Herr Mösgen erläuterte kurz, dass die aktuelle Rechtssprechung des Bundesge­richts­hofes der Anlass sei für eine umfassende Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klageerhebung gegen die WestLB.

 

Herr Dr. Weck referierte zu den rechtlichen Möglichkeiten bei Schädigungen aus „toxischen“ Swap-Geschäften anhand einer Powerpointpräsentation (siehe Anlage).

Nach einem Überblick über die Gliederung seines Vortrages bezog sich Herr Dr. Weck zu­nächst auf das Urteil des BGHs vom 22.03.2011, das er als Leitverfahren zu den „toxi­schen“ Swap-Geschäften bezeichnete.

Erster Anknüpfungspunkt des Urteils sei die Tatsache des anfänglichen negativen Marktwertes der Swaps.

Dazu führte er aus, dass die Banken beim Verkauf von Produkten im Rahmen des entstandenen Beratungsverhältnisses im Interesse des Kunden beraten müssten. Dazu sei es unumgänglich, dass die Bank in einem ersten Schritt ein Kundenprofil ermittelt, das Informationen zum Wissenstand, zur Risikobereitschaft oder zum Anlageprofil erfasst. In einem weiteren Schritt habe die Bank die Verpflichtung, detailliert über das Produkt und die allgemeinen Risi­ken zu informieren.

Innerhalb der Swaps gebe es zudem viele Elemente, die aus einem fair bepreisten einen unfair bepreisten Swap machten. In dem Urteil sei ebenfalls die bewusste Strukturierung des Produktes zu Lasten des Kunden herausgestellt worden. Das Urteil berufe sich darauf, dass der negative Anfangswert des Produktes und damit ein wesentlicher Aspekt dem Kunden nicht mitgeteilt wor­den sei.

Zum daraus entstehenden Interessenskonflikt stellte das Gericht eine Aufklärungspflicht fest. Herr Dr. Weck berichtete von zwei möglichen Fallkonstellationen. Vorliegend sei das Zwei­per­sonen­verhältnis ausschlaggebend. Die Bank sei verpflichtet über den negativen Anfangswert des Produktes aufzuklären, was daraus resultiere, dass das Produkt bewusst zu Lasten des Kun­den strukturiert sei, der Kunde nicht in der Lage sei diese Konstruktion zu durchschauen und er nicht damit rechnen muss, dass die Bank neben der Zahlungsverpflichtung noch zusätzlichen Gewinn erwirtschaftet.

Zur Vergleichbarkeit der Swaps führte Herr Dr. Weck aus, dass die WestLB Swaps zulasten der Kunden strukturiert seien und ebenfalls einen anfänglichen negativen Marktwert gehabt haben. Des Weiteren sei zu beobachten, dass die Rechtsprechung das BGH-Urteil bereits auf andere Swaps anwenden würde.

Er komme daher zu dem Fazit, dass die Stadt gegenüber der WestLB einen Schadens­ersatzan­spruch wegen Pflichtverletzung geltend machen könne.

Er machte deutlich, dass es in diesem Fall kein Mitverschulden gebe, da auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Beratung vertraut worden sei. Etwaige Kenntnisse aus beruflicher Qualifika­tion seien nicht ausschlaggebend, solange sich diese Kenntnisse nicht aus der beruflichen Tä­tig­keit in genau diesem Produktbereich ergeben.

Zur Übertragbarkeit auf den kommunalen Bereich wies er auf die Definition des Bundes­finanz­ministeriums hin, die u.a. Gemeinden als Privatkunden und nicht als professionelle Kunden beschreibe. Die Grundsätze der BGH-Rechtsprechung seien insofern übertragbar und lösten eine sehr hohe Aufklärungspflicht gegenüber der Stadt aus.

Als weitere Anspruchsgrundlage aus anderen Urteilen aufgrund der kommunalrechtlichen Be­son­derheiten benannte Herr Dr. Weck das Empfehlungsverbot abgestimmt auf das jeweilige Risikoprofil des Kunden. Die Bank habe die Verpflichtung zur anlegergerechten Beratung, was die Pflicht zur Ermittlung eines genauen Kundenprofils beinhalte, das die vom Kunden ver­folg­ten Ziele, die Risikobereitschaft, die Erfahrungen und die wirtschaftlichen Verhältnisse mit einbeziehen müsse. Beim Risikoprofil von Kommunen sei stets zu beachten, dass die gesetz­lichen Vorschriften ein Spekulationsverbot vorsehen.

Er erläuterte, dass die Risiken bei Swap-Geschäften nicht auf den ersten Blick erkennbar seien. Die CHF-Swaps seien den spekulativen Geschäften zuzuordnen. Insofern habe die WestLB diese an Kommunen verkaufte Produkte falsch etikettiert.
In diesem Zusammenhang erwähnte er auch die damalige Empfehlung des Einsatzes von Swaps zur Zinsregulierung durch das Innen­ministerium. Anstatt dieser Swaps seien von der WestLB jedoch spekulative Optionsgeschäfte verkauft worden.

Als weiteren Ansatzpunkt neben der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ging Herr Dr. Weck auf die Unwirksamkeit spekulativer Geschäfte von Kommunen ein.

Nach Aufzählung der Grundlagen der kommunalen Haushaltswirtschaft zeigte er auf, dass die Unzulässigkeit von Finanzspekulationen vor allem § 75 Gemeindeordnung NRW zu entnehmen sei. Die Einsatzmöglichkeiten von Derivaten seien aufgrund des Spekulationsverbotes begrenzt.

Zur Abgrenzung von zulässigen und unzulässigen Derivatgeschäften sei die Konnexität das Ab­gren­zungskriterium. Zu unterscheiden sei zwischen zeitlicher, sachlicher und inhaltlicher Konnexität. Im vorliegenden Fall der CHF-Swaps sei keine Konnexität zu erkennen, so dass er diese als unzulässige Derivatgeschäfte bewerte.

Im Ergebnis fasste er zusammen, dass der Abschluss der Swaps nichtig sei, da mit dem Ab­schluss der toxischen Swaps gegen das Spekulationsverbot verstoßen werde und die Gemeinde somit außerhalb ihres Wirkungskreises handele.

Ein konkretes Urteil zu dieser Problematik gebe es bislang zwar nicht, es sei jedoch abzu­se­hen, dass dieses zukünftig aufgrund der Betroffenheit vieler Kommunen erfolgen werde.

Herr Dr. Weck führte weiter aus, dass möglicherweise auch mit der Sittenwidrigkeit als Begrün­dung für die Nichtigkeit solcher Swap-Geschäfte argumentiert werden könne. Die Sitten­widrig­keit könne ggf. dann angenommen werden, wenn die Verträge einseitig durch die Bank kündbar seien und damit das Risiko zulasten des Kunden gehe.

Nach den gescheiterten Gesprächsversuchen habe er den Eindruck, dass z.Zt. bei der WestLB niemand Entscheidungen treffen oder Verhandlungen aufnehmen wolle und man es auf eine Klage ankommen lasse. In der Regel würde in einem solchen Verfahren zunächst eine außergericht­liche Lösung angestrebt.

 

Die Frage von Frau Scharrenbach nach der Geltendmachung des entgangenen Nutzens bei einer Rückabwicklung bejahte Herr Dr. Weck.

Im Weiteren erkundigte sie sich nach den Swaps des Kernhaushaltes sowie nach den mög­lichen Prozesskosten.

 

Herr Mösgen verwies darauf, dass der vorgelegte Prüfbericht zum Jahresabschluss 2010 Informationen zu den Swaps enthalte. Der Marktwert des städtischen CHF-Swaps mit einer Laufzeit bis zum 15.12.2019 betrage zum 31.12.2010 ca. 4,6 Mio. Euro und der des Eigenbe­triebes liege zum gleichen Zeitpunkt bei ca. 2,3 Mio. Euro. Der Marktwert stelle die Zahlungen dar, die nach heutiger Lage zum Stichtag zu leisten wären. Der Kämmerer betonte, dass bis jetzt aus den Verträgen noch keine Verluste entstanden seien. Künftig mögliche Zahlungsverpflichtungen würden im übrigen nicht geleistet. Der Darlehensvertrag ruhe insofern.

 

Ergänzend bestätigte Herr Hupe, dass die Marktwerte lediglich rechnerische Werte darstellten, die keine tatsächliche Zahlungsverpflichtung auslösten. Ein Schaden sei bis jetzt nicht eingetreten. Das Prozessrisiko sei nunmehr zu prüfen und abzuwägen.

 

Herr Hasler erkundigte sich, ob die Möglichkeiten einer Sammelklage oder einer Musterklage geprüft würden.

 

Herr Dr. Weck erklärte, dass das deutsche Recht keine Sammelklage sondern nur Kläger­ge­meinschaften vorsehe. Aufgrund der Unterschiede des Einzelfalls und der Zeitabläufe bei den einzelnen Klägern halte er diesen Weg für nicht praktikabel.

 

Herr Mösgen ergänzte, dass aufgrund der Vergleichbarkeit der Fälle eine gemeinsame Klage mit der Nachbarstadt geprüft werde.

 

Herr Tost informierte, dass weder bei der Stadt noch beim Eigenbetrieb Drohverlustrückstellun­gen zu bilden waren. Mit Blick auf eine Klage seien jedoch Prozesskostenrückstellungen gebil­det worden.

 

Frau Scharrenbach äußerte den Wunsch nach einer detaillierten Übersicht über alle Swaps. Dabei bat sie um Differenzierung zwischen den toxischen und nicht toxischen Produkten.

 

Herr Hupe machte deutlich, dass Thema heute ausschließlich die CHF-Swaps seien. Es gehe nicht um die be­stehenden Zinsswaps zur Steuerung des Zinsänderungsrisikos, die ausschließlich Sicherungszwecken dienten und unkritisch seien.

 

Herr Mösgen legte dar, dass die Stadt verschiedene, auch nicht risikoreiche Swaps wie die Zinsswaps abgeschlossen habe. Die Resultate der Swaps seien in den vorgelegten Berichten ausführlich erläutert. Der bisherige Gewinn mit Zinsersparnis des städtischen CHF-Swaps betrage 109.000 Euro. Zahlungen an die WestLB seien seit einiger Zeit eingestellt.

 

Für den Fall einer Auflösung der WestLB erkundigte sich Frau Dyduch, ob es einen Rechts­nachfolger geben werde und ob dadurch im Klageverfahren eine zeitliche Verzögerung zu erwarten sei.

 

Einen Rechtsnachfolger, der voraussichtlich in Form einer Abwicklungsanstalt mit ausreichen­den Finanzmitteln ausgestattet sein werde, werde es unzweifelhaft geben, so Herr Dr. Weck. Ob mit dem Rechtsnachfolger eine außergerichtliche Abwicklung möglich sei, sei nicht voraus­zusehen. Eine zeitliche Verzögerung der Abwicklung erwarte er jedoch nicht.

 

Herr Hupe fügte hinzu, dass im Falle einer Klage der Prozess auch mit dem Rechtsnachfolger fortgeführt werde.

Der Bürgermeister erinnerte an die Entscheidung im Betriebsausschuss und hob hervor, dass es seinerzeit seitens der WestLB in keiner Weise eine Aufklärung zum anfänglichen negativen Marktwert oder den bestehenden Risiken gegeben habe.

 

Beispielhaft verwies Herr Dr. Weck darauf, dass das Innenministerium in Sachsen den Kommunen empfohlen habe, eine Klageerhebung gegen die SachsenLB zu prüfen.

 

Auf die Frage von Herr Grosch, warum Herr Mösgen ausgeführt habe, dass die laufenden Zahlungen an die WestLB eingestellt worden seien, obwohl aktuell aus den Verträgen keine Zahlungsverpflichtungen bestünden, erklärte Herr Mösgen, dass momentan die Zinszahlungs­termine nicht eingehalten würden.

 

Herr Grosch erinnerte daran, dass man seinerzeit bei der Beschlussfassung kaum Infor­ma­tionen zu den Swaps gehabt habe. Der Ausschuss habe auf die Vollständigkeit der Informa­tionen durch die WestLB und die Einschätzung des Kämmerers vertraut.

Er bezweifelte, dass Politiker solche Geschäfte vollständig überblicken und bewerten könnten.

 

Herr Hupe machte deutlich, dass das Entscheidende die Unvollständigkeit der Informationen durch die WestLB sei. Wesentliche Informationen, wie zum anfänglichen negativen Marktwert seien weder im Ausschuss noch in persönlichen Gesprächen gegeben worden. Der Versuch der Verwaltung, mit der WestLB eine außergerichtliche Einigung im Rahmen einer Rückabwicklung der Geschäfte zu erzielen, sei nicht erfolgreich gewesen. Zum Hintergrund vermute er, dass die WestLB die Schaffung eines Präzedenzfalles vermeiden wolle.

 

Frau Scharrenbach machte deutlich, dass die Aspekte des Empfehlungsverbotes und des Anlegerschutzes, der daraus resultiere, dass die Kommune als Privatanleger zu behandeln sei, in der politischen Bewertung besondere Berücksichtigung finden müssten. Insofern könne sie die von Herrn Grosch vorgetragene etwas kritische Einschätzung nicht teilen. Für die an der Entscheidung beteiligten Ausschussmitglieder und selbst für die Fachkräfte der Verwaltung seien die Risiken der von der WestLB angebotenen Finanzgeschäfte nicht überschaubar gewesen. Insofern sei auch den Hauptverwaltungsbeamten und den Kämmerern kein Vorwurf zu machen. Es sei zu keinem Zeitpunkt erkennbar gewesen, dass es sich um ein Optionsgeschäft mit undefinierten Risiken gehandelt habe. Hier handele es sich um eine Täuschung, die nicht aufzudecken gewesen sei. Ein Organverschulden könne sie insofern weder bei Politik noch Verwaltung erkennen.

 

Eine Beschlussvorlage zur Klage werde dem Rat voraussichtlich in der Sitzung im März nächsten Jahres vorgelegt, so Herr Hupe.