Aussagen des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV)

 

In Nachgang zu der Sitzung des Umwelt- und Klimaschutzausschusses am 16.03.2023 sowie zu den mit Schreiben vom 06.04.2023 übermittelten „ergänzenden Informationen“ werden nachfolgend die Rückmeldungen des LANUV gegeben:

 

PFAS ist eine Abkürzung für per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen. Diese Stoffgruppe umfasst aktuell mehrere tausend Verbindungen und war früher auch unter der Bezeichnung "PFC" (perfluorierte Chemikalien) oder "PFT" (perfluorierte Tenside) bekannt. PFOS und PFOA gehören dazu.

 

Seit dem Jahr 2006 wurden in Nordrhein-Westfalen umfassende Maßnahmen zur Reduzierung von PFAS-Belastungen in der Umwelt entwickelt und umgesetzt.

Ausführliche Informationen zu den einzelnen Daten und Erhebungen sind zu finden unter https://www.lanuv.nrw.de/umwelt/gefahrstoffe/pfas

 

Belastete Klärschlämme, die im Jahr 2006 auf landwirtschaftlichen Flächen als Dünger aufgebracht wurden, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Gewässer, waren der Ausgangspunkt für eine ganze Reihe von Maßnahmen, die das Land NRW initiierte. In diesem Zuge baute das LANUV ein Messnetz auf, um mögliche Belastungen in den Abwässern, Oberflächengewässern und im Grundwasser nachvollziehbar zu machen, damit darauf aufbauend die Vollzugsbehörden entsprechende Maßnahmen veranlassen können.

 

Das Messnetz steht und die einzelnen Daten werden frei verfügbar der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt unter:

https://www.elwasweb.nrw.de/elwas-web/index.xhtml#.

 

Aus dieser Datenbank stammen laut LANUV vermutlich die einzelnen Messwerte, die das Recherchekollektiv für seine Kartenanwendung genutzt hat. Welche einzelnen Messstellen vom Recherchekollektiv verwendet worden sind und welcher einzelne Wert zu welchem Zweck in dieser Karte zu finden ist, kann vom LANUV nicht ohne weitere Recherchen nachvollzogen werden. Die genannten Werte sind vom LANUV nur schwer nachzuprüfen, da genauere Angaben zu den einzelnen Messstellen und der jeweiligen Örtlichkeit fehlen.

 

Das LANUV hat in Kamen 2020 die Körne oberhalb des Massener Baches untersucht. In 42 von 51 Analysen wurden hier keine PFAS nachgewiesen. Die höchste Konzentration wurde im Januar 2020 mit 6 Nanogramm pro Liter gefunden. In der Seseke oberhalb von Kamen wurden ebenfalls im Jahr 2020 in 41 von 50 Analysen keine PFAS nachgewiesen. Allerdings gab es hier einen Höchstwert von 321 Nanogramm pro Liter im August 2020.

 

Das langfristig anzustrebende Mindestqualitätsziel der Trinkwasserkommission ist der Höchstwert von 100 Nanogramm pro Liter für die Summe aller PFAS. Der Wert dient dem Reinheitsanspruch gemäß DIN 2000 für Trinkwasser sowie dem hygienischen Prinzip der Minimierung vermeidbarer Belastungen im Trinkwasser.

 

Höhere Messwerte sind zum Beispiel aus Köln und Düsseldorf bekannt, hier wurden unter anderem Allgemeinverfügungen erlassen, die eine Grundwasserentnahme untersagen.

 

Auch in Kamen werden bei einer festgestellten erhöhten Grundwasser- oder Bodenbelastung Maßnahmen ergriffen, die Entnahmen untersagen sobald eine evtl. Gefährdung vorliegt. So wird verhindert, dass Boden- und Grundwasserschadstoffe in die Nahrungsmittelkette oder/und in den menschlichen Körper gelangen.

Beispiel: Innerhalb der Festsetzungen im Bebauungsplan 50e Ka im Bereich der ehemaligen Zeche Monopol ist die Bodennutzung teilweise eingeschränkt und die Entnahme von Grundwasser u.a. auch in allen Privatgartenbereichen an der Lünener Straße untersagt. Unter den Punkten Nr. 12 und Nr. 14 der textlichen Festsetzungen heißt es:

 

Nr. 12 „Im Bereich der Gartengrundstücke der Gebäude Lünener Straße 208a und 209 ist aufgrund des Schadstoffgehaltes des Bodens die Anlage von Nutzgärten und Kinderspiel-

flächen sowie Eingriffe in den Boden untersagt.“

 

Nr. 14 „Aufgrund der Boden- und Grundwasserbelastung ist die Grundwasserentnahme für Trink- und Brauchwassernutzung (z.B. Gartenbewässerung oder Wärmepumpen) unzulässig.“ Diese Festsetzung gilt für den gesamten Bereich des Bebauungsplanes.

