Frau Kappen erklärte einleitend, dass es sich um ein Randthema im Bereich der Hilfe zur Erziehung handele. In der Praxis käme es vor, dass sehr kurzfristig jüngere Kinder, in der Regel im Alter bis zu 6 Jahren, untergebracht werden müssten. Hierfür sei es erforderlich einen Pool an geeigneten Bereitschaftspflegeeltern vorzuhalten, um im Bedarfsfall zügig reagieren zu können. Die Gründe, die eine Unterbringung außerhalb des gewöhnlichen Haushaltes des Kindes erforderlich machen, seien vielschichtig auch teilweise unterstützend, z.B. bei Krankheit einer alleinerziehenden Mutter. Häufig aber zur Abwendung einer akuten Kindeswohlgefährdung. Das Wohl des Kindes habe stets oberste Priorität. Die Einbindung in ein familiäres Umfeld stelle eine gute Unterbringungsmöglichkeit dar.

In dem Bereich der Bereitschaftspflege kooperiere die Stadt Kamen mit anderen Städten. Begleitend durch eine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit würden derzeit weitere Pflege­eltern gesucht.

 

Frau Klein-Vehne, Frau Schimanski und Frau Sikora stellten anschließend nach einer persönlichen Vorstellung umfassend ihr Sachgebiet vor. Sie gingen dabei abwechselnd u.a. auf die formellen Grundlagen sowie die Entstehung und Entwicklung des Pflegeelternpools der Städte Kamen, Bergkamen, Werne und Selm ein. In Kooperation mit diesen Städten würden Eltern akquiriert, die bereit sind, Kinder für eine gewisse Dauer in ihr eigenes familiäres Umfeld aufzunehmen. Eine pädagogische Vor- oder Ausbildung sei hierfür nicht zwingend erforderlich. Die Hilfe erfolge stets individuell. Das Konzept gründe auf eine vorübergehende Unterbringung, d.h. es soll eine langfristige Verweildauer bei den Bereitschaftspflegeeltern vermieden werden.

 

Frau Klein-Vehne erörterte, wie die angehenden Pflegeeltern hinsichtlich der Geeignetheit und Präferenzen geprüft und geschult würden. Ferner verpflichteten sich die Eltern vertraglich, die Platzkapazitäten für die beteiligten Städte vorzuhalten. Wenn eine Meldung im Jugendamt eingehe, müsse umgehend gehandelt werden. In diesem Fall griffen mehrere systemische Abläufe ineinander.

Die Familien erhielten neben einer finanziellen Unterstützung auch weitere Beratungs- und Unterstützungsangebote. So bestünde u.a. die Verpflichtung zur Teilnahme an Supervision­terminen. Diverse informelle Treffen runden das Angebot ab.

 

Frau Kappen erläuterte die Bereitschaftpflegepauschale, die die Pflegeeltern vor dem Hintergrund erhielten, dass sie sich unablässig für einen Bedarfsfall in Bereitschaft hielten. Der Einsatz an sich sei nicht planbar, da der Bedarfsfall spontan eintrete. Dann müssten die Eltern sehr flexibel reagieren. Die Vorlaufzeit wäre in der Regel sehr knapp. Zum Ausgleich dessen, wurde die Bereitschaftpflegepauschale in Höhe von 250,00 € im Monat eingeführt.

 

Herr Stalz fragte nach der rechtlichen Grundlage bezüglich der Verpflichtung der Pflegeeltern ein Kind aufzunehmen.

 

Frau Kappen antwortet, dass die Eltern sich durch eine vertragliche Vereinbarung gebunden hätten. In der Praxis würde jedoch kein Kind ohne Absprache und Zustimmung zugewiesen.

Jedoch müssten im Ablehnungsfall bei den Pflegeeltern triftige Gründe vorliegen, die einer Aufnahme der Kinder in der Familie entgegenstünden.

 

Frau Klanke erkundigte sich nach der vertraglichen Ausgestaltung, insbesondere der Vertragslaufzeit.

 

Frau Klein-Vehne antwortet, dass es sich um einen überschaubaren Vertrag handele, der sich laufzeitbezogen jeweils ein Jahr verlängere. Sofern eine Familie jedoch deutlich signalisiere, dass sie die Pflegebereitschaft zurückziehen möchte, würde letztlich kein Druck ausgeübt. Dies sei nicht zielführend. Auch persönliche oder familiäre Hemmnisse würden vor der Umsetzung einer Zuweisung fallbezogen abgewogen. Ggf. könnte auch die Pflegebereitschaft zeitweise ruhen.

 

Frau Schimanski und Frau Sikora verdeutlichten anhand eines praktischen Fallbeispiels die ineinander greifenden Arbeitsabläufe und vermittelten dabei auch einen emotionalen Eindruck über die individuellen Beweggründe und Gedanken aus Sicht der Pflegeeltern.

