Beschluss:

 

Die Bürgeranregung zur Verfahrensänderung im Asylbereich wird abgelehnt.


Abstimmungsergebnis: bei 3 Enthaltungen und 2 Gegenstimmen mehrheitlich angenommen


Herr Mösgen referierte anhand einer Präsentation (siehe Anlage 1) zu den im Bürgerantrag an­ge­sprochenen Verfahrensaspekten im Asylbereich.

Nachdem er zunächst die wesentlichen Rechtsgrundlagen für das Asylver­fahren aufzeigte, stellte er anhand eines Schaubildes die möglichen Ver­läufe eines Asylantrages dar. Dabei wies er darauf hin, dass die entstande­nen Kosten bis zur Anerkennung des Asylsuchenden vom Land erstattet würden.

Sollte eine Identitätsklärung aufgrund fehlender Mitwirkung des Asylsuchen­den nicht möglich sein, würden gemäß § 1 a Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) Leistungskürzungen vorgenom­men und statt Geldleistungen Gut­scheine ausgegeben.

In den Fällen, in denen die Identitätsklärung erfolgreich gewesen sei, werde bezüglich der Gewäh­rung von Leistungen zum Lebensunterhalt nach der Dauer des Asylverfahrens entschieden. Bis zu 48 Monaten werden Geld­leis­tungen gemäß § 3 AsylbLG und danach gemäß § 2 AsylbLG gewährt.

Insgesamt würde der städtische Haushalt mit jährlich ca. 350.000 Euro für Leistungen zum Lebensunterhalt und Kosten der Unterkunft belastet.

In einer Übersicht stellte er die verschiedenen Nationalitäten der Leistungs­empfänger dar. Er informierte, dass zurzeit in 7 Fällen an Leistungs­empfän­ger aus Bangladesch, Burundi, China, Indien, Iran, Libanon und Marokko aufgrund des § 1 a AsylbLG Gutscheine ausgegeben würden.

Zum ersten Aspekt der Bürgeranregung, Geldleistungen anstelle von Sach­leistungen zu gewäh­ren, führte der Kämmerer aus, dass das AsylbLG den Vorrang der Sachleistungen in § 3 Absatz 2 Satz 1 vorsehe. Die Recht­mäßigkeit dieser Regelung sei durch die aktuelle Rechtsprechung des Bun­des­verfassungsgerichtes bestätigt worden. In Kamen sei es Praxis, Geld­leis­tungen zu gewähren. Nur in Ausnahmefällen, in denen die Asyl­suchen­den nicht bei der Identitätsklärung mit­wirkten, würden die Leistungen in Form von Wertgutscheinen gewährt. Dies sei aktuell in 7 Fällen so. In diesem Zusammenhang wies er auf die entsprechenden Sanktions­möglich­keiten im Rahmen des SGB II – Leistungsbezuges hin. Dort sei bei wieder­holter Pflichtverletzung sogar die Einstel­lung der Leistungsge­wäh­rung möglich.

Zur Forderung des Antrages, die medizinische Versorgung zu verbessern, stellte er vor allem den Service und die Hilfefunktion der jetzigen Praxis, Kran­kenscheine auszugeben, in den Vorder­grund. Damit werde Asyl­suchen­den bei Sprachproblemen und der Suche nach dem rich­tigen Facharzt geholfen. Die Grundversorgung sei in allen Fällen sicher­ge­stellt. Es seien keiner­lei negative medizinische Auswirkungen durch die Aus­gabe von Krankenscheinen ersicht­lich.

Zur Frage der Unterbringung in Wohnungen anstelle von kommunalen Über­gangswohnheimen informierte Herr Mösgen zunächst darüber, dass das Asylverfahrensgesetz in § 53 als Regelfall bis zur Anerkennung der Asylsuchenden die Unterbringung in Ge­mein­schaftsunterkünften vor­sehe.

In den hiesigen Gemeinschaftsunterkünften im Mausegatt sei insgesamt Platz für bis zu 215 Per­sonen. Zurzeit seien dort 81 Personen unterge­bracht, wovon 55 Personen Leistungen nach dem AsylbLG bezögen. Somit würden einige Asylbewerber auch nach Beendigung des Asyl­verfahrens weiter in den Gemeinschaftsunterkünften leben, was zeige, dass die Kritik an der Art der Unterbringung nicht berechtigt sei. Soweit mög­lich, werde bei der Unterbringung immer versucht, die einzelnen Bedürf­nisse der Bewoh­ner zu berücksichtigen.

Sofern die Voraussetzungen des § 2 AsylbLG vorliegen, würde pri­vater Wohnraum ange­mietet. Dies sei derzeit bei 21 Personen der Fall.

Eine unmittelbare weitergehende Änderung der Unterbringungspraxis sei nur schwer vorstellbar. Er zeigte auf, dass für die Häuser im Mausegatt noch Belastungen i.H.v. insgesamt 2 Mio. Euro bestünden, die sich aus den Restbuchwerten und Fördergeldern zusammensetzten. Zudem be­fürchtete er, dass es nicht einfach sein werde, die Häuser zu veräußern.

Im Fazit seien die in der Bürgeranregung geforderten Verfahrensände­run­gen im Asylbereich aus Sicht der Verwaltung nicht begründet.

 

Frau Dyduch bedankte sich für die umfangreichen Informationen. Sie habe keine Zweifel, dass alle Entscheidungen und Handlungen der Mitarbeiter in diesem Bereich nicht willkürlich sondern aus­schließlich gesetzeskonform erfolgten. Positiv bewertete sie mit Blick auf die medizinische Versorgung die Begleitung und Beratung durch die Verwaltung. Aufgrund der über­schau­ba­ren Größe der Stadt könnten die individuellen Bedürfnisse, bei­spiels­weise bei der Wohnsituation, im Rahmen des Möglichen berück­sichtigt werden.

Im Ergebnis würde daher die Linie der Verwaltung unterstützt. In Richtung der Antragsteller merk­te sie kritisch an, dass es wünschenswert gewesen wäre, wenn vor Antragstellung erst das Gespräch mit der Verwaltung ge­sucht worden wäre.

 

Frau Scharrenbach brachte ihre Verärgerung über einige Formulierungen, die der Antrag enthalte zum Ausdruck. Die Aussage, dass die Asylsuchen­den in „menschenunwürdigen“ Unterkünften untergebracht seien, sei nicht akzep­tabel.

Die CDU-Fraktion schließe sich ebenfalls der Verwaltungslinie an und lehne den Antrag ab.

 

Herr Grosch verdeutlichte, dass die Antragsteller in diesem Bereich Fach­kun­de besäßen, weil sie bereits seit vielen Jahren in der Flüchtlingsarbeit tätig seien. Zudem habe man sich vor einiger Zeit selbst vor Ort und in Ge­sprächen ein Bild von der Situation in den Unterkünften im Mausegatt ge­macht. Ein daraufhin mit Herrn Mösgen seitens seiner Fraktion geführtes Gespräch habe den Eindruck vermittelt, dass es notwendig sei, einen sol­chen Antrag zu stellen.

Dem Bericht der Verwaltung habe er entnommen, dass die Anzahl der Per­sonen mit gekürzten Leistungen seit dem Gespräch zurückgegangen sei.

Nach dem Hinweis auf den sich heute zum 20. Mal jährenden Asylkom­pro­miss, aus dem im Jahr 1993 das Asylbewerberleistungsgesetz hervorge­gan­gen sei, erinnerte Herr Grosch an das Urteil des Bundesver­fassungs­gerichtes, das die bisherige Leistungshöhe für nicht ausreichend zur Sicher­stellung des Existenzminimums erklärt habe. Damit sei zwar das Prinzip der Sachleistun­gen vom Bundesverfassungsgericht nicht in Frage gestellt worden, zuvor hätten aber bereits an­dere Gerichtsinstanzen dies be­män­gelt.

 

Die Beispiele aus Bremen und Hamburg zeigten, dass es für die Kranken­versorgung ein anderes Modell gebe, das für die Leistungsempfänger we­niger diskriminierend sei.

 

Herr Mösgen bezog sich auf das im Mai 2011 geführte Gespräch und führ­te aus, dass sich zu den dort genannten Daten keine wesentliche Ände­rung ergeben habe.

