Der Berichterstatter, Herr Philipp, stellt sich vor. Er führt seit dem Juli 2006 für die AWO Schuldnerberatungen auf dem Gebiet des Kreises Unna für die kreisangehörigen Kommunen

Kamen und Holzwickede durch.

 

Einleitend legte Herr Philipp statistisches Zahlenmaterial vor, aus dem hervorging, dass noch im Jahr 2004 der Anteil der Sozialhilfeemfänger bzw. Empfänger von Grundsicherungsleistungen an den Beratungsfällen der AWO sich auf 22,8% belief.

 

Frau Gerdes fragte nach, welche die hauptsächlichen Verschuldungsgründe seien.

 

Herr Philipp antwortete, dass die häufigsten Gründe für das Abrutschen in die Schuldenfalle Trennung der Partner, längere Krankheit sowie Arbeitslosigkeit jeweils in Verbindung mit zu hohen Primärverpflichtungen seien.

 

Frau Gerdes erkundigte sich, in welcher Art den Schuldnern Hilfe gewährt wird.

 

Herr Philipp antwortete, dass als vordringlichste Aufgabe die Festschreibung der Forderungen

vorgenommen wird. Weiterhin würden Stundungsvereinbarungen sowie der Verzicht auf Zinsforderungen angestrebt, damit die Schuldenlast nicht noch weiter ansteigt.

 

Herr Gercek fragte, warum in der Zeit von 2004 – 2006 der Anteil der Sozialhilfeempfänger an den gesamten Beratungsfällen so stark zurück gegangen sei.

 

Herr Sparbrod  antwortete, dass dies durch den Wechsel der Sozialhilfeempfänger aus der “alten” Sozialhilfe in den Bezug von Arbeitslosengeld II bedingt sei.

 

Frau Hartig führte aus, dass nach ihren Erfahrungen vielen Menschen die Möglichkeit der Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens nicht bekannt sei.

 

Herr Philipp teilte mit, dass der Gesetzgeber im Laufe des Jahres 2008 das Gesetz zur Entschuldung völlig mittelloser Personen reformieren wolle. In seinen Ausführungen wolle er sich im wesentlichen auf die Verbraucherinsolvenz beschränken. Im Lande Nordrhein-Westfalen dürfen neben den Schuldnerberatungsstellen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte im Rahmen eines Insolvenzverfahrens als geignete Personen tätig werden.

 

Zur Zeit wird hierbei einleitend versucht, einen vorgeschriebenen aussergerichtlichen Einigungsversuch herbeizuführen. In der Praxis kommt dieser Einigungsversuch jedoch fast nie zustande, da alle Gläubiger dem zustimmen müssen. Das Scheitern dieses Einigungsversuches wird dem zuständigen Amtsgericht mitgeteilt. Nunmehr kann der Insolvenzantrag direkt beim zuständigen Amtsgericht gestellt werden, welches in der Regel innerhalb eines Monats das Verfahren eröffnet. Die anfallenden Verfahrenskosten (z.Zt. ca. 2300 €) sollen zukünftig gestundet werden. In der Vergangenheit scheiterten viele Verfahren daran, dass die Schuldner die Verfahrenskosten nicht aufbringen konnten.

Die ablehnende Haltung der Gläubiger kann der Amtsrichter bei Kopf- und Summenmehrheit (50 % der Gläubiger und 25 % der Forderungen) überstimmen. Im Anschluss hieran ergeht ein Eröffnungsbeschluss, der zukünftig nicht mehr in der Presse, sondern nur noch im Internet veröffentlicht werden soll. Es wird ein Treuhänder eingesetzt, der die Vermögensmasse verwertet. Vorrangig werden die Verfahrenskosten bedient; erst danach die Forderungen der Gläubiger. Mit Verkündung des Eröffnungsbeschlusses ergeht ein Vollstreckungsverbot sowie die Aufforderung an eventuelle Gläubiger, ihre Forderungen anzumelden. Der Schuldner tritt alle seine Einnahmen an den Treuhänder ab. Die anfallenden Treuhänderkosten belaufen sich auf 100 €  + Mehrwertsteuer. Werden die Treuhänderkosten nicht aufgebracht, wird keine Restschuldbefreiung ausgesprochen. Bei Wohlverhalten des Schuldners wird 6 Jahre nach Ergehen des Eröffnungsbeschlusses die Restschuldbefreiung ausgesprochen.

 

Der seit August 2007 vorliegende Entwurf der Bundesregierung zur Neukonzeptionierung des Entschuldungsverfahrens bringt eine starke finanzielle Belastung der Länder mit sich.

Wie bereits oben erwähnt sollen zukünftig die anfallenden Verfahrenskosten gestundet werden, da 80% der Schuldner nicht pfändbar sind (Einzelpersonen mit Einkünften von weniger als 990 € und Personen mit Unterhaltspflicht gegenüber einer weiteren Person weniger als 1300 €).

Hieraus werden vermutlich Einnahmeausfälle der Länder in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrages resultieren.

Auch im neuen Verfahren kann wieder ein außergerichtlicher Einigungsversuch angestrebt werden. Zusätzlich besteht jedoch die Möglichkeit der Ausstellung einer Aussichtslosigkeitsbescheinigung. Diese kann erteilt werden, wenn mehr als 20 Gläubiger Forderungen erheben oder eine Befriedigungsquote von weniger als 5% errechnet wird.

Mit dieser Bescheinigung kann der Schuldner dann Insolvenzantrag stellen.

Die Vergütung für diese Beratungshilfe beläuft sich auf 60 €.

Herr Philipp wies darauf hin, dass aufgrund der geringen Entