Herr Baudrexl stellte seine Überlegungen und Berechnungen zum Antrag der CDU-Fraktion aus der Sitzung des Rates im Dezember 2007, eine Prognose zur Gebührenentwicklung im Abwasserbereich zu erstellen, anhand der in der Anlage 2 beigefügten Folien vor. Gemäß des Antrages sollte die Entwicklung der Abwassergebühren für den Zeitraum 2009 bis 2013 auf­gezeigt werden und neben der Berücksichtigung des zu erwartenden Anstieges der Lippe­verbandsumlage auch modellhaft die rückläufigen Wasserverbräuche und die Auswirkungen der demographischen Einwicklung in Kamen einbeziehen.

 

Der Betriebsleiter stellte vorab fest, dass es nicht möglich sei, eine gesicherte Prognose abzu­geben, da es zu viele Einflussfaktoren gäbe, die nicht konkret vorher zu sagen sind. Schon zur Entwicklung der Lippeverbandsumlage könne keine konkrete Aussage getroffen werden, obwohl zur vorangegangenen Sitzung des Betriebsausschusses zwei kompetente Vertreter des Lippe­verbandes eingeladen wurden, um über die zukünftige Entwicklung der Lippeverbandsumlage und der Abwasserabgabe zu referieren. Eine größere Sicherheit über die realistische Entwick­lung der Abgaben an den Lippeverband konnten sie jedoch nicht vermitteln.

 

Anhand eines Diagramms (Folie 2) stellte der Betriebsleiter die vier großen Kostenblöcke vor, die die Grundlage für die Kalkulation bilden: Lippeverbandsumlage (42 % Anteil), kalkulatorische Zinsen und kalkulatorische Abschreibungen (zusammen 42 % Anteil) und die sonstigen Kosten. Bei den kalkulatorischen Kosten hob er hervor, dass diese keine externen Faktoren darstellen. Da die Stadt jedoch gesetzlich verpflichtet sei, die notwendige Infrastruktur vorzuhalten, könne der Eigenbetrieb die Entwicklung dieser Kosten wenig beeinflussen.

 

Neben den Kosten wirkten sich auch Mengenveränderungen bei den Gebührenmaßstäben auf die Entwicklung von Gebühren aus (Folie 4 - 7). Anhand entsprechender Graphiken erläuterte Herr Baudrexl die in den Gebührenkalkulationen und im Finanzplan unterstellten Mengen­veränderungen beim Schmutzwasser und beim Niederschlagswasser. Ausgehend von den Annahmen, dass das Schmutzwasseraufkommen je Einwohner ab 2010 konstant bei dem Verhältnis von 52 cbm/Jahr/EWO bleibt und sich der Bevölkerungsrückgang so entwickelt, wie vom Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik NRW (LDS) prognostiziert, wurden in der Gebührenkalkulation und im Wirtschaftsplan jährlich sinkende Maßstabseinheiten für den Kostenträger Schmutzwasser eingestellt. Als Folge der sinkenden Maßstabseinheiten erhöhten sich die Schmutzwassergebühren geringfügig. Bei dem Niederschlagswasser wurden in Abstim­mung mit den mittelfristigen Planungen ab 2010 geringfügige Steigerungen von jeweils 8.000 qm/Jahr unterstellt. Der Betriebsleiter wies darauf hin, dass auch die beiden Mengen­parameter nicht sicher prognostiziert werden können.