 

Herr Stalz dankte für den Vortrag und erkundigte sich nach der Anzahl der zur Verfügung stehenden Bereitschaftspflegeeltern in dem Pool und nach diversen Fallzahlen. Zudem bat er um Auskunft, wie die Finanzierung erfolge und ob eine Ausweitung des Pool unter Beteiligung weiterer Städte erwogen werde.

 

Frau Klein-Vehne benannte einige statistische Daten seit 2014, die zusammenfassend kurz dargestellt werden:

 

Gesamtzahl Bereitschaftspflege:                               66 Kinder

davon Stadt Kamen:                                                   22 Kinder

 

Durchschnittliches Kindesalter:                                  46 Monate

Durchschnittliche Verweildauer:                                 79 Tage

 

 

Verbleib der Kinder/Rückführungen

Familie:                                                                       30 Kinder

Mutter-Kind-Einrichtung                                                5 Kinder

Pflegefamilien                                                             15 Kinder

Jugendhilfeeinrichtung                                                  6 Kinder

 

Anzahl der Bereitschaftspflegefamilien im Pool           6 Familien

davon ruhend bzw. in Vorbereitung                              2 Familien

 

Zuständig für die Finanzierung sei jeweils die Stadt, in der das Kind zuletzt wohnte. Es erfolge eine gegenseitige Abrechnung. Das System sei nicht statisch, sondern könnte den Gegebenheiten angepasst werden. Frau Klein-Vehne gab zu bedenken, dass eine strukturelle Erweiterung des Bereitschaftspflegepools auch ein höheres Maß an Ressourcen binden würde. Dies sei unter den derzeitigen Bedingungen praktisch nicht durchführbar.

 

Herr Dunker ergänzte, dass die Kolleginnen ein intensives Verhältnis zu den Eltern aufbauen würden. Eine intakte Vertrauensbasis sei entscheidend für ein gutes Gelingen. Hier könnte sich eine räumliche Erweiterung durchaus kontraproduktiv auswirken.

 

Die Qualität der Beratung liege insbesondere auch in der Nähe zu den Akteuren. Eine passgenaue Vermittlung resultiere von der Kenntnis der Kinder und Familien. Ein Mehrwert durch eine Erweiterung sei unter den derzeitigen Voraussetzungen nicht erkennbar, so Frau Kappen.

 

Herr Eisenhardt erkundigte sich nach den grundlegenden Voraussetzungen, die eine angehende Pflegefamilie erfüllen sollte und ob Möglichkeiten bestünden, das Betreuungsverhältnis in ein Dauerpflegeverhältnis umzuwandeln, beispielsweise wenn die gegenseitigen Bindungen stark ausgeprägt seien.

 

Frau Schimanski erklärte, dass sich derzeit ausschließlich Familien und keine Einzelper­sonen im Pool befänden. Familie sei bei der Auswahl von Bereitschaftspflegepersonen kein feststehendes Kriterium, sondern die Gesamtumstände müssten stimmig sein. Entscheidend sei vielmehr die individuelle persönliche Eignung im Kontext mit wichtigen anderen Aspekten. 

 

Frau Klein-Vehne berichtet, dass es im Pflegekinderdienst immer wieder Fälle gäbe, dass Pflegeeltern die anvertrauten Kinder dauerhaft betreuen wollten. Hier müsse das Fachteam äußerst einzelfallbezogen und mit einem hohen Maß an Beratungskompetenz und Empathie lösungsorientiert handeln.

 

Frau Kappen ergänzte, dass die Grundhaltung schon die sei, vorübergehend ein Kind in die Familie aufzunehmen. Eine Richtungsänderung sei daher die Ausnahme und würde bei Eintritt entsprechend professionell begleitet.

 

Auch Frau Zühlke erkundigte sich nach den grundsätzlichen Voraussetzungen, die von einer Bereitschaftspflegefamilie erwartet würden. Sie denke dabei insbesondere auch an die zeitlich begrenzten Ressourcen, z.B. wenn die Personen beruflich gebunden wären. Parallel noch Möglichkeiten für eine qualitativ gute Betreuung im Rahmen der Bereitschaftspflege zu eröffnen, sei bemerkenswert.

 

Frau Schimanski hob das Erfordernis hervor, dass die gesamte Familie hinter dem Projekt stehen müsse, da auch sämtliche Mitglieder von den Veränderungen betroffen wären. In der Praxis organisierten sich die Beteiligten im Rahmen ihrer Möglichkeiten, so dass auch eine Berufstätigkeit nicht grundsätzlich dem Wunsch nach der Tätigkeit als Pflegefamilie ent­gegenstehe. Jedoch würde auf die Gegebenheiten des Einzelfalles abgestellt.

 

Frau Kappen gab den Hinweis, dass die Kinder meist aus einer Mangelsituation heraus zu den Pflegefamilien kämen. Eine umfassende intensive Betreuung müsse sichergestellt sein. Weitere negative Kinderfahrungen, dazu zählen auch ständig wechselnden Bezugsper­sonen, müssten ausgeschlossen werden.