Sitzung: 26.11.2009 Betriebsausschuss
Herr Jungmann, technischer Leiter der Stadtentwässerung Kamen (SEK), zeigte zunächst anhand eines Planes (siehe Anlage 1 zur Niederschrift) den Verlauf des Abwassers aus dem Pumpwerk, dass auf Unnaer Gebiet steht und Abwasser durch das Abwassernetz der Stadtentwässerung Kamen zur Kläranlage „Kamen Körne“ ableitet, auf. Der Bau des Pumpwerkes war erforderlich geworden nachdem sich durch bergbauliche Einwirkungen ein Poldergebiet gebildet hatte und das anfallende Oberflächen- und das häusliche Abwasser nur mit Hilfe eines Pumpwerkes abgeleitet werden konnte. Nach den Kenntnissen von Herrn Jungmann leitet das Pumpwerk heute neben Oberflächenwasser zum größten Teil das Drainagewasser bzw. Grundwasser aus dem umliegenden Bergsenkungsgebiet in Unna in das Kamener Kanalnetz. Das durch Drainagen dem Pumpwerk zugeführte Grundwasser enthält hohe kokereispezifische Verunreinigungen. Eine wasserrechtliche Genehmigung der zuständigen Wasserbehörden zur Einleitung dieses Abwassers in das Kanalsystem der Stadt Kamen liegt nicht vor. Durch ein Abschlagsbauwerk auf Kamener Gebiet gelangt bei Großregenereignissen teilweise das kontaminierte Abwasser in den offenen Wasserlauf „Südbach“ in Wasserkurl und von hier aus in die renaturierte Körne. Zudem wird aufgrund der nicht eingeplanten und nicht genehmigten zugeleiteten Wassermenge ein im Rahmen der Körne-Renaturierung gebautes Regenrückhaltesystem des Lippeverbandes auf Kamener Gebiet in seiner Funktion stark beeinträchtigt bzw. überlastet.
Herr Werner, Sachgebietsleiter der Unteren Wasserbehörde des Kreises Unna, berichtete, dass den zuständigen Behörden und Gremien das Pumpwerk seit ca. 2001 bekannt ist. Im Zusammenhang mit dem Plangenehmigungsverfahren der Stadt Kamen zur Hinterlandentwässerung der Körne bekamen die Träger öffentlicher Belange Kenntnis von der Existenz des von der Firma Heinrich Industrie AG betriebenen Pumpwerks. Damals wies der Lippeverband durch sein Labor auf Belastungen des geförderten Drainagewassers hin und empfahl, von einer Einleitung in ein ökologisches Fließgewässer abzusehen.
Um die Situation genauer zu analysieren , stellte der Vertreter der Unteren Wasserbehörde zunächst die ihm bekannte Historie des Pumpwerkes und der umliegenden Fläche vor: Im Umfeld des Pumpwerkes Wasserkurler Straße wurden bis 1925 die drei Förderstandorte Massen I und II in Dortmund und Massen III/IV in Unna betrieben. Aufgrund der eingetretenen Bergsenkungen und der damit verbundenen Vorflutstörungen wurde mutmaßlich im Jahr 1936 das Pumpwerk von der damaligen Harpener Bergbau AG errichtet und betrieben. Für den Bau und den Betrieb des Pumpwerks hat es nach den heute zur Verfügung stehenden Unterlagen keine behördliche Zulassung in Form eines bergrechtlichen Betriebsplanes, einer wasserrechtlichen Erlaubnis noch eine Baugenehmigung gegeben. 1952 verkaufte die Harpener Bergbau AG das Gelände an die Heinrich Bergbau AG, die hiermit die Lasten und Pflichten zum Betrieb des Pumpwerkes übernahmen. In der Folgezeit wurde das Unternehmen umfirmiert in Heinrich Industrie AG. 2004 wurde die Heinrich Industrie AG von der amerikanische Firma „Littlefuse“ übernommen und bezeichnet sich seitdem als Unternehmen der Littlefuse Gruppe. Zur Zeit überprüft die Untere Wasserbehörde, ob der ehemalige Eigentümer Heinrich Bergbau AG eventuell weiterhin für das Pumpwerk und die Entwässerung verantwortlich gemacht werden kann.
Technisch ist das Pumpwerk mit 2 Pumpen ausgestattet, die eine Leistung von ca. 18 cbm Wasser/Std. aufweisen. Abgeleitet werden Drainage- und Niederschlagswasser. Bis 2005 wurden auch Haushaltsabwässer abgeleitet, die nach dem Neubau eines entsprechenden Schmutzwasserkanals heute über Unnaer Gebiet abfließen.
