Frau Gercek erläuterte ausführlich die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 177 und 179 sowie 174 a StGB. Welche Strafvorschrift, ob § 177 oder § 179 StGB zur Anwendung komme, sei maßgeblich davon abhängig, ob das Opfer einen der Tat entgegenstehenden „Willen“ bilden könne. Sehr wichtig für behinderte, aber auch für nichtbehinderte Frauen, sei gewesen, dass 1997 in den § 177 StGB eine neue Tathandlung, nämlich „die Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist“, eingefügt worden sei. Eine Angleichung des Strafmaßes der beiden Paragraphen halte sie aber nach wie vor für erforderlich, auch im Hinblick auf das Grundgesetz, das eine Benachteiligung auf Grund einer Behinderung verbietet.

 

Frau Wennekers-Stute erklärte, dass sie die ungleiche Ahndung von sexueller Gewalt gegen behinderte und nichtbehinderte Opfer ebenso wie die Referentin als Verletzung der Menschenrechte sehe. Sie erkundigte sich, ob eine Änderung der gesetzlichen Grundlage vorgesehen sei.

 

Frau Gercek gab hierzu an, dass sie aus juristischer Sicht die Möglichkeit einer kurzfristigen Änderung eher gering einschätze, da das Sexualstrafrecht erst 1997 reformiert wurde und heute der gleiche Personenkreis beteiligt sei wie vor vier Jahren.

 

Frau Grothaus ergänzte, dass sich auch das Land NRW zur Zeit mit dieser Problematik befasse. Die Landesregierung stehe Überlegungen mit dem Ziel einer Angleichung des Strafmaßes der beiden Paragraphen aufgeschlossen gegenüber. Insbesondere das Justizministerium vertrete aber die Auffassung, die Entwicklung auf Bundesebene abzu­warten, da die Bundesregierung sowohl die Verabschiedung eines Gleichstellungsgesetzes für Behinderte als auch eine erneute Reform des Sexualstrafrechts beabsichtige. Die Angleichung des Strafmaßes der §§ 177 und 179 StGB solle deshalb aus der Sicht des Ministeriums erst in dem Rahmen erfolgen, zumal in der Praxis die Rechtsprechung, der strafrechtliche Schutz auch für behinderte Menschen grundsätzlich durch § 177 StGB gesichert sei. Genaue Kenntnisse über den Zeitplan bzgl. der vorgesehenen Gesetzes­änderungen liegen nach Auskunft der Landesregierung zur Zeit noch nicht vor.

 

Frau Gercek wies in diesem Zusammenhang daraufhin, dass das unterschiedliche Straf­maß, wenn auch in der Praxis in der Regel die Strafvorschrift des § 177 StGB angewendet werde, ein Signal an die Täter gebe, dass die Vergewaltigung einer behinderten Frau eine Tat von minderer Schwere sei. Auch um eine klare Rechtssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger zu haben, müsse aus ihrer Sicht das ungleiche Strafmaß aufgehoben werden.

 

Herr Klein erkundigte sich, ob es realistisch sei, dass ein Täter bewusst eine Frau vergewaltige, die keinen eigenen Willen bilden könne, um ein geringeres Strafmaß zu bekommen.

 

Frau Gercek erwiderte, dass in diesem Bereich alles möglich sei. Gerade im Sexual­strafrecht übersteigen viele Taten das normale Vorstellungsvermögen.

 

Frau Hennigs wollte wissen, wie die Rechtsprechung bezogen auf den sexuellen Missbrauch von Kindern aussehe.

 

Frau Gercek gab hier zur Antwort, dass bei sexuellem Missbrauch von Kindern völlig andere Paragraphen angewendet werden.

 

Auf die Frage, welches Strafmaß bei sexuellem Missbrauch behinderter Kinder angewendet werde, antwortete Frau Gercek, dass im Strafrecht dann die Gesetzeskonkurrenz eintrete. Das bedeute, dass der Täter nach dem Straftatbestand verurteilt werde, der ein höheres Strafmaß vorsehe.

 

Frau Jung bat die Verwaltung, mit der Landesregierung im Kontakt zu bleiben und in der nächsten Sitzung über das weitere Verfahren und über die beabsichtigten Zeitabläufe zu berichten.