Urteile von zwei Sozialgerichten, die zeitlich nach dem Urteil des Bundes­verfassungsgerichtes ergangen seien, machten deutlich, dass das Ab­stands­gebot der §§ 3 und 1 a des Asylbewer­ber­leistungsgesetzes sowie ein Existenzminimum gewahrt bleiben müssten, grundsätzlich jedoch die Mög­lichkeit, Sachleistung zu gewähren, bestehe.

 

Herr Blaschke nahm ab 15.40 Uhr an der Sitzung teil.

 

Herr Gercek zeigte sich verärgert über den allgemeinen Rundumschlag des Antrages, der den Eindruck erwecke, dass die örtlichen Gegebenheiten und die örtliche Praxis nicht angemessen berücksichtigt würden, sondern ledig­lich die landes- und bundespolitische Diskussion wiederge­spiegelt werde.

 

Frau Schaumann schloss sich den Ausführungen von Frau Dyduch und Frau Scharrenbach an. Zum Thema Sachleistungen hielt sie es für nach­vollziehbar, dass in Fällen fehlender Mitwirkung Leistungskürzungen vorge­nommen würden. Für Diskussionen zum Existenzminimum sei der Rat der falsche Ort, dies müs­se auf Landes- bzw. Bundesebene diskutiert werden.

 

Herr Grosch verdeutlichte, dass der Antrag aus Diskussionen der letzen 2 Jahre entstanden und noch vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes unterschrieben worden sei. Anhand eines Beispiels veranschaulichte er, dass es Nichtmitwirkungstatbestände gebe, die nicht im Verant­wortungsbe­reich der Asylbewerber lägen.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ziele besonders auf die Asyl­suchenden ab, die zum großen Teil bereits länger als 6 Jahre in Deutschland lebten, was über einen vorübergehenden Aufenthalt hinaus­gehe.

Bezogen auf die Aussage des Kämmerers zur medizinischen Versorgung erkundigte sich Herr Grosch, welche Unterschiede es in der Behandlung der Asylbewerber im Vergleich zu regulär gesetzlich Versicherten gebe.

 

Herr Mösgen erklärte am Beispiel des Zahnersatzes, dass es bei den me­dizinischen Leistungen keine wesentlichen Unterschiede gebe. In der Ver­gangenheit seien bereits teure medizinische Maß­nahmen, wie beispiels­weise eine Herz-OP, von der Stadt übernommen worden.

Unzweifelhaft sei das Grundrecht auf Asyl ein wichtiges Grundrecht, so werde es in Kamen gesehen und praktiziert. Kürzungen und Gut­schei­ne würden ausschließlich bei Verweigerung der Mitwirkung eingesetzt.

 

Herr Hupe informierte, dass er selbst mit fünf der sieben Personen, deren Leistungen zurzeit gekürzt würden, gesprochen habe. Man sei diesen Per­sonen in Bezug auf die Aufteilung der Gutscheine und Gewährung der Be­kleidungshilfe in Barmitteln entgegengekommen.

 

Nichtsdestotrotz müsse man die eindeutigen gesetzlichen Vorschriften ein­halten. Dabei werde die Sachlage immer mit der nötigen Sensibilität bewertet.

 

Frau Dyduch zeigte sich darüber verärgert, dass der Antrag als Bühne für bundespolitische State­ments benutzt werde. Zudem verwehrte sie sich gegen die Behauptung, dass die Men­schen­würde in Kamen mit Füßen getreten werde. Die Ausführungen der Verwaltung hätten gezeigt, dass auf die individuellen Bedürfnisse in Kamen im Rahmen des Möglichen einge­gangen werde. Sie bat darum, die gute Arbeit und die Hilfestellungen anzu­erkennen.

Auf der anderen Seite habe nicht zuletzt der Steuerzahler den Anspruch auf eine korrekte Um­set­zung der Gesetze einschließlich Sanktionen bei fehlender Mitwirkung.

 

Abschließend machte der Bürgermeister deutlich, dass die Verwaltung empfehle den Antrag abzulehnen.