 

In seinen weiteren Überlegungen und Berechnungen beschränkte sich der Betriebsleiter auf die, neben den dargestellten Varianten zur Entwicklung der Maßstabseinheiten, seines Erachtens wesentlichsten Einflussfaktoren für die Entwicklung der Gebühren:

 

-          Kosten: Abgaben an den Lippeverband, kalkulatorische Zinsen und kalkulatorische Abschreibungen und

 

-          Unterdeckungen/Überdeckungen aus Vorjahren und Gewinne (in Abhängigkeit von Ratsentscheidungen)

 

Der Betriebsleiter zeigte anhand einer Graphik die Entwicklung der Abgaben an den Lippe­verband auf (Folie 9). Er erklärte, dass der Eigenbetrieb davon ausgehe, dass die Lippe­verbandsumlage mittelfristig nicht sinken werde, da die Umsetzung des Sesekeprogramms weiterhin finanziert werden müsse, jedoch auch nicht mehr mit so sprunghaften Entwicklungen gerechnet werde wie in der Vergangenheit. Somit stelle der Verbandsbeitrag in den nächsten Jahren voraussichtlich auch nicht mehr den Gebührentreiber dar. Er habe daher in seinen modellhaften Berechnungen drei Varianten zur Entwicklung der Umlage berücksichtigt:

 

-          Lippeverbandsumlage bleibt konstant

-          Lippeverbandsumlage steigt um 100.000 € jährlich

-          Lippeverbandsumlage steigt um 200.000 € jährlich

 

Anders verhalte es sich mit der Entwicklung der kalkulatorischen Kosten, die zusammen den gleichen Anteil an den Gesamtkosten beanspruchen. Wenn der Eigenbetrieb die im Vermögens­plan dargestellten Maßnahmen voll umsetzen würde, hätte dies über den sprunghaften Anstieg der kalkulatorischen Zinsen und der kalkulatorischen Abschreibungen einen wesentlich höheren Einfluss auf die Gebührenentwicklung (siehe Folie 12 - Variante 1). Die Analyse der vergan­genen Jahre zeige jedoch, dass größtenteils wesentlich weniger Maßnahmen als geplant realisiert und aktiviert wurden. Daher hielt der Betriebsleiter jährliche Investitionen in das Kanalvermögen bis zu einer Höhe von 3 Mio. € eher für realistisch. Diese würde nach seinen Berechnungen auch zu einem weitaus niedrigeren Anstieg der Gebühren führen (siehe Folie 12 - Variante 6). Als Varianten für die jährlichen Investitionen in das Kanalnetz wurden drei Möglichkeiten eingestellt:

 

-          das Volumen des Wirtschaftsplanes wird realisiert

-          die jährlichen Investitionen betragen durchschnittlich 3,0 Mio. €

-          die jährlichen Investitionen werden auf 1,0 Mio. € begrenzt

 

Auch die unterschiedliche Einstellung von Unterdeckungen aus Vorjahren bzw. Gewinnverzichte könnten nach Aussage des Betriebsleiters zur Berechnung weiterer Varianten eingesetzt werden.

 

Aus der sich ergebenden Vielzahl von möglichen Varianten stellte Herr Baudrexl exemplarisch zunächst die beiden nach seiner Einschätzung extremsten Szenarien vor. Der „Worst Case“ geht davon aus, dass alle wichtigen Parameter weiter steigen:

 

-          die Investitionen werden vollständig wie im Finanzplan abgebildet durchgeführt,

-          die Abgabe an den Lippeverband steigt jährlich um 200.000 € und

-          in 2010 wird die Unterdeckung aus 2007 in Höhe von 440.000 € vollständig eingestellt.

 

Bei diesen Annahmen würde der Gebührenbedarf für Schmutzwasser von 2,71 €/cbm in 2009 auf 3,48 €/cbm in 2013 und für Niederschlagswasser von 1,14 €/qm auf 1,48 €/qm steigen.

 

Beim „Best Case“ wird unterstellt, dass

 

-          die Lippeverbandsumlage die nächsten Jahre konstant bleibt,

-          Investitionen in das Kanalvermögen lediglich bis zu einer Höhe von 1 Mio. € jährlich erfolgen,

-          die Unterdeckung in Höhe von 440.000 € nicht eingestellt wird und

-          auf 300.000 € aus handelsrechtlichen Gewinnen verzichtet wird.

