Sitzung: 23.11.2023 Betriebsausschuss
Herr Bogaczyk begann den Vortrag, welcher
der beigefügten Präsentation zu entnehmen ist, mit der Vorstellung des
Lippeverbandes als Non-Profit-Unternehmen. Anschließend übernahm Herr Prof. Dr. Nafo das Wort, um den Ausblick auf die Beitragsentwicklung des
Lippeverbandes vorzustellen. Er ergänzte zur Folie „Beitragsentwicklung bis
2027“, dass die Lippeverbandsversammlung den Beschluss über die
Beitragserhöhung von zunächst 10 % am 24.11.23 fassen werde [Anmerkung: Der
Beschluss wurde entsprechend gefasst]. Mitte des Jahres 2024 werde dann erneut
diskutiert, ob die künftige Beitragserhöhung bei 10 % oder bei 4,8 % liegen
muss.
Bezüglich der Folie
Beitragsentwicklung Kamen fragte Herr Kissing,
warum die Steigerung in Kamen bei 11 % läge. Dies erläuterte Herr Prof. Dr. Nafo. Die Berechnung der Beiträge ergäbe sich anhand der
Belastungszahlen, die für die Stadt Kamen ermittelt worden seien. Hieraus
resultiert die Steigerung von 11 %.
Im weiteren Verlauf
der Sitzung entstand eine rege Diskussion zur 4. Reinigungsstufe. Herr Kasperidus fragte, wie die neuen
Aufgaben zur Reduzierung von Phosphor angegangen würden. Herr Prof. Dr. Nafo erörterte, dass
Kläranlagenbetreiber zukünftig aus dem Klärschlamm Phosphor zurückgewinnen
müssen. Es werden derzeit neue Verfahren getestet. Es ist zu unterscheiden,
dass Phosphor sich als Abfallprodukt nach der Fällung im Klärschlamm befindet
und, dass Phosphor sich im Abwasser befindet. Herr Kasperidus fragte nach, ob versucht werde, kein Phosphor zu nutzen.
Daraufhin erläuterte Herr Prof. Dr. Nafo,
dass Phosphor normalerweise täglich im Abwasser vorkomme. Das Hauptproblem
seien die Medikamente. Man versuche aufzuklären, dass Medikamente z. B. nicht
in die Toilette geworfen werden dürfen. Das Europäische Recht werde die 4.
Stufe der Reinigung fordern. In Bad Sassendorf werde z. B. durch den
Lippeverband bereits seit 2009 die 4. Reinigungsstufe getestet, in Dülmen seit
2015. Insgesamt 14 Kläranlagen der Emschergenossenschaft und des Lippeverbandes
werden nach Abstimmung mit den zuständigen Behörden aufgerüstet. Ob dies
ausreicht ist derzeit unklar. Herr Prof.
Dr. Nafo appelliert, dass die Hersteller von Medikamenten stärker an den
Kosten beteiligt werden sollten. Herr Helmken
brachte ein, dass das Problem mit dem Phosphor als Chance betrachtet werden
sollte. Es ist ein wertvoller Rohstoff, der längst aus dem Abwasser gefiltert
werden sollte. Fortschritte seien zu erwarten. Eine Anregung für die Zukunft
gab Herr Helmken indem er forderte,
dass bei Neubauten Schwarz- und Grauwasser getrennt werden sollten. Man sei am
Phosphatthema dran bestätigte Herr Prof.
Dr. Nafo. In Bottrop gäbe es z. B. eine Pilotanlage zum Thema
Phosphorrecycling. Dort würden verschiedene Verfahren getestet. Die Forschung
dahingehend sei zu 80 % durch Bundesmittel gefördert.
Herr Kissing fasste zusammen, dass die
Hintergründe für die Beitragssteigerung sehr gut dargestellt wurden. Das
düstere Fazit der erheblichen Gebührensteigerung bliebe. Betrachtet man die Lippeverbandsumlage
im Zeitraum der mittelfristigen Finanzplanung, so liege sie in 2027 bei ca. 8
Mio. €, was zu einer Beitragssteigerung von 51 % in vier Jahren führe. Durch
die 4. Reinigungsstufe ab 2027 werde man bis 2030 bei einer Kostensteigerung
von 100 % liegen, was zu einer Verdopplung der Gebühr führe. Dies sei
düster, auch wenn es richtig sei. Zur 4. Reinigungsstufe fragte er, ob es noch schwierigere
Szenarien gäbe. Weiter interessierte sich Herr
Kissing dafür, was die Europäische Union zum Zustand der
Emschergenossenschaft und des Lippeverbandes sage und er fragte, ob es ein
Ringen um Prozentpunkte mit dem Gesetzgeber gäbe. Erläuternd führte Herr Prof. Dr. Nafo aus, dass der Vorstandsvorsitzende der Emschergenossenschaft
und des Lippeverbandes, Prof. Dr. Uli Paetzel, ebenfalls Präsident der
Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA)
sei. Dort würden Regelwerke entwickelt. Der Lippeverband achte sehr auf die
Regelwerke und darauf, dass Inhalte solide seien. Der Lippeverband sei in
vielen Vereinen und Verbänden tätig, um Einfluss ausüben zu können. Er betonte
noch einmal, dass die Herstellerverantwortung gefordert werde. Was aus dem
Abwasser wirtschaftlich filterbar sei werde auch gefiltert. Insofern werde
verhandelt, dass auf EU-Ebene die Schwellenwerte nicht zu niedrig angesetzt
würden. Woher Phosphor im Abwasser hauptsächlich käme fragte Herr Henze nach. Es werde vom Menschen durch
die Nahrung aufgenommen und pro Tag würden 2g pro Person ausgeschieden, so Herr
Prof. Dr. Nafo. Natürlich sei auch die Landwirtschaft Phosphateinleiter.
