Bettina Dresselhaus, Kriminalhauptkommissarin bei der Kreispolizeibehörde Unna, berichtete, dass sie seit 1 Jahr als Opferschutzbeauftragte bei ihrer Behörde tätig sei. Insgesamt gebe es zwei Stellen, die mit drei Personen besetzt sind. Die Opferschutzbeauftragten gehören dem Kommissariat Vorbeugung an.

 

Der Begriff „Stalking“, erklärte Frau Dresselhaus, komme aus der englischen Sprache und meine ursprünglich das Anschleichen und Anpirschen eines Jägers an das Wild. Stalking werde inzwischen mit „Nachstellung“ übersetzt und bezeichne ein fortgesetztes Bedrohen, Verfolgen und Belästigen. Stalking beinhalte ein breites Spektrum an Verhaltensweisen, die zumeist über einen langen Zeitraum angewendet werden. 24% der Opfer seien diesen Nachstellungen länger als 1 Jahr ausgesetzt. Allen Tätern sei gemeinsam, dass sie Macht und Kontrolle über ihr Opfer ausüben wollen. Typische Stalking-Handlungen seien z.B.:

 

-          Auflauern und Beobachten vor der Wohnung, am Arbeitsplatz, beim Einkauf etc.

-          Telefonanrufe zu jeder Tages- und Nachtzeit

-          Zuschütten mit SMS und E-Mails

-          Geschenksendungen als „Liebesbeweise“, die später häufig umschlagen in Beleidigungen und Drohungen

-          Verfolgen bei täglichen Wegen zur Arbeit, zum Sport, zu Freunden, zum Kindergarten und zur Schule…

-          Sachbeschädigung.

 

Die Stalker werden in verschiedene Gruppen unterteilt. In 50% der Fälle handelt es sich bei dem Verfolger um den Ex-Partner. In dieser Personengruppe komme es häufiger auch zu körperlicher Gewaltanwendung, insbesondere dann, wenn es schon während der Beziehung Gewalttätigkeiten gegeben habe. Eine weitere Gruppe bezeichne man als Beziehungs-Stalker. Hierzu zählen diejenigen, die sich aus einer Idealisierung heraus eine Beziehung mit dem Opfer wünschen. In dieser Gruppe sei der größte Frauenanteil an den Tätern zu verzeichnen. Gleichzeitig handele es sich um den ungefährlichsten Stalkingbereich. Des weiteren gebe es noch den sogenannten Hass-Stalker, der über das Nachstellen Rache an jemandem nehmen wolle. Frau Dresselhaus gab an, dass man bei all diesen Stalking-Formen von „psychischen Auffälligkeiten“ des Täters spreche. Krankhaftes Verhalten hingegen liege bei den „wahnhaften“ und den „sadistischen“ Stalkern vor. Der wahnhafte Stalker möchte eine (unrealistische) Beziehung, z.B. zu prominenten Personen. Der sadistische Stalker werde als sehr gefährlich eingestuft, weil es ihm ausschließlich darum gehe, sein Opfer zu vernichten. Reue und Schuldgefühle seien bei dieser Tätergruppe nicht vorhanden.

 

Frau Dresselhaus berichtete weiter, dass 80% der Opfer Frauen seien. Ca. jede 6. Frau mache einmal in ihrem Leben Erfahrungen mit Stalking. Die Täter kommen aus allen Schichten und Altersgruppen, wobei die Altersgruppe der 30 – 40jährigen überwiege. Sie seien in der Regel uneinsichtig und haben eine gestörte Realitätswahrnehmung. Die Schuld für ihr Verhalten sehen sie ausschließlich beim Opfer. Nach Meinung von Frau Dresselhaus sei eine frühzeitige Strafe der Täter erfolgversprechender als eine Therapie.

 

Die Opfer fühlen sich zuerst nur belästigt, schilderte Frau Dresselhaus weiter. Dann setze ein Gefühl der Hilflosigkeit und der Angst ein. Der gesamte Tagesablauf werde auf das Verhalten des Täters abgestimmt. Um dem Täter zu entkommen wechseln viele Stalkingopfer die Arbeitsstelle und/oder den Wohnort. Leider werden vom Stalker zumeist auch die Kinder des Opfers für seine Zwecke instrumentalisiert. Frau Dresselhaus gab die Empfehlung, sich möglichst frühzeitig gegen den Täter zu wehren. Seit dem 01.04.2007 sei das Gesetz zum Schutz vor Stalking § 238 StGB „Nachstellung“ in Kraft. Außerdem können die Opfer nach dem Gewaltschutzgesetz ein Kontakt- und Näherungsverbot erwirken. Dabei sei es wichtig, dass die Opfer gegenüber dem Gericht nachweisen können, dass sie in ihrer Lebensgestaltung erheblich beeinträchtigt seien. In der Praxis bedeute das, dass der Stalker dem Opfer mindestens 5x unbefugt und beharrlich nachgestellt habe. Es sei besonders wichtig, alle diese Nachstellungen zu dokumentieren. Ihrer Einschätzung nach werde erst in einiger Zeit Klarheit herrschen, wie mit diesem Paragraphen umzugehen sei. Bis jetzt liegen noch keine nennenswerten Erfahrungen vor. Positiv sei auf jeden Fall zu sehen, dass durch die Aufnahme des §238 ins StGB das Thema bewusst gemacht werde.

 

Als Opferschutzbeauftragte sei es ihre vordringliche Aufgabe, die Stalkingopfer zu beraten und sie für den Weg, der vor ihnen liege, stark zu machen. Diese Unterstützung sei für fast alle Opfer unbedingt notwendig, da sie durch die oftmals bereits lang andauernden Nachstellungen wie gelähmt seien und die Opfer viel Kraft und Eigeninitiative aufbringen müssen, um aus diesem Prozess rauskommen zu können. Wichtige Verhaltensweisen seien aus ihrer Sicht:

 

-          Kosequentes Verhalten – „den gibt es für mich nicht mehr“

-          Information des Umfeldes

-          Dokumentation über Belästigungen.

 

Die Polizei habe in diesem Bereich gute Erfahrungen mit der „Gefährderansprache“, einem Baustein des Interventionskonzeptes bei Häuslicher Gewalt gemacht. Dem Täter werde so bewusst, dass die Polizei auf der Seite des Opfers stehe und diese Angelegenheit sehr ernst nehme. Abschließend gab Frau Dresselhaus bekannt, dass seit Inkrafttreten des Gesetzes am 01.04. bis zum 31.12.07 in Bönen 1 Fall, in Bergkamen 6, und in Selm und Kamen

jeweils 3 Fälle angezeigt wurden. Insgesamt wurden in NRW 2629 Fälle zur Anzeige gebracht. Sie sei aber sicher, dass diese Zahlen sich zukünftig erheblich erhöhen werden.