Sitzung: 06.12.2012 Rat der Stadt Kamen
Beschluss:
Die Bürgeranregung zur Verfahrensänderung im Asylbereich wird abgelehnt.
Abstimmungsergebnis: bei 3 Enthaltungen und 2 Gegenstimmen mehrheitlich angenommen
Herr Mösgen referierte anhand einer Präsentation (siehe Anlage 1) zu den im Bürgerantrag angesprochenen Verfahrensaspekten im Asylbereich.
Nachdem er zunächst die wesentlichen Rechtsgrundlagen für das Asylverfahren aufzeigte, stellte er anhand eines Schaubildes die möglichen Verläufe eines Asylantrages dar. Dabei wies er darauf hin, dass die entstandenen Kosten bis zur Anerkennung des Asylsuchenden vom Land erstattet würden.
Sollte eine Identitätsklärung aufgrund fehlender Mitwirkung des Asylsuchenden nicht möglich sein, würden gemäß § 1 a Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) Leistungskürzungen vorgenommen und statt Geldleistungen Gutscheine ausgegeben.
In den Fällen, in denen die Identitätsklärung erfolgreich gewesen sei, werde bezüglich der Gewährung von Leistungen zum Lebensunterhalt nach der Dauer des Asylverfahrens entschieden. Bis zu 48 Monaten werden Geldleistungen gemäß § 3 AsylbLG und danach gemäß § 2 AsylbLG gewährt.
Insgesamt würde der städtische Haushalt mit jährlich ca. 350.000 Euro für Leistungen zum Lebensunterhalt und Kosten der Unterkunft belastet.
In einer Übersicht stellte er die verschiedenen Nationalitäten der Leistungsempfänger dar. Er informierte, dass zurzeit in 7 Fällen an Leistungsempfänger aus Bangladesch, Burundi, China, Indien, Iran, Libanon und Marokko aufgrund des § 1 a AsylbLG Gutscheine ausgegeben würden.
Zum ersten Aspekt der Bürgeranregung, Geldleistungen anstelle von Sachleistungen zu gewähren, führte der Kämmerer aus, dass das AsylbLG den Vorrang der Sachleistungen in § 3 Absatz 2 Satz 1 vorsehe. Die Rechtmäßigkeit dieser Regelung sei durch die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes bestätigt worden. In Kamen sei es Praxis, Geldleistungen zu gewähren. Nur in Ausnahmefällen, in denen die Asylsuchenden nicht bei der Identitätsklärung mitwirkten, würden die Leistungen in Form von Wertgutscheinen gewährt. Dies sei aktuell in 7 Fällen so. In diesem Zusammenhang wies er auf die entsprechenden Sanktionsmöglichkeiten im Rahmen des SGB II – Leistungsbezuges hin. Dort sei bei wiederholter Pflichtverletzung sogar die Einstellung der Leistungsgewährung möglich.
Zur Forderung des Antrages, die medizinische Versorgung zu verbessern, stellte er vor allem den Service und die Hilfefunktion der jetzigen Praxis, Krankenscheine auszugeben, in den Vordergrund. Damit werde Asylsuchenden bei Sprachproblemen und der Suche nach dem richtigen Facharzt geholfen. Die Grundversorgung sei in allen Fällen sichergestellt. Es seien keinerlei negative medizinische Auswirkungen durch die Ausgabe von Krankenscheinen ersichtlich.
Zur Frage der Unterbringung in Wohnungen anstelle von kommunalen Übergangswohnheimen informierte Herr Mösgen zunächst darüber, dass das Asylverfahrensgesetz in § 53 als Regelfall bis zur Anerkennung der Asylsuchenden die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften vorsehe.
