Sitzung: 29.02.2012 Gleichstellungsbeirat
Herr Frohloff
stellte die Mobile Beratung Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Arnsberg vor,
die in der Gewalt Akademie Villigst im
Amt für Jugendarbeit der Evangelischen Kirche von Westfalen in Schwerte
angesiedelt ist. Die Zielgruppen der Mobilen Beratung seien u.a. (potenziell)
Betroffene, örtliche Ansprechpersonen nach einem Vorfall, Schulen, aber auch
interessierte Bürgerinnen und Bürger, die sich z.B. über rechtsextremistische
Symbole, Musik oder Schriften informieren möchten. Eine Beratung müsse nicht
zwingend anlassorientiert sein, ein Ziel sei auch die Information und
Prävention. Das Team der Mobilen Beratung bestehe aus acht Fachkräften, wobei
er der einzige hauptamtlich Beschäftigte sei. Die anderen sieben Personen seien
erfahrene Kräfte, die z.B. Deeskalationstrainings durchführen. Das Projekt
werde gefördert durch das Bundesprogramm „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“,
das in 2013 aber auslaufe. Aktuell gebe es Gespräche, ob eine finanzielle
Förderung durch das Land NRW erfolgen könne.
Bezogen auf Kamen
und auf den Kreis Unna gab Herr Frohloff an, dass das Vorhandensein von rechter
Gewalt hier seit rund 20 Jahren bekannt sei. Bekannte Gruppen seien z.B.
„Freies Netz Kreis Unna“, „Nationaler Widerstand Lünen-Kamen“ und die Gruppe
„Autonome Nationalisten“, die enge Kontakte zur NPD unterhalte. Diese Gruppe
sei sehr ideologisch orientiert und u.a. auch verantwortlich für die Steinwürfe
auf Parteibüros. In Kamen existiere nur eine relativ kleine Gruppe, die aber
sehr stark mit Gruppen aus Unna, Bergkamen und Hamm vernetzt sei. Die Gruppe
sei sehr engagiert und verfüge über ein hohes Gewaltpotenzial. Die Szene habe
z.Z. die Strategie, in einzelnen Orten Themen und Projekte aufzugreifen, die
ihnen in der Öffentlichkeit sehr viele Sympathien einbringen, wie die
Verhinderung eines Moscheebaus oder die Forderung nach harten Strafen bei
sexuellem Kindesmissbrauch.
Aktuell prüfe der
Staatsschutz, ob mit der Sympathieerklärung zu den Morden der Thüringer Gruppe
auf der Internetseite der Gruppe Nationaler Widerstand Lünen - Kamen eine
Straftat vorliege.
Im letzten
Vierteljahr haben sich die Vorfälle im Zusammenhang mit rechter Gewalt merklich
verringert. Dieser Rückgang sei landesweit festzustellen und stehe in
unmittelbaren Zusammenhang mit der Aufklärung der Morde der Thüringer Gruppe.
Herr Frohloff antwortete auf die Frage von
Frau Mann, ob es nach Auslaufen der
Förderung alternative Projekte seitens des Bundes zu dieser Problematik geben
werde, dass seiner Kenntnis nach keine Mittel für andere Projekte zur
Verfügung gestellt werden.
Frau Sevgi Kahraman-Brust gab an, dass sie vor
zwei Jahren ihre Fachausbildung gegen Rechtsextremismus begonnen habe. Eines
ihrer Schwerpunktthemen sei das Thema “Frauen in der rechten Szene“. Sie
berichtete, dass Frauen und Männer in gleichem Maße rassistisches Gedankengut
haben. In den vergangenen Jahren habe sich das Bild der rechten Frauen erheblich
gewandelt. Am auffälligsten sei, dass sich das äußere Erscheinungsbild stark
verändert habe, was aber auch auf die Männer in der rechten Szene zutreffe. Die
rechte Szene insgesamt wolle nicht mehr auf den ersten Blick erkannt werden.
Anhand einiger bundesweit bekannter rechter Frauenpersönlichkeiten wie Daniela
Wegener aus Bochum zeigte sie auf, dass die Frauen sich als emanzipierte,
starke und selbstbewusste Frauen präsentieren. Für die rechte Szene werden
Frauen immer wichtiger, u.a. weil die aktiven Männer oft bekannt seien. So stellen
Frauen ihre Postanschrift zur Verfügung oder seien diejenigen, die Räume für
Versammlungen anmieten, online Gewerbe anmelden oder auch Reden schreiben.
Frauen seien unauffälliger und somit auch scheinbar ungefährlicher. Es handele
sich hier um eine neue Generation von Frauen, die nicht mehr abhängig von ihren
Männern seien und mit Selbstbewusstsein auftreten. Sie seien nicht mehr nur
Hausfrau und Mutter sondern gut ausgebildet und oftmals z.B. als Lehrerin oder
Erzieherin tätig. Im Berufsalltag seien diese Frauen zumeist nicht auffällig.
Ihre Gesinnung werde oftmals erst erkannt, wenn sie bei Parteiveranstaltungen
auftreten.
Frau Blecher und
Frau Gerdes verlassen um 18.20 Uhr die Sitzung.
Frau Kahraman-Brust
schilderte weiter, dass nur wenige Frauen aus der Szene aussteigen. Diejenigen,
die aussteigen, werden verfolgt und von der Gruppe bedroht. Es sei sehr
schwierig, den Aussteigerinnen eine adäquate Hilfe zu bieten, da alles was bislang
ihr Leben bestimmt habe plötzlich wegfalle. Festzustellen sei außerdem, dass,
anders als in der Vergangenheit, diejenigen jungen Frauen, die über ihren
Freund in die rechte Szene gekommen sind, auch nach Beendigung der Beziehung
aktiv bleiben und die Szene nicht verlassen.
Aktuell gehe man
davon aus, dass 15 – 20% der Mitglieder Frauen seien. Zukünftig könne man eher
noch von einer Steigerung ausgehen, da die Männer „abgegrast“ seien, so dass
die Rechten auf Frauen als Mitglieder und Aktive angewiesen seien.
Frau Özdemir gab an, dass sie heute ganz
neue Erkenntnisse erlangt habe und ihr bewusst geworden sei, dass sich gerade
Lehrkräfte damit auseinander setzen müssen, wie man heute Schülerinnen und
Schüler aus der rechten Szene erkennen könne.