Herr Völkel referierte anhand einer der Niederschrift in Kopie beigefügten Powerpoint-Präsentation. Einleitend wies Herr Völkel darauf hin, dass die Pflegeversicherung schon seit ihrer Einführung zum 01.01.1995 im Spannungsverhältnis zwischen Finanzierbarkeit und Aufgabenerfüllung steht.

 

Herr Völkel stellte anhand einer Tabelle die Entwicklung der Finanzlage in der Pflegeversicherung dar. Nach anfänglichen Überschüssen in der Pflegeversicherung, die hauptsächlich darauf basierten, dass bereits zum 01.01.1995 Beiträge erhoben, jedoch erst im häuslichen Bereich ab 01.04.1995 und im stationären Bereich ab 01.07.1996 Leistungen erbracht wurden, sind bereits ab dem Jahr 2000 finanzielle Defizite zu verzeichnen. Im Jahr 2005 trat lediglich eine leichte Entspannung in der Finanzlage der Pflegekassen ein, da durch die Einführung des Arbeitslosengeldes II zahlreiche neue Beitragszahler aufgenommen wurden sowie durch die Einführung eines Sonderbeitrages für Kinderlose in Höhe von 0,25 Prozentpunkten zusätzliche Einnahmen erzielt wurden. Auch das in der Tabelle mit einem Einnahmeüberschuss ausgewiesene Jahr 2006 sei dem Grunde nach defizitär gewesen. Lediglich eine Umstellung in der Beitragsabführung verbunden mit der Konsequenz, dass in diesem Jahr statt 12 Beitragsmonaten 13 zu Buche schlugen, habe zu dem positiven Ergebnis geführt.

 

Weiterhin erläuterte Herr Völkel bezüglich der Entwicklung der Fallzahlen der jeweiligen Pflegestufen, dass signifikante Anstiege in den letzten Jahren in der Pflegestufe I zu verzeichnen seien. Anhand des statistischen Zahlenmaterials sei weiterhin festzustellen, dass die Fälle in der Pflegestufe I und II im häuslichen Bereich rückläufig sind und dagegen im stationären Bereich überproportional zugenommen haben. Diese Entwicklung läßt darauf schließen, dass die Bereitschaft bzw. Möglichkeit, Pflegebedürftige im häuslichen Umfeld zu pflegen, nicht mehr im gleichen Umfang wie früher gegeben ist.

 

Das zum 01.07.2008 in Kraft tretende Pflege-Weiterentwicklungsgesetz sieht bereits jetzt eine stufenweise Anhebung der ambulanten und stationären Sachleistungsbeträge sowie des Pflegegeldes bis zum Jahr 2012 vor. Hierbei sei jedoch festzustellen, dass bei den ambulanten Sachleistungen eine Erhöhung der Stufe III für Härtefälle nicht vorgesehen sei. Herr Völkel erläuterte in diesem Zusammenhang, dass hiervon beispielsweise der Personenkreis mit Krebserkrankungen im Endstadium betroffen ist, für den regelmäßig mehrfach auch in der Nacht Hilfe geleistet werden muß. Im Bereich der stationären Pflege wie auch der Kurzzeitpflege ist lediglich eine stufenweise Anhebung der Leistungen der Pflegestufe III sowie bei den Härtefällen vorgesehen. Insgesamt sei anhand der Anhebung der einzelnen Leistungen erkennbar, dass der Gesetzgeber insbesondere die häusliche Pflege stärken will.

 

Wesentlicher neuer Bestandteil des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes ist der einklagbare Rechtsanspruch der Leistungsberechtigten auf Inanspruchnahme einer Pflegebegleitung gem. § 7a SGB XI gegenüber Pflegekassen und auch privaten Versicherungsunternehmen. Die Hauptaufgabe des Pflegebegleiters liegt insbesondere darin, Pflegebedürftigen, die einen Pflege- bzw. Versorgungsbedarf haben, eine individuelle Beratung sowie die Inanspruchnahme von Hilfeleistungen zu ermöglichen. Der hierzu unter Berücksichtigung der Feststellungen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zu erstellende individuelle Versorgungsplan soll umfassend alle in Frage kommenden Leistungsträger und Leistungsarten beinhalten. Die Ansiedlung der Pflegebegleitung erfolgt in neu zu errichtenden Pflegestützpunkten, welche bei den Pflegekassen angesiedelt werden sollen. Für die Betreuung der Pflegebedürftigen sei ein Schlüssel von 1:100 vorgesehen; somit würde ein Pflegebegleiter rund 100 Personen zu betreuen haben. Herr Völkel wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass an die Qualifikation und das Fachwissen der Pflegebegleiter aufgrund ihres umfangreichen Anforderungsprofils hohe Anforderungen zu richten seien.

 

Herr Hunsdiek fragte, ob die für Kamen zuständigen Personen im Neubau am Bollwerk untergebracht würden.

 

Herr Völkel verneinte dies.

 

Herr Jauer fragte nach, ob der vorgegebene Betreuungsschlüssel eingehalten werden soll.