 

Bei diesen Annahmen steigt der Gebührenbedarf für Schmutzwasser von 2,71 €/cbm in 2009 lediglich auf 2,81 €/cbm in 2013 und für Niederschlagswasser von 1,14 €/qm auf 1,15 €/qm.

 

Diese beiden Extreme stellen nach Ansicht des städtischen Kämmerers die Spannbreite dar, in der sich die Abwassergebühren in den nächsten Jahren bewegen werden (siehe Folien 13 - 14).

 

Die größte Wahrscheinlichkeit beinhalten nach Auffassung des Betriebsleiters jedoch folgende Szenarien:

 

  1. Real Case 1: Lippeverbandsbeitrag bleibt konstant, die jährlichen Investitionen betragen durchschnittlich bis zu 3 Mio. €, die Unterdeckung wird nicht eingestellt und es erfolgt ein Gewinnverzicht von 300.000 €
  2. Real Case 2: Lippeverbandsbeitrag steigt jährlich um 100.000 € an, die jährlichen Investitionen betragen durchschnittlich bis zu 3 Mio. €, die Unterdeckung wird nicht eingestellt und es erfolgt ein Gewinnverzicht von 300.000 €

 

Hierbei könnten sich bis 2013 Mittelwerte bei den Gebühren von ca. 3,00 €/cbm Schmutzwasser und ca. 1,24 €/qm befestigte Fläche ergeben (siehe Folie 13 und 14).

 

Zusammenfassend erklärte der Betriebsleiter, dass, wie veranschaulicht, eine genaue Prognose nicht möglich sei und die Lippeverbandsabgabe nicht die wichtigste Größe für die Gebühren­entwicklung darstelle, sondern der Zustand der Kanäle und die hieraus resultierenden Investi­tionen maßgeblich auf die Gebührenhöhe wirkten. Als Fazit konstatierte er, dass keinerlei Ent­wicklungen zu sinkenden Gebühren erkennbar seien. Da die eigenen Kosten, die beeinflusst werden könnten, am geringsten zu den Gebühren beitrügen, bei der Lippeverbandsumlage keine Reduzierungen zu erwarten wären, Investitionen in das Kanalnetz auch weiterhin not­wendig seien und mit weiteren Reduzierungen der Schmutzwassermengen gerechnet werden müsse, bliebe nur die bittere Sicht, dass weitere Gebührensteigerungen unvermeidlich seien.

 

Herr Kühnapfel schloss sich der Auffassung an, dass die Lippeverbandsumlage mittelfristig nicht sinke werde, da die Seseke-Renaturierung weiterhin nachfinanziert werden müsse. Er fragte nach, warum trotz sinkender Einwohnerzahl mit einer weiteren Flächenversiegelung gerechnet würde.

 

Herr Baudrexl erläuterte an Hand einer entsprechenden Graphik (Folie 7), dass diese Entwicklung stattfände.

 

Herr Jungmann ergänzte, dass einer seiner Mitarbeiter mittlerweile die zur Veranlagung gemeldeten Flächen systematisch an Hand von Luftbildern überprüfe und auf Grund der bisherigen Erfahrungen hier auch weitere Nachveranlagungen erwartet würden.

 

Herr Kissing lobte die vorgestellten Prognoseberechnungen: der Antrag der CDU sei mit der richtigen Vorgehensweise bearbeitet worden, die Szenarien seien mit der notwendigen Streuung berechnet, die Genauigkeit der Aussagen sei ausreichend und zu den Kostentreibern würde Klarheit geschaffen. Er dankte dem Betriebsleiter daher für seine gelungene anschauliche Analyse.

 

Frau Dyduch fasste zusammen, dass die Gebührenhöhe zukünftig weiterhin eine politische Entscheidung bliebe. Da Gebührensteigerungen zwangsläufig nicht zu vermeiden seien, dürften aber auch keine anderweitigen Versprechen an die Bürger gegeben werden.