In den hiesigen Gemeinschaftsunterkünften im Mausegatt sei insgesamt Platz für bis zu 215 Personen. Zurzeit seien dort 81 Personen untergebracht, wovon 55 Personen Leistungen nach dem AsylbLG bezögen. Somit würden einige Asylbewerber auch nach Beendigung des Asylverfahrens weiter in den Gemeinschaftsunterkünften leben, was zeige, dass die Kritik an der Art der Unterbringung nicht berechtigt sei. Soweit möglich, werde bei der Unterbringung immer versucht, die einzelnen Bedürfnisse der Bewohner zu berücksichtigen.
Sofern die Voraussetzungen des § 2 AsylbLG vorliegen, würde privater Wohnraum angemietet. Dies sei derzeit bei 21 Personen der Fall.
Eine unmittelbare weitergehende Änderung der Unterbringungspraxis sei nur schwer vorstellbar. Er zeigte auf, dass für die Häuser im Mausegatt noch Belastungen i.H.v. insgesamt 2 Mio. Euro bestünden, die sich aus den Restbuchwerten und Fördergeldern zusammensetzten. Zudem befürchtete er, dass es nicht einfach sein werde, die Häuser zu veräußern.
Im Fazit seien die in der Bürgeranregung geforderten Verfahrensänderungen im Asylbereich aus Sicht der Verwaltung nicht begründet.
Frau Dyduch
bedankte sich für die umfangreichen Informationen. Sie habe keine Zweifel, dass
alle Entscheidungen und Handlungen der Mitarbeiter in diesem Bereich nicht
willkürlich sondern ausschließlich gesetzeskonform erfolgten. Positiv
bewertete sie mit Blick auf die medizinische Versorgung die Begleitung und
Beratung durch die Verwaltung. Aufgrund der überschaubaren Größe der Stadt
könnten die individuellen Bedürfnisse, beispielsweise bei der Wohnsituation,
im Rahmen des Möglichen berücksichtigt werden.
Im Ergebnis würde daher die Linie der Verwaltung unterstützt. In Richtung der Antragsteller merkte sie kritisch an, dass es wünschenswert gewesen wäre, wenn vor Antragstellung erst das Gespräch mit der Verwaltung gesucht worden wäre.
Frau Scharrenbach brachte ihre Verärgerung über einige Formulierungen, die der Antrag enthalte zum Ausdruck. Die Aussage, dass die Asylsuchenden in „menschenunwürdigen“ Unterkünften untergebracht seien, sei nicht akzeptabel.
Die CDU-Fraktion schließe sich ebenfalls der Verwaltungslinie an und lehne den Antrag ab.
Herr Grosch verdeutlichte, dass die Antragsteller in diesem Bereich Fachkunde besäßen, weil sie bereits seit vielen Jahren in der Flüchtlingsarbeit tätig seien. Zudem habe man sich vor einiger Zeit selbst vor Ort und in Gesprächen ein Bild von der Situation in den Unterkünften im Mausegatt gemacht. Ein daraufhin mit Herrn Mösgen seitens seiner Fraktion geführtes Gespräch habe den Eindruck vermittelt, dass es notwendig sei, einen solchen Antrag zu stellen.
Dem Bericht der Verwaltung habe er entnommen, dass die Anzahl der Personen mit gekürzten Leistungen seit dem Gespräch zurückgegangen sei.
Nach dem Hinweis auf den sich heute zum 20. Mal jährenden Asylkompromiss, aus dem im Jahr 1993 das Asylbewerberleistungsgesetz hervorgegangen sei, erinnerte Herr Grosch an das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das die bisherige Leistungshöhe für nicht ausreichend zur Sicherstellung des Existenzminimums erklärt habe. Damit sei zwar das Prinzip der Sachleistungen vom Bundesverfassungsgericht nicht in Frage gestellt worden, zuvor hätten aber bereits andere Gerichtsinstanzen dies bemängelt.
Die Beispiele aus Bremen und Hamburg zeigten, dass es für die Krankenversorgung ein anderes Modell gebe, das für die Leistungsempfänger weniger diskriminierend sei.
Herr Mösgen bezog sich auf das im Mai 2011 geführte Gespräch und führte aus, dass sich zu den dort genannten Daten keine wesentliche Änderung ergeben habe.