Ob die
Kläranlage auf Kamener Stadtgebiet eine der großen Kläranlagen sei, die mit der
4. Reinigungsstufe ausgestattet werden soll, interessierte Herrn Dr. Liedtke. Vermutlich ja, antwortete
Herr Prof. Dr. Nafo. Es wurde
zugesagt, diese Information mit der Niederschrift nachzureichen.
Anmerkung der kaufmännischen
Betriebsführung der Stadtentwässerung Kamen:
„Im Nachgang zur Sitzung wurde
dies noch einmal per E-Mail durch Herrn Prof. Dr. Nafo bestätigt.“
Herr Helmken sprach die Problematik zu PFAS
[Anmerkung: PFAS = Per-
und polyfluorierte Alkylverbindungen] an. Er fragte, ob diese Chemikalien durch
die 4. Reinigungsstufe filterbar seien oder ob bald eine
5. Reinigungsstufe benötigt würde. Darüber hinaus erkundigte er sich, ob
das Abwasser aus dem Bergbau damit filterbar sei. Auf EU-Ebene werde derzeit
verhandelt, dass die Schwellenwerte für PFAS nicht gesenkt werden, erläuterte
Herr Prof. Dr. Nafo. Ansonsten müsse die 4. Reinigungsstufe immer
mit Aktivkohle durchgeführt werden und die Ozonreinigung sei nicht nutzbar.
Dies sei mit hohem Energieaufwand verbunden. Herr Prof. Dr. Nafo trat wieder
dafür ein, dass die Quelle der Verunreinigung zu bekämpfen sei (z. B. Verbot
von Gore-tex-Kleidung). Herr Helmken entgegnete, dass die sich im Umlauf befindlichen
PFAS gefiltert werden müssen. Es gäbe ca. 4.000 PFAS Sorten auf der Welt
entgegnete Herr Prof. Dr. Nafo. Es müsse eine Balance zwischen Umweltbelastung und
Wirtschaftlichkeit bei der Abwasserklärung geben. Kläranlagen seien tatsächlich
keine Haupteinträger von PFAS in die Gewässer. Hier sei z. B. eher Löschschaum
verantwortlich.
Da ein Teil des
Abwassers zur Kläranlage nach Bönen fließt, interessierte Herr Müller sich dafür, ob das Klärwerk in
Bönen für die 4. Reinigungsstufe vorgesehen sei. Da dies Herrn Prof. Dr. Nafo nicht bekannt war, sollte die Information mit der
Niederschrift nachgereicht werden.
Anmerkung der kaufmännischen
Betriebsführung der Stadtentwässerung Kamen:
„Im Nachgang zur Sitzung wurde
durch Herrn Prof. Dr. Nafo per E-Mail bestätigt, dass
das Klärwerk in Bönen mit der 4. Reinigungsstufe ausgestattet wird.“
Frau Heinrichsen erkundigte sich, woher die
Preissteigerung in 2021 kam. Herr Bogaczyk
begründete dies mit Klimaanpassungen und der Entwicklung der 4.
Reinigungsstufe. 11-12 Kläranlagen sind z. B. an Studien zur 4. Reinigungsstufe
beteiligt. Weiter interessierte sich Frau Heinrichsen
dafür, was die Anpassungen an Starkregenereignisse den Lippeverband kosten.
Hierzu führte Herr Bogaczyk aus,
dass mit Kommunen Maßnahmen entwickelt würden, um Regenwasser in Gewässer
einzuleiten oder versickern zu lassen. Ziel sei es, 25 % der
Regenwassermengen versickern und 10 % verdunsten zu lassen. Hierzu ständen
Fördermittel in Höhe von 250 T€ zur Verfügung. Das
Niederschlagswasser verdünne derzeit stark das Abwasser, was die Reinigung
teurer mache.
Zum Thema Cyber
Security erkundigte sich Frau Heinrichsen,
welche Sicherheitsmaßnahmen in dem systemrelevanten Bereich „Wasser“ genutzt
werden. Das dies der Geheimhaltung unterliege erläuterte Herr Prof. Dr. Nafo. Selbstverständlich
werden die Kläranlagen geschützt vor Schadsoftware. Es werden z. B.
Penetrationstests durchgeführt und es gibt eigene Cloudsysteme. Quartalsweise
werden auch alle Mitarbeiter zur IT-Sicherheit geschult.
Herr Kasparidus dankte für den Vortrag und
betonte, dass Renaturierungen sinnvoll seien, jedoch nur mit Kläranlagen
möglich sind. Er sei in Brüssel zu Umweltthemen gewesen. Dort würde die
Erforderlichkeit von Sparmaßnahmen anerkannt.
Erneut plädierte
Herr Helmken für die Trennung von
Schwarz und Grauwasser in Gebäuden. Es dürften keine Mischwasserkanäle mehr
gebaut werden. Niederschlagswasser müsse in Versickerungsbecken eingeleitet
werden.
Frau Dörlemann erkundigte sich nach den
Zusammenhängen von Windkraftanlagen und PFAS. Dazu erläuterte Herr Prof. Dr. Nafo, dass Schmiermittel in
den Dichtungen häuftig aus PFAS sind. Diese werden von der Industrie oft als
unverzichtbar angesehen. Hier müssen zukünftig Alternativen genutzt werden.
Frau Dörlemann dankte den Rednern und
verabschiedete sie.