 

Herr Völkel bejahte dies. Hinsichtlich der Finanzierung der Pflegestützpunkte wurde darauf hingewiesen, dass eine Anschubfinanzierung von 45.000,00 € je Pflegestützpunkt vorgesehen ist, wobei die Förderung um 5.000,00 € je Stützpunkt erhöht wird, sofern zum bürgerschaftlichen Engagement bereite Personen bzw. Organisationen nachhaltig mit einbezogen werden. Weiterhin führte er aus, dass die Kosten für die Errichtung der Pflegestützpunkte sich auf ca. 80 Mio. € belaufen werden; diese Mittel sollen nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel verteilt werden, welcher sich zu zwei Dritteln aus dem Steueraufkommen und zu einem Drittel aus der Bevölkerungszahl der Länder zusammen setzt.

 

Herr Gödecker fragte nach, warum man für diese Stützpunkte weitere zusätzliche Ausgaben leisten wolle.

 

Herr Völkel erwiderte, dass seitens des Gesetzgebers erwartet wird, dass die Effizienz-gewinne höher als die zusätzlichen Kosten sein werden.

 

Weiterhin führte Herr Völkel aus, dass der Gesetzgeber die bisherigen Leistungen nach § 45 a SGB XI für Personen erheblich verbessern wird, bei denen eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz  festgestellt wird, die sich jedoch unter einer erheblichen Pflegebedürftigkeit bewegt und damit keinen Anspruch auf Zubilligung einer Pflegestufe auslöst. Hier erwähnte Herr Völkel speziell den Personenkreis der Demenzkranken. Die Anspruchshöhe wurde hier von bisher 450 € jährlich auf bis zu 2.400 € hochgesetzt, wobei zusätzlich positiv zu erwähnen sei, dass ein Übertrag der nicht verbrauchten Mittel in das erste Quartal des Folgejahres vorgenommen werden kann. Ziel des neuen § 45a SGB XI ist gleichfalls der Auf- und Ausbau von niederschwelligen Betreuungsangeboten.

 

Als sonstige Maßnahme im Rahmen der Reform der Pflegeversicherung erwähnte Herr Völkel, dass eine Stärkung von zunehmend an Bedeutung gewinnenden betreuten Wohnformen bzw. Wohngemeinschaften dadurch erreicht werden soll, dass ein Poolen der Leistungen zugelassen werden soll. Hierbei handelt es sich um die Möglichkeit, Leistungen für verschiedene Personen gemeinsam abzurufen, um somit durch aufeinander abgestimmte Pflegeeinsätze zusätzliche Wirtschaftlichkeitsreserven zu erschließen, wobei die eingesparten Mittel weiterhin den Pflegebedürftigen zur Verfügung stehen sollen.

Dieses Leistungsangebot soll jedoch nicht nur auf gemeinsame Wohnformen beschränkt werden, sondern auch z.B. innerhalb eines Mietshauses oder einer Straße möglich sein.

 

Bezüglich der Einführung einer Pflegezeit erläuterte Herr Völkel, dass zunächst zwei unterschiedliche Modelle angedacht seien. Es ist zum einen vorgesehen, dass die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer unbezahlten Freistellung von bis zu sechs Monaten zur Pflege von Angehörigen eingeführt wird. Hierbei sollen jedoch Betriebe mit bis zu zehn Mitarbeitern ausgenommen werden. Für die Fälle kurzfristig auftretenden Pflegebedarfs soll die Möglichkeit geschaffen werden, einen Freistellungsanspruch von der Arbeit von bis zu zehn Tagen einzuführen. Sofern es hierbei keine vorrangigen tarif- bzw. arbeitsrechtlichen Ansprüche gibt, würde ein Lohnersatzanspruch zum Tragen kommen. Dieser beträgt 70 % des Bruttolohns und wird von der Pflegeversicherung für maximal 5 Tage gewährt.

 

Im Rahmen einer verbesserten Ausgestaltung von Prävention und Rehabilitation in der Pflege wurde insbesondere ausgeführt, dass durch finanzielle Anreize die Pflegetätigkeit innerhalb stationärer Einrichtungen gefördert werden soll. Hierbei soll einer stationären Einrichtung ein Betrag in Höhe von 1.536,00 € ausgezahlt werden, sofern durch aktivierende Pflege- und Rehabilitationsmaßnahmen das Erreichen einer niedrigen Pflegestufe erfolgt.

 

Hinsichtlich des Ausbaus der Qualitätssicherung erläuterte Herr Völkel, dass hierunter z.B. die Entwicklung von Expertenstandards zu verstehen sei, die einheitlich definierte Anforderungen für die Pflege enthalten sollen. Ein weiterer Punkt sei die Veröffentlichung von Prüfberichten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen zur Darstellung der erbrachten Leistungen in Pflegeeinrichtungen. Außerdem ist auf diesem Gebiet geplant, alle 3 Jahre turnusmäßige Überprüfungen des Grades der Pflegebedürftigkeit durchzuführen.

 

Herr Völkel erwähnte, dass als weitere sonstige Maßnahme den privaten Pflegekassen auferlegt werden soll, Basisangebote zu unterbreiten.

 

Herr Völkel führte weiterhin aus, dass zum 01.07.2008 der Beitragssatz in der Pflegeversicherung um 0,25 % steigen werde. Hiervon erwarte man sich jährliche Mehreinnahmen in Höhe von 2,5 Milliarden €. Ab dem Jahre 2015 sollen die Leistungen der Pflegeversicherung alle 3 Jahre überprüft und angepasst werden.