hier: Bericht der Verwaltung
Nach der Beratung zweier themenbezogener Anträge der Fraktion Bündnis
90/Die Grünen hat der Umwelt- und Klimaschutzausschuss in seiner Sitzung am
18.02.2016 die Verwaltung mit der Prüfung beauftragt,
- ob und inwieweit die Stadt Kamen Säume
und Feldraine, Flächen in kommunalen Parks und Grünanlagen sowie kommunale
Flächen an Waldrändern und Agrarbereichen vermehrt zum Schutz von Wild-
und Honigbienen nutzen und mit heimischen Wild- und Blühpflanzen bestücken
kann und…
- inwieweit Pachtverträge (der Stadt
Kamen) über landwirtschaftliche Flächen bei Neuabschluss bzw. Verlängerung
derart zu gestalten sind, dass für Honigbienen schädliche Anbaumethoden
ausgeschlossen sind und wie diese Verträge in beiderseitigem Einvernehmen
rechtsverbindlich abgeschlossen werden können. Dabei sind rechtliche Grundlagen
aller Ebenen zu prüfen.
Zu 1.
Artenreiche, mehrjährige Säume und Feldraine
dienen idealerweise dem Biotopverbund und sind Nahrungs-, Fortpflanzungs- und
Überwinterungshabitate für Bestäuber und andere Nützlinge. Sie bieten Vögeln,
Feldhasen, Kleinsäugern und Insekten einen Rückzugsraum und erfüllen weitere
wichtige Ökosystemdienstleistungen, wie z. B. Erosionsschutz. Darüber hinaus
bereichern sie durch ihren Blühaspekt das Landschaftsbild und erhöhen so die
Lebensqualität.
Nach Rücksprache mit der Biologischen Station Kreis Unna/Dortmund und
nach Angaben in der Fachliteratur (u.a. Praxisleitfaden zur Etablierung und
Aufwertung von Säumen und Feldrainen; Projektgemeinschaft ProSaum – Hochschule
Anhalt/Hochschule Osnabrück, 2014) sind bei der Anlage und Pflege artenreicher
Säume und Feldraine einige Punkte von Bedeutung. So können artenreiche Säume
und Feldraine bei verschiedenen Ausgangsbedingungen angelegt werden:
- entlang landwirtschaftlicher Flächen
(Äcker, Wiesen und Feldwege),
- an sonnigen Standorten vor Hecken oder
Waldrändern,
- im innerstädtischen Bereich (z. B. an Wegrändern, an Gewässerläufen,
in Parkanlagen, auf Schulhöfen oder Friedhöfen).
Die ausgewählten Flächen sollten eine Mindestbreite von 3 m aufweisen.
Schmale Säume und Wegraine sind anfälliger für randliches Befahren (Wegseite),
randliche Bodenbearbeitung und Herbizideintrag (Ackerseite) sowie für die
Einwanderung unerwünschter Arten (z. B. Quecke, Brennessel).
Geeignet sind wenig
trittbelastete, ausreichend große, möglichst mit anderen Lebensräumen vernetzte
und sonnige Standorte. Der Boden ist im Idealfall nährstoffarm und gut
wasserdurchlässig.
Für eine erfolgreiche Ansaat ist ein offener Boden wichtig und es
sollte ein hochwertiges Saatgut aus heimischen und standortgerechten Arten
verwendet werden.
Bei der Flächenpflege ist unter Berücksichtigung der jeweiligen
Bodenqualität und der umgebenden Vegetation der richtige Schnittzeitpunkt und
die Schnitthäufigkeit festzulegen - von 1 mal auf sehr mageren Standorten
(Magerrasen, Verkehrsinseln etc.) bis maximal 3 mal auf fetten Standorten.
Besonders günstig für die Insektenwelt ist eine abschnittsweise Mahd. Dafür
kann z. B. die Hälfte des Saumes bereits Mitte Mai und die andere Hälfte Mitte
Juni gemäht werden.