 

Neben dem erwähnten Klärschlamm sind weitere Ursachen für PFAS-Belastungen in Oberflächengewässern und Grundwasser Abwassereinleitungen sowie punktuelle Einträge aufgrund von Altlasten <https://www.lanuv.nrw.de/umwelt/bodenschutz-und-altlasten/altlasten> oder schädlichen Bodenveränderungen beispielsweise aufgrund von Galvanikbetrieben, Altablagerungen oder der Umgang mit PFAS-haltigen Löschmitteln. Löschmittel können auch heute noch PFAS-Verbindungen beinhalten. Diese PFAS-Verbindungen können dann auch über den belasteten Boden in das Grundwasser gelangen:

 

https://www.lanuv.nrw.de/umwelt/gefahrstoffe/pfc/loeschschaummittel

 

PFAS wird daher nicht nur in Gewässern gefunden, sondern auch im Boden. Mit PFAS belastete Böden werden vom LANUV ebenfalls erfasst. Die letzte Erhebung wurde 2021 abgeschlossen, die Ergebnisse finden Sie hier:

https://www.lanuv.nrw.de/fileadmin/lanuv/boden/uploads/PFAS-Bestandsaufnahme_Bericht_f%C3%BCr_Homepage.pdf

 

PFAS-Verbindungen können krebserregend wirken und reichern sich im menschlichen Körper an. Je mehr wir also über unsere Lebensmittel an PFAS-Verbindungen aufnehmen, desto höher kann das Krebsrisiko sein. Daher gilt hier der Ansatz des vorsorgenden Verbraucherschutzes: Vorsorgewerte werden so niedrig festgesetzt, dass eine lebenslange Aufnahme keine Schäden verursachen sollte.

 

Für das Trinkwasser der LANUV in Nordrhein-Westfalen bestätigen, dass dieses sicher ist. Die PFAS-Vorsorgewerte gelten bereits für das Rohwasser welches entnommen wird, um daraus Trinkwasser zu generieren. Trinkwasser wird durch aufwendige Filtration extra aufbereitet und durch stetige Laboranalysen geprüft, um sicherzustellen, dass alle Grenzwerte eingehalten werden.

 

Verzehrempfehlungen gibt es derzeit für Fische, die aus besonders belasteten Gewässern entnommen (geangelt) werden:

https://www.lanuv.nrw.de/umwelt/gefahrstoffe/pfc/pfc-in-lebensmitteln-und-fischen

 

Nach eigener Aussage weiß das LANUV durch die vielen Jahre der Erhebungen und des langjährigen Monitorings recht viel über die einzelnen Belastungsschwerpunkte. Damit wird es den Genehmigungs- und Überwachungsbehörden in NRW ermöglicht, Sanierungs-maßnahmen anzugehen oder Auflagen für Industrieprozesse zu verfügen.

 

Die Bewertung und die Maßnahmen zur Seseke sind im Steckbrief für das Einzugsgebiet der Lippe auf den Seiten 130 ff. zu finden und sind der Mitteilungsvorlage als Anlage beigefügt.

Link: https://www.flussgebiete.nrw.de/bewirtschaftungsplan-2022-2027-fuer-nrw-9180

 

 

Hier heißt es z. B.:

"Aufgrund der insgesamt hohen Prägung der Planungseinheit durch den Menschen und den damit einhergehenden biologischen und stofflichen Defiziten in den Gewässern sind Programmmaßnahmen für verschiedene Belastungsfaktoren kausal abgeleitet worden. Um die Bewirtschaftungsziele erreichen zu können, sind insbesondere Maßnahmen zur Ertüchtigung von kommunalen Kläranlagen, zur Verbesserung der Qualität von Niederschlagswassereinleitungen und Grubenwassereinleitungen, zur Erweiterung der Kanalnetze im Außenbereich, zur Verringerung von landwirtschaftlichen Einträgen sowie zur Verbesserung der Gewässerstrukturen an den betroffenen Oberflächenwasserkörpern notwendig."

 

Bei der Ertüchtigung von Kläranlagen geht es vor allem um die Vermeidung des Eintrags von so genannten Spurenstoffen oder auch Mikroschadstoffen in die Umwelt. Dazu gehören auch die PFAS.

 

Nordrhein-Westfalen verfolgt zur Reduzierung des Eintrags von Spurenstoffen in die Gewässer seit langem einen umfassenden Maßnahmenansatz: von der Quelle, bei der Anwendung, bis hin zu nachgeschalteten Maßnahmen an Kläranlagen. Das Vorgehen basiert auf den Erkenntnissen aus dem Programm „Reine Ruhr“ (2008) und deckt sich mit den Anforderungen aus dem Stakeholderdialog zur bundesweiten Spurenstoffstrategie.

 

Kommunale Kläranlagen stellen einen relevanten Eintragspfad für den Eintrag von Mikroschadstoffen in die aquatische Umwelt dar. Insbesondere der Einsatz von Arzneimitteln wird aufgrund der weiträumigen Anwendung u.a. in vielen privaten Haushalten nicht generell an der Quelle zu verhindern sein, daher sind am Ende der Kette auch Maßnahmen der Abwasserbehandlung erforderlich.

 

Bei kommunalen Kläranlagen wird in NRW nicht überall die Anforderung erhoben, den Eintrag von Mikroschadstoffen über eine zusätzliche Reinigungsstufe zu reduzieren, sondern dort, wo es die Belastung des Gewässers nach derzeitigem Kenntnisstand erfordert (sogenannte Belastungsschwerpunkte).

Bereits im 2. Bewirtschaftungsplan nach der Wasser-Rahmenrichtlinie (2016 - 2021) wurde die Reduzierung des Eintrags von Mikroschadstoffen in NRW zur Zielerreichung berücksichtigt. Für die Ausweisung von Maßnahmen wurde schrittweise vorgegangen: basierend auf der Belastungssituation im Gewässer wurde in einer Machbarkeitsstudie geprüft, welche technischen Möglichkeiten für den Kläranlagenstandort geeignet sind. Basierend auf dem Ergebnis der Machbarkeitsstudie sollte dann eine Bewertung erfolgen, ob die Ertüchtigung der kommunalen Kläranlage eine geeignete Maßnahme zum Erreichen des guten Zustandes sei. Im Maßnahmenprogramm wurde daher in der Regel die Programmmaßnahme 501 Machbarkeitsstudie in Kombination mit der Programmaßnahme 4 Ausbau der Kläranlage zur Reduzierung sonstiger Stoffe (mit dem Hinweis bei Erfordernis) gesetzt.

Für den Maßnahmenbedarf für den 3. Bewirtschaftungsplan (2022 – 2027) wurde in NRW auf diesen Informationen des -Maßnahmenprogramms aus dem zweiten Bewirtschaftungsplans, der aktuellen Bestandsaufnahme, den aktuellen Erkenntnissen über ökotoxikologische und humantoxische Wirkungen von Mikroschadstoffen sowie den vorliegenden Erkenntnissen zur Kausalität im konkreten Fall aufgesetzt.

 

Stand und Entwicklung des Kläranlagenausbaus:

Die heute konventionell eingesetzte mechanisch-biologische Abwasserbehandlungstechnologie ist nicht darauf ausgelegt, Mikroschadstoffe aus dem Abwasser zu entfernen. Auch wenn einige Substanzen durch ein konventionelles Verfahren zurückgehalten werden können, werden viele andere Mikroschadstoffe nicht oder nur wenig reduziert. Für den Ausbau kommunaler Kläranlagen zur Mikroschadstoffreduzierung gilt als aktuell angewandter Stand der Technik die Ozonung, der Einsatz von Aktivkohle oder daraus kombinierte Verfahren. Auch die Kombination Aktivkohle mit der Membrantechnologie ist bereits im praktischen Einsatz.

Eine weitergehende Abwasserbehandlung zur Mikroschadstoffreduktion in kommunalen Kläranlagen erlaubt die verbesserte Reduktion einer großen Anzahl von Stoffen (Breitbandwirkung). Außerdem können je nach Verfahren zusätzliche Synergien mit anderen Reinigungsanforderungen (z. B. weitergehende Phosphorelimination, Verbesserung der hygienischen Ablaufqualität des Abwassers) erreicht werden.

Aktuell sind 19 Kläranlagen mit einer Reinigungsstufe zur Mikroschadstoffreduzierung in Betrieb; 28 weitere sind in Planung bzw. im Bau.

Bislang erfolgte der Ausbau von Kläranlagen zur Mikroschadstoffreduzierung freiwillig und in der Regel mit finanzieller Unterstützung des Landes.

 

Am 26.10.2022 hat die Europäische Kommission als Bestandteil der Legislativvorschläge zur Umsetzung des Aktionsplans für eine schafstofffreie Umwelt vom 12.05.2021 einen Vorschlag für eine Neufassung der Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser aus dem Jahre 1991 vorgelegt. Mit der Vorlage des Entwurfs startet das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren. Das Ziel der Richtlinie wird deutlich weiter gefasst als bisher und soll neben dem Umweltschutz auch den Gesundheitsschutz und die Energie- und Klimapolitik umfassen. Zur Reduzierung des Eintrags von Mikroschadstoffen soll der Ausbau für große kommunale Kläranlagen dann verpflichtend eingeführt werden.

 

 

Die einzige dauerhaft wirksame Maßnahme zur Vermeidung weiterer Belastungen liegt laut LANUV im Verbot von weiteren PFAS-Verbindungen. Das LANUV begrüßt daher die Bestrebungen der EU, genau an solchen Verboten anzusetzen.