Urteile von zwei Sozialgerichten, die zeitlich nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ergangen seien, machten deutlich, dass das Abstandsgebot der §§ 3 und 1 a des Asylbewerberleistungsgesetzes sowie ein Existenzminimum gewahrt bleiben müssten, grundsätzlich jedoch die Möglichkeit, Sachleistung zu gewähren, bestehe.
Herr Blaschke nahm ab
15.40 Uhr an der Sitzung teil.
Herr Gercek zeigte sich verärgert über den allgemeinen Rundumschlag des Antrages, der den Eindruck erwecke, dass die örtlichen Gegebenheiten und die örtliche Praxis nicht angemessen berücksichtigt würden, sondern lediglich die landes- und bundespolitische Diskussion wiedergespiegelt werde.
Frau Schaumann schloss sich den Ausführungen von Frau Dyduch und Frau Scharrenbach an. Zum Thema Sachleistungen hielt sie es für nachvollziehbar, dass in Fällen fehlender Mitwirkung Leistungskürzungen vorgenommen würden. Für Diskussionen zum Existenzminimum sei der Rat der falsche Ort, dies müsse auf Landes- bzw. Bundesebene diskutiert werden.
Herr Grosch verdeutlichte, dass der Antrag aus Diskussionen der letzen 2 Jahre entstanden und noch vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes unterschrieben worden sei. Anhand eines Beispiels veranschaulichte er, dass es Nichtmitwirkungstatbestände gebe, die nicht im Verantwortungsbereich der Asylbewerber lägen.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ziele besonders auf die Asylsuchenden ab, die zum großen Teil bereits länger als 6 Jahre in Deutschland lebten, was über einen vorübergehenden Aufenthalt hinausgehe.
Bezogen auf die Aussage des Kämmerers zur medizinischen Versorgung erkundigte sich Herr Grosch, welche Unterschiede es in der Behandlung der Asylbewerber im Vergleich zu regulär gesetzlich Versicherten gebe.
Herr Mösgen erklärte am Beispiel des Zahnersatzes, dass es bei den medizinischen Leistungen keine wesentlichen Unterschiede gebe. In der Vergangenheit seien bereits teure medizinische Maßnahmen, wie beispielsweise eine Herz-OP, von der Stadt übernommen worden.
Unzweifelhaft sei das Grundrecht auf Asyl ein wichtiges Grundrecht, so werde es in Kamen gesehen und praktiziert. Kürzungen und Gutscheine würden ausschließlich bei Verweigerung der Mitwirkung eingesetzt.
Herr Hupe informierte, dass er selbst mit fünf der sieben Personen, deren Leistungen zurzeit gekürzt würden, gesprochen habe. Man sei diesen Personen in Bezug auf die Aufteilung der Gutscheine und Gewährung der Bekleidungshilfe in Barmitteln entgegengekommen.
Nichtsdestotrotz müsse man die eindeutigen gesetzlichen Vorschriften einhalten. Dabei werde die Sachlage immer mit der nötigen Sensibilität bewertet.
Frau Dyduch zeigte sich darüber verärgert, dass der Antrag als Bühne für bundespolitische Statements benutzt werde. Zudem verwehrte sie sich gegen die Behauptung, dass die Menschenwürde in Kamen mit Füßen getreten werde. Die Ausführungen der Verwaltung hätten gezeigt, dass auf die individuellen Bedürfnisse in Kamen im Rahmen des Möglichen eingegangen werde. Sie bat darum, die gute Arbeit und die Hilfestellungen anzuerkennen.
Auf der anderen Seite habe nicht zuletzt der Steuerzahler den Anspruch auf eine korrekte Umsetzung der Gesetze einschließlich Sanktionen bei fehlender Mitwirkung.
Abschließend machte der Bürgermeister deutlich, dass die Verwaltung empfehle den Antrag abzulehnen.