Die Entwicklung der
Zielvegetation benötigt Zeit, bis zu einer stabilen Pflanzengesellschaft meist
mehrere Jahre. Der Erfolg ist frühestens im zweiten oder dritten Jahr zu
erkennen.
Ohne zum jetzigen Zeitpunkt alle städtischen Grünflächen überprüft zu
haben ist festzustellen, dass es sowohl in der Ortslage als auch im Freiraum
des Kamener Stadtgebietes geeignete Flächen für die Anlage artenreicher Säume
und Feldraine gibt.
Exemplarisch sind zu nennen:
Straßensaum Auf dem Spiek/südlich A 2; Grünfläche (GF) östlich des
Parkhauses am Bahnhof; GF Ludwig-Schröder-Str./JFZ; Koppelteichpark; Eilater
Weg/Höhe Gartenstadt; GF Lindenallee/gegenüber Wanderparkplatz; GF zwischen
Westicker Str. und ev. KiTa Otto-Prein-Str.; Waldsaum am Jägerweg/kurz vor
Stadtgrenze DO; Saum zwischen Aufforstungsfläche und Segelflugplatz Derner
Str.; Wiese westlich Meisenwinkel; Wiese zwischen Friedhof Südkamen und
Horsthof; Wiese Dortmunder Allee/nördlich Sparkassenfiliale.
Eine Kostenabfrage bei einem externen Gartenbaubetrieb hat für die
Herstellung einer 500 m² großen Fläche im Freiraum rund 3.700 € ergeben. Die
jährlichen Folgekosten für Mahdarbeiten (2 Schnitte) liegen demnach bei etwa
400 €.
Der oben beschriebene Aufwand für die Herstellung und Pflege
zahlreicher artenreicher Säume ist aus Mitteln der Servicebetriebe bzw. mit dem
derzeit zur Verfügung stehenden Personal und Gerät nicht zu leisten. Priorität
hat die Gewährleistung der Verkehrssicherheit.
Nach derzeit vorliegenden Informationen ist eine finanzielle Förderung
der Anlage artenreicher Grünflächen aus Landes- oder EU-Mitteln (FöNa-,
ELER-Programm) in bestimmten Fällen und räumlichen Lagen möglich – mit einer
Förderquote von 70 bzw. 80%. Zur Feststellung der Förderfähigkeit und des
-umfanges bedarf es zunächst einer Detailabstimmung mit der Bezirksregierung
Arnsberg auf der Grundlage einer ausführlichen Konzeption.
Parallel bietet sich an, den aktuell der Stadt zur Verfügung stehenden
Betrag aus dem GSW-Ökostromfonds für die Herstellung von ca. 3 Flächen der oben
genannten Größenordnung zu nutzen (zur Erklärung: Seit Einführung des
Stromproduktes GSW Strom Natur Plus
vor etwa 8 Jahren fließen pro verkaufter Kilowattstunde 0,50 Cent in den
GSW-Ökostromfonds). Auf diesem Wege könnte die Stadt zeitnah mit der Anlage
artenreicher Säume beginnen und Erfahrungen im Umgang mit den Flächen und
hinsichtlich der tatsächlichen Kosten sammeln.
In diesem Zusammenhang sollte außerdem die
Öffentlichkeit informiert und insbesondere die Grundstückseigentümer und
Landwirte auf freiwilliger Basis für die Anlage weiterer artenreicher
Blühflächen gewonnen werden. Im Rahmen
der durch die EU geförderten und die Bundesländer umgesetzten
Agrarumweltmaßnahmen wird die Anlage mehrjähriger Blühstreifen auf landwirtschaftlich
genutzten Flächen gefördert (Ansprechpartner: Landwirtschaftskammer und Kreis).
Während der Befassung mit dem Thema hat die Verwaltung auch mit anderen
Akteuren (Stadtentwässerung Kamen, Kreis Unna, Lippeverband) Kontakt
aufgenommen und um Prüfung gebeten, ob in deren Zuständigkeitsbereich liegende
Flächen ggfls. auch für die Anlage artenreicher Säume in Frage kommen.
In ihren Stellungnahmen unterstützen die Akteure das Ziel, die
Biodiversität durch die Anlage artenreicher Säume und Blühstreifen im
Stadtgebiet zu fördern. Im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben, bestehender
Restriktionen (z.B. wasserwirtschaftliche Belange, Verkehrssicherungspflicht,
Nachbarschaftsrecht) und Möglichkeiten würden dazu bereits Anstrengungen
unternommen und Flächen unter Naturschutzgesichtspunkten entwickelt und
extensiv gepflegt. Außer bei der erstmaligen Herstellung einer Fläche (zuletzt
z.B. im Rahmen der Sesekerenaturierung) wird in der Regel aber keine Neueinsaat
vorgenommen, sondern das vor Ort vorhandene Pflanzenspektrum genutzt und durch
eine extensive und abschnittsweise Pflege weiterentwickelt.
Zu 2.
Aus Sicht der
Verwaltung ist vor dem Hintergrund der Vertragsfreiheit eine Regelung, wie sie
der Prüfauftrag beinhaltet, in landwirtschaftlichen Pachtverträgen möglich.
Eine solche Regelung sollte aus hiesiger Sicht aber einvernehmlich mit dem
Pächter zustande kommen. Hierbei ist zu berücksichtigten, dass es bereits
weitreichende gesetzliche Regelungen bezüglich der Anwendung von
Pflanzenschutzmittel gibt (siehe unten - Stellungnahme der Landwirtschaftskammer
NRW (Kreisstelle in Unna). Aus Sicht der Verwaltung machen daher zusätzliche
Pachtauflagen wenig Sinn. Gentechnisch verändertes Saatgut ist in städtischen
Verträgen bereits ausgeschlossen.
Die in die Fragestellung eingebundene Landwirtschaftskammer NRW
(Kreisstelle in Unna) und das Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
Institut für Bienenschutz - Untersuchungsstelle für Bienenvergiftungen
(Braunschweig) haben der Verwaltung mitgeteilt, dass das deutsche
Bienenmonitoring (DeBiMo; https://bienenmonitoring.uni-hohenheim.de/)
zu dem Ergebnis kommt, dass die als „Bienensterben“ bekannt gewordenen
periodisch auftretenden erhöhten Überwinterungsverluste in Deutschland
hauptsächlich durch die unzureichende Bekämpfung der Varroa-Milbe verursacht
werden. Ein Zusammenhang von Überwinterungsverlusten und der Nähe zu landwirtschaftlich
intensiv genutzten Kulturen wie z.B. Raps konnte nicht nachgewiesen werden.
Die Anwendung von
Pflanzenschutzmittel ist gesetzlich geregelt, der amtliche Pflanzenschutzdienst
kontrolliert die Anwendung und geht Anzeigen nach, die Anwender müssen ihre
Sachkunde nachweisen und der Bienenschutz ist durch die Bienenschutzverordnung
streng geregelt. Bei einer sach- und fachgerechten Anwendung von
Pflanzenschutzmitteln ergebe sich keine Gefährdung von Bienen. Zusätzliche
Pachtauflagen seien nicht notwendig und nicht gerechtfertigt, da ein strenger
rechtlicher Rahmen bestehe. Zu den effektivsten Maßnahmen zur Förderung
insbesondere von wildlebenden Bestäuberinsekten gehöre daher die Bereitstellung
von naturnahen Blühflächen sowie natürlichen Nistmöglichkeiten. Zum städtischen
Verbot des Anbaus von "gentechnisch veränderten Pflanzen" wird
ergänzt, dass aktuell keine gentechnisch veränderten Pflanzen, z.B. Raps, zum
Anbau zugelassen sind.