An das Pumpwerk sind 2.750 qm befestigte Fläche von der Wasserkurler Straße und zwei Drainageleitungen angeschlossen. In den Jahren 2005 bis 2007 wurden durch das Pumpwerk ca. 350.000 – 370.000 cbm Wasser jährlich über das Kanalnetz der Stadtentwässerung Kamen der Kläranlage des Lippeverbandes „Kamen Körne“ zugeführt oder über ein Regenüberlaufbecken in die Körne abgeschlagen.
Da das Pumpwerk auf Grund seiner Nutzungsdauer als dringend sanierungsbedürftig eingestuft wird, haben Vertreter des Betreibers den Lippeverband gebeten, das Pumpwerk dauerhaft zu übernehmen. Der Lippeverband ist nach Aussage von Herrn Werner dazu grundsätzlich bereit. Zunächst muss aber geklärt werden, wohin das Wasser zukünftig abgeleitet werden kann, inwieweit eine Aufbereitung des Wassers erforderlich ist und welche Kosten als Ablösesumme für die dauerhafte Übernahme des von Grund auf sanierten Pumpwerkes als angemessen zu vertreten ist.
Nach Aussage von Herrn Werner weist das geförderte Abwasser schwankende Belastungen auf, sollte aber nach Möglichkeit nicht in ein ökologisch verbessertes Fließgewässer wie der Körne eingeleitet werden. Als Hauptursache für die starken kokereispezifischen Belastungen des Abwassers konnte ein mit Teerölen gefüllter Klärteich auf dem ehemaligen Gelände der Zeche und Kokerei Massen III/IV identifiziert werden. Die kokereispezifischen Schadstoffe gelangen durch Diffusion mit dem normalerweise unbelasteten Grund- und Drainagewasser in das Pumpwerk. Die Untere Wasserbehörde prüft, mit welchen Maßnahmen der Zustrom belasteten Grundwassers zum Pumpwerk verhindert werden kann.
Herr Werner bewertete den derzeitige Zustand als inakzeptabel. Als erster notwendiger Handlungsschritt ist seines Erachtens der Betrieb des Pumpwerkes zu legalisieren und die marode Bausubstanz zu erneuern. Die Ableitung des geförderten Abwassers über die Kamener Kanalisation zur Kläranlage sollte aufgegeben werden, da zum einen diese Wassermengen bei der Auslegung der Kläranlage und des Kanalnetzes nicht berücksichtigt wurden, zum anderen eine Verbandskläranlage für überwiegend kommunale Abwässer grundsätzlich nicht geeignet ist, kokereispezifische Schadstoffe aus dem Abwasser zu eliminieren.
Nach Aussage des Leiters der Unteren Wasserbehörde ist geplant, in Abstimmung mit der Bezirksregierung Arnsberg und dem Lippeverband noch in diesem Jahr zu entscheiden, inwieweit eine Direktableitung des geförderten Abwassers in die Körne aus wasserrechtlicher Sicht vertretbar ist oder nicht. Der Neubau und die Schaffung einer direkten Verbindung zur Körne könnten kurzfristig der Heinrich Industrie AG auferlegt werden. Die Vertreter der Heinrich Industrie AG haben aber schon vor längerer Zeit geäußert, dass sie es ablehnen,eine möglicherweise notwendig werdende Vorbehandlung des Abwassers einzurichten oder durchzuführen und hierfür sämtliche Rechtsmittel ausschöpfen wollen.
Um eine Lösung der aufgezeichneten Probleme auch vor dem Hintergrund der unklaren Verantwortlichkeiten zu finden hat die Untere Wasserbehörde bereits Kontakt mit dem derzeitigen Eigentümer, der Heinrich Industrie AG, und dem Lippeverband aufgenommen, um darauf hinzuwirken, dass das Unternehmen das Pumpwerk zumindest baulich in Stand setzt und an den Lippeverband überträgt, der das Pumpwerk als verlässlicher Partner übernimmt und sachgerecht saniert. Offen bleibt hierbei, ob das Abwasser vorgereinigt werden muss und wer dies finanziert. Rein rechtlich könnten auch durch eine Verdünnung mit weiteren Wassermengen wie z. Bsp. aus der Körne die Belastungswerte für das Pumpwerksabwasser in einen tolerablen Bereich gebracht werden.
Zusammenfassend ist nach Aussage des Leiters der Unteren Wasserbehörde neben der Klärung der Zuständigkeiten, der dringenden Sanierung des Pumpwerkes einschließlich der notwendigen Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Verminderung der kokereispezifischen Belastungen und deren Finanzierung zunächst die Legalisierung der Einleitung herzustellen. Hierzu wird der Kreis Unna im 1. Quartal 2010 den Pumpwerksbetreiber Heinrich Industrie AG auffordern, einen Antrag zu stellen, wohin das Abwasser abgeleitet werden soll.
Herr Baudrexl bezeichnete die zeitliche Perspektive als erfreulich, wies aber darauf hin, dass die Stadt Kamen seit Jahren mit stark kontaminierten Abwassermengen belastet wird, für die sie nicht zuständig ist und für die die finanziellen Lasten im Rahmen der Lippeverbandsumlage und Abwasserabgabe daher auch anders zu verteilen sind.
Herr Mork bat um weitere Erläuterung zur künftigen Behandlung des mit kokereispezifischen Schadstoffen belasteten Pumpwerkwassers und einer evtl. direkten Einleitung in die Körne.
Herr Werner erklärte, dass die allgemeinen Anforderungen an die Qualität von Fließgewässern auch für die Körne gelten. Diese Güteanforderungen könnten aber auch immer noch erfüllt werden, wenn eine entsprechende Verdünnung des kontaminierten Pumpwerkwassers mit ausreichenden unbelasteten Wassermengen erfolgt. Die ca. 350.000 cbm Wasser/Jahr des Pumpwerkes würden in der Körne in einem Verhältnis von etwa 5 zu 1.000 weiter verdünnt. Die Untere Wasserbehörde beabsichtigt daher, die Gewässerqualität der Körne bei Mittelwasser entsprechend zu untersuchen. Bei einem vertretbaren Ergebnis könnte evtl. sogar auf eine Vorbehandlung des kontaminierten Wassers im Pumpwerk verzichtet werden.
Auf Nachfrage von Herrn Hasler bestätigte Herr Werner, dass es sich ausschließlich um Oberflächenwasser und um über Drainagen zugeführtes Grundwasser handelt, dass dann in die Kanalisation der Stadt Kamen eingeleitet wird. In diesem Zusammenhang wies Herr Jungmann darauf hin, dass die Stadtentwässerung Kamen plant, das anfallende häusliche Abwasser auf Kamener Stadtgebiet zukünftig über eine Druckrohrleitung abzuleiten.
Herr Hasler fragte nach, warum bei der Kontamination des Abwassers nur die Auswirkungen unterbunden werden sollen, nicht aber die Beseitigung der Ursache, das Teerölbecken, in Betracht gezogen wird.
Herr Werner erklärte, dass Versuche der Unteren Wasserbehörde den sogenannten Handlungsstörer in Regress zu nehmen, gescheitert sind, weil die wasserrechtlichen Vorgaben früher anders waren. Die Fläche auf der sich das alte Teerölbecken, aus dem Schadstoffe ins Grundwasser diffundieren, befindet, wurde zwischenzeitlich auch von der Bundeswehr genutzt. Falls der Weiterverkauf des Geländes von der Bundeswehr an den heutigen Besitzer nach 1999 erfolgte, wird die Untere Wasserbehörde versuchen, die Bundeswehr als Sanierer in Regress zu nehmen. Wenn dies nicht gelingt, ist die öffentliche Hand gefordert. Gutachter wurden bereits beauftragt, bis zum März 2010 Sanierungsvorschläge für das ehemalige Zechengelände vorzulegen und Maßnahmen aufzuzeigen, wie der Zustrom belasteten Grundwassers zum Pumpwerk verhindert werden kann.
Frau Hartig fragte nach, welche Schadstoffe sich auf dem Gelände befinden und ob auch die Bundeswehr für weitere Schadstoffimmissionen verantwortlich ist. Herr Werner antwortete, dass die Bundeswehr nachweislich keine weiteren Immissionen auf dem Gelände hinterlassen hat. Bei den kokereispezifischen Schadstoffen handelt es sich um Phenole, BTEX (Benzol, Tuluol, Ethylbenzol, Xylol) und sogenannte PAK (polycyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) u. a. Naphthalin und Benz(a)pyren.
Herr Jungmann wies auch darauf hin, dass aufgrund der Überlastung der Rückhalte-Bauwerke des Lippeverbandes bereits vor vier Jahren eine Fläche von ca. 35.000 qm vom Kamener Kanalnetz abgekoppelt wurde.
Auf Nachfrage von Herrn Eckardt, welchen Anteil der Zufluss von 350.000 – 370.000 cbm an der gesamten Wassermenge, die dem Klärwerk „Kamen Körne“ zugeführt wird, ausmacht, antwortete Herr Baudrexl, dass der Kläranlage jährlich ca. 13 Millionen cbm Abwasser zufließen.
Die Vorsitzende, Frau Dyduch, dankte für den informativen Bericht und verabschiedete den Referenten Herrn Werner.
(Herr Werner verließ die Sitzung.)
Auf Anregung der Vorsitzenden Frau Dyduch wurden die beiden nächsten Tagesordnungspunkte zusammen behandelt und nach gemeinsamer Diskussion einzeln abgestimmt.