Sitzung: 06.12.2010 Behindertenbeirat
Herr Völkel referierte anhand einer der
Niederschrift in Kopie beigefügten Powerpointpräsentation.
Einleitend
erläuterte er, dass die Behindertenrechtskonvention nach Ansicht vieler Akteure
einen neuen Rechtsrahmen für die Behindertenpolitik in Deutschland wie auch
weltweit darstellt und somit in ihrer Bedeutung nicht hoch genug eingeschätzt
werden kann.
Bei der Betrachtung
der Entstehungsgeschichte der Behindertenrechtskonvention wäre zunächst auf
einen Bericht des UN-Sonderberichterstatters Despouys zu verweisen, der eine
Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen aufgeführt hatte.
Die hierauf durch
die Vereinten Nationen verabschiedeten Rahmenbestimmungen hatten jedoch
lediglich empfehlenden Charakter.
Im Rahmen eines
durch die damalige Menschenrechtskommissarin und frühere irische Staatspräsidentin
Mary Robinson verfassten Berichtes wurde die Verabschiedung einer Behindertenrechtskonvention
empfohlen.
Nachdem auf
Initiative von Mexiko durch die UN der sogenannte Ad Hoc Ausschuss eingesetzt
wurde und der anfänglich lediglich vorliegende Prüfauftrag im weiteren Verlauf
in einen konkreten Auftrag für Verhandlungen abgewandelt wurde, erfolgte die
Erarbeitung eines Entwurftextes.
Hierbei wurde neben
der Beteiligung von Regierungsstellen auch ausdrücklich die Einbeziehung von
Nichtregierungsorganisationen seitens der Vereinten Nationen gewünscht. In
Deutschland war dieses beispielsweise der Deutsche Behindertenrat.
Nach Erarbeitung und
Annahme eines Entwurftextes am 13.12.2006 erfolgte die Verabschiedung im
Rahmen einer UN-Generalversammlung. Nachdem Deutschland die Konvention am
30.03.2007 unterzeichnet hatte, trat diese nach Verabschiedung durch Bundestag
und Bundesrat am 26.03.2009 in Kraft.
Herr Völkel
verdeutlichte anhand einer Übersicht von Staaten, die die Unterzeichnung und
Ratifikation relativ schnell durchgeführt haben, dass viele Staaten aus dem
Bereich der Entwicklungsländer und der Schwellenstaaten zu den ersten
Unterzeichnern gehörten.
Nachdem er das Ziel
der Konvention dargelegt hatte, erläuterte er schlagwortartig die Kernpunkte
der Konvention. Insbesondere der Begriff der Inklusion, welcher sich vom
Begriff der Integration im einem wesentlich weiter gefassten Verständnis des
Zusammenlebens zwischen behinderten und nichtbehinderten Menschen
unterscheidet, beherrscht zunehmend die Debatte über die Konvention.
Bei der Entwicklung
der Behindertenpolitik in Deutschland ist zunächst darauf zu verweisen, dass
durch die Verbände schon Ende der 70er-Jahre sehr nachhaltig ein Wandel gefordert
wurde. Herr Völkel erinnerte in diesem Zusammenhang an die damals sehr aktiven
„Krüppelgruppen“, welche schon durch ihre provokante Selbstbezeichnung gegen
Behindertenfeindlichkeit angingen. Als wichtigste Veränderung im Rechtswesen ist
die Ergänzung in Artikel 3 des Grundgesetzes zu nennen, wonach niemand wegen
seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Im Rahmen der nachfolgenden
Gesetze wurden Bereiche der finanziellen Leistungen, der Barrierefreiheit wie
auch des Diskriminierungsschutzes geregelt.
Herr Völkel stellte
dar, dass eine detaillierte inhaltliche Darstellung der Behindertenrechtskonvention
aufgrund ihres Umfanges nicht möglich sei und somit nur Teilaspekte
angesprochen werden könnten.
Nachdem einzelne
Personengruppen (Frauen und Kinder) angesprochen wurden, erläuterte Herr
Völkel einzelne Artikel zu den Fragen des gleichberechtigten Zugangs zur
physischen Welt, zur Justiz sowie Fragen der Mobilität. Hierbei wurden auch
jeweils Umsetzungsbeispiele aufgezeigt, welche bereits in früheren Zeiten in
Deutschland verwirklicht wurden.
Hiernach wandte sich
Herr Völkel zu Artikel 24 und 25 der Behindertenrechtskonvention und äußert die
Ansicht, dass diese Regelungen die größten Auswirkungen auf den inländischen Bereich
haben werden. Nach Artikel 24 soll grundsätzlich kein Ausschluss behinderter
Kinder vom allgemeinen Bildungssystem erfolgen. Die Vertragsstaaten sollen
hierfür angemessene Vorkehrungen schaffen und eine notwendige Unterstützung
gewährleisten. Hierzu zählt auch die notwendige Qualifizierung von
Lehrkräften.
Herr Völkel
schilderte, dass auf der Grundlage dieses Artikels bereits Klagen von Eltern
auf das Recht der Beschulung ihres Kindes in einer allgemeinen Schule vor den
Gerichten geführt wurden. Hierbei sei jedoch durch die Gerichte entschieden
worden, dass sich aus der Behindertenrechtskonvention keine unmittelbaren
Rechtsansprüche ableiten lassen würden; vielmehr handelt es sich um
programmatische Aufträge, welche durch die Vertragsstaaten umzusetzen seien.
Trotzdem seien zur
Zeit in einigen Bundesländern, so auch in Nordrhein-Westfalen, parlamentarische
Initiativen zu verzeichnen, die sich mit der Inklusion im schulischen Bereich
auseinandersetzten und eine verstärkte Umsetzung der sich aus der Behindertenrechtskonvention
ergebenden Punkte forderten.
Für den Bereich des
Arbeitslebens bekräftigt Artikel 27, dass behinderte Menschen ein Recht auf
Teilhabe am Arbeitsprozess haben und somit die Bestreitung ihres Lebensunterhalts
durch eigene Arbeit erreichen können. Hierunter ist vornehmlich die Einbindung
in einen offenen, integrativen und zugänglichen Arbeitsmarkt zu verstehen.
Herr Völkel erinnerte in diesem Zusammenhang, dass permanent im
innerstaatlichen Bereich Programme durchgeführt werden, die behinderten
Menschen eine Einbindung im ersten Arbeitsmarkt ermöglichen sollen und verwies
beispielhaft auf die letzte Sitzung des Behindertenbeirates, in der durch Herrn
Maschke von der Arbeitsagentur Hamm das Instrument der „Unterstützten Beschäftigung“
vorgestellt wurde.
Anschließend wurde
durch Herrn Völkel erläutert, durch welche Maßnahmen die Umsetzung der
Behindertenrechtskonvention nachgehalten werden.
Innerhalb der
Vertragsstaaten wurde zunächst eine innerstaatliche Anlaufstelle eingerichtet.
Hauptaufgabe dieser Stelle ist es, die Politik zu beraten, Forschung zu
betreiben oder die Öffentlichkeit zu informieren. Zu den Aufgaben der
innerstaatlichen Anlaufstelle gehört nicht, Beschwerden entgegenzunehmen oder
in Rechtsfragen zu beraten. Die Anlaufstelle verfügt über ein jährliches Budget
in Höhe von 430.000,00 €, welches aus Bundesmitteln finanziert wird. Weiterhin
wurde ein Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Genf eingerichtet,
der über 18 Mitglieder verfügt. Die Vertragsstaaten sind verpflichtet,
regelmäßig diesem Ausschuss über die Umsetzung der Konvention zu berichten und
diese Berichte im Heimatland zu veröffentlichen. Diese Berichtspflicht erfolgt
erstmalig zwei Jahre nach Ratifikation der Konvention; hiernach alle vier
Jahre. Die seitens der Vertragsstaaten eingereichten Berichte werden durch den
Ausschuss geprüft und es erfolgt gegenüber der Generalversammlung und dem Wirtschafts-
und Sozialrat ein Bericht.
Abschließend
erläutert Herr Völkel noch kurz die Verabschiedung des Fakultativprogramms und
beschrieb die wesentlichen Inhalte. Hierbei teilte er mit, dass dieses u.a.
auch von Deutschland mittlerweile ratifiziert wurde und würdigt nochmals die
Bedeutung der Konvention im Hinblick auf die Verbriefung von universellen
Rechten im Bereich der Entwicklungsländer.
Frau Jung bedankte sich für die
Ausführungen und bat darum, dass die Anschrift des Ausschusses für die Rechte
von Menschen mit Behinderungen in die Niederschrift aufgenommen wird.
Der Ausschuss ist dem Hohen Kommissar für
Menschenrechte in seiner Funktion als Vorsteher der OHCHR angegliedert. Die Adresse lautet: Office
of the United Nations High Commissioner for Human Rights (OHCHR),Palais des Nations,CH-1211
Genf 10