatz (BvB-Pro)“ in Kraft getreten.
Besonders problematisch an diesem Konzept sei nach Einschätzung des Herrn Zude
das dort verankerte höhere Anforderungsprofil an die Teilnehmer von
Maßnahmen der Produktionsschulen. Sollte dieses Konzept so angewendet werden
fielen nach seiner Auffassung genau die Personen, denen die Produktionsschulen
helfen wolle, durch das Raster.
Es bestünde hier
jedoch noch Hoffnung, da Bundesregierung und Bundesländer auf die BA einwirken
wollen mit dem Ziel, dass die BA im Sinne größerer Flexibilität passgenauere
Lösungen vor Ort erarbeiten solle. Weiterhin erfolge eine Finanzierung durch
die BA nur, wenn sich Dritte (z.B. Länder oder Kommunen) mit mindestens fünfzig
Prozent an den Kosten beteiligen würde.
Frau Lenkenhoff verwies auf den letzten Besuch des Herrn Zude. Zum damaligen Zeitpunkt hatten nach ihrer Erinnerung nur 11,12 Produktionsschüler durchgehalten. Jetzt seien es 28 Kamener. Das wertete sie als eine gute Zahl. Sie dankte Herrn Zude für die ambitionierte Arbeit und wünschte für die Zukunft weiterhin alles Gute.
Frau Müller wies auf die Anfänge der Produktionssschule in Kamen hin. Sie sei damals schon begeistert gewesen und sei es auch heute noch. Sorge bereite ihr das von Herrn Zude vorgestellte neue Finanzierungsmodell und sie stelle sich die Frage, ob da nicht etwas wegbrechen könne.
Herr Zude erwiderte, dass er bei einer Trägerschaft/Finanzierung durch die BA große Bedenken habe.
Frau Hartig fragte nach, wo genau er die Schwierigkeiten sehe.
Herr Zude erläuterte, dass die Finanzierung in Nordrhein-Westfalen zu 60% durch das Land und zu 40% durch den Bund, also die Bundesagentur, erfolge. Und diese werde natürlich auf Beachtung ihrer Vorgaben dringen, was dazu führen könnte, dass genau die von der Produktionsschule gewünschten Personen eben nicht mehr gefördert werden könnten
Abschließend wies Herr Zude darauf hin, dass im Jahr 2013 kreisweit 110 Plätze in den Produktionsschulen zur Verfügung stehen würden. Ab dem Jahr 2014 müsse man bei der landeseigenen Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung mbH Interessensbekundungen in Bezug auf die Maßnahmenzahl abgeben. Diese Gesellschaft entscheide dann.