Kriminalhauptkommissarin Bettina Dresselhaus berichtete, dass sie seit 4 1/2 Jahren als Opfer­schutzbeauftragte tätig sei. Zum Thema Häusliche Gewalt führte sie aus, dass es sich hierbei in 80% der Fälle um männliche Tätergewalt gegen Frauen und Kinder handelt. Das sei u.a. darauf zurückzuführen, dass in der Ver­gangenheit Gewalt gegen Frauen immer legitimiert gewesen und als Privat-sache behandelt worden sei. Erst mit Inkrafttreten des Gewaltschutzgesetzes im Jahr 2002 sei bei dieser Problematik ein Durchbruch erzielt worden. Gewalt gegen Frauen habe viele Gesichter, denn die Täter üben neben der physischen Gewalt immer zusätzlich psychische Gewalt aus. Sie gab an, dass nahezu jede dritte Frau, einige bis zu 40 Mal in ihrem Leben, häus­licher Gewalt ausgesetzt sei. Davon betroffen seien Frauen aller sozialen Schichten und Kul­turen sowie jeden Alters. Nach der Statistik der Polizei stehen die Hälfte der Täter unter Drogen- oder Alkoholeinfluss und jeder 10. Täter sei bewaffnet. Bei Eintreffen der Polizei sei aufgrund der Ausnahmesituation ein sehr unterschiedliches Verhalten bei den Frauen festzustellen. Gleich sei aber bei allen Frauen der eine Wunsch, dass die Gewalt aufhören solle. Anhand des „Gewaltzyklus“, die Folie ist als Anlage bei­gefügt, zeigte Frau Dresselhaus auf, dass es ein Trugschluss sei, dass sich die Gewalt des Mannes nach seiner Reuephase nicht mehr fortsetze. Sie gab an, dass die Gewalt sogar heftiger werde und sich in kürzeren Abständen wiederhole.

 

Herr Runde erkundigte sich, ob nach einer Wohnungsverweisung des Täters eine Beratung der Opfer stattfinde.

 

Frau Dresselhaus antwortete, dass die Kolleginnen und Kollegen vor Ort umge­hend den Opfer­schutz informieren, so dass in der akuten Situation mit dem Opfer bereits ein Gespräch geführt werden könne. In diesem Erstgespräch erhalte die Frau auch Verhaltensempfehlungen für die 10 Tage, die der Täter der Wohnung verwiesen wurde und sich in ihrem Umfeld nicht sehen lassen darf. Die Polizei überprüfe die Wegweisung, indem sie u.a. polizeiliche Präsens zeige. Bei Zuwi­derhandlung drohe dem Täter eine Geldstrafe. Während der 10 Tage der Weg­weisung habe die Frau die Möglichkeit eine weitergehende Beratung des Frau­enforums im Kreis Unna e.V. in Anspruch zu nehmen. Sie wies daraufhin, dass der Runde Tisch gegen häusliche Gewalt im Kreis Unna ein hervorragend ver­netztes Gremium sei, so dass den Opfern die bestmögliche Hilfe angeboten wer­den könne. Frau Dresselhaus schilderte eindrucksvoll die psychische Situa­tion der Opfer und welchem Druck sie ausgesetzt seien, die Spirale der Gewalt in ih­rer Familie auch im Hinblick auf die Situation der Kinder zu beenden.

 

Auf die Frage von Frau Groer antwortete Frau Dresselhaus, dass betroffene Kinder und Ju­gendliche sich an den Kinderschutzbund oder auch ans Frauenfo­rum wenden können. Beson­ders wichtig seien aber erwachsene Vertrauensper­sonen, mit denen sie sich verbünden können, um ihre Ängste und Nöte zu verrin­gern und die Verantwortung für die Situation zu teilen.

 

Abschließend wies Frau Dresselhaus daraufhin, dass Häusliche Gewalt mehr sei als Gewalt in einer Paarbeziehung, da meistens auch Kinder diese Situationen über einen langen Zeitraum miterleben. Kinder sehen, hören, spüren und denken mehr als Eltern sich vorstellen können. Für Kinder bis zu 3 Jahre gelte sogar, dass sie bei Bedrohung durch die Bezugsperson Todesangst empfinden. Kinder, die eine gewalttätige Paarbeziehung erleben, bekommen nicht das worauf sie ei­nen Anspruch haben: Liebe und Sicherheit. Im weiteren Verlauf ihres Lebens sei mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass, wer in der Kindheit Ge­walt erlebt hat nach dem gleichen Muster handeln wird, weil nichts anderes ge­lernt wurde. Werden bei einem Einsatz Kinder in der Wohnung angetroffen, werde zeitnah das zuständige Jugendamt informiert.

 

Herr Stindt berichtete, dass die Kreispolizeibehörde Unna bis Ende Oktober zu 164 Einsätzen bei Häuslicher Gewalt gerufen wurde. Dabei wurde der Täter in 72 Fällen der Wohnung verwie­sen. 43mal sei das Frauenforum im Kreis Unna infor­miert worden. In Kamen habe es 26 Fälle von Häuslicher Gewalt gegeben, 6 weniger als im Vorjahr, wobei 16 mal eine Wohnungsverweisung ausgespro­chen wurde.

Herr Stindt wies daraufhin, dass gerade im Bereich der Häuslichen Gewalt die Netzwerke eine wich­tige Rolle spielen, da in diesen „Akutsituationen“ schnell Lösungen gefunden werden müssen. Er lobte die enge Zusammenarbeit des „Runden Tisches gegen Häusliche Gewalt im Kreis Unna“. Dieses Gremium diene neben der Netzwerkarbeit auch dazu, Wünsche und Vorschläge der Betei­ligten in Handlungskonzepte umzusetzen. Beispielhaft nannte er, dass, anders als in frühe­ren Jahren, Jugendämter bereits einen Tag nach einem Einsatz informiert werden. In der Ver­gangenheit wurden die Jugendämter erst nach Abschluss der Ermittlungen informiert, was im Hinblick auf den Schutz der Kinder nicht sinnvoll gewesen sei.

 

Auf die Frage von Frau Karrasch antwortete Herr Stindt, dass es sich bei den meisten Fami­lien, bei denen ein Einsatz erfolge, um neue Familien handelt. Le­diglich rund 10% der Familien seien der Polizei bereits bekannt.

 

Frau Hartig erkundigte sich nach Präventionsarbeit in Schulen.

 

Herr Stindt gab hierzu an, dass die Polizei selber keine Präventionsarbeit leiste, sondern Multi­plikatorinnen und Multiplikatoren ausbilde. Ein wichtiges Angebot sei hingegen die Öffentlich­keitsarbeit, um aufzuklären wie die Polizei denkt und wie sie arbeitet. Durch Aufklärung und In­formation werde die Hemmschwelle kleiner z.B. als Nachbar die Polizei zu rufen, wenn ne­benan in der Wohnung ein Streit eskaliere. Auch eine Veranstaltung wie die Ausstellung, die unter Federführung der Gleichstellungsbeauftragten und mit Beteiligung seines Kommissariats 2007 in der Stadthalle gezeigt wurde, diene der Prävention.

 

Frau Gerdes, Frau Özdemir und Frau Werning verlassen um 18.15 Uhr die Sit­zung.

 

Frau Blecher fragte nach, ob Präventionsangebote nicht auch im Sportbereich für Übungsleite­rinnen und Übungsleiter angeboten werden können.

 

Herr Stindt erklärte, dass er in seiner Tätigkeit als Vorsitzender des Kreissport­bundes für das nächste Jahr ein derartiges Präventionsangebot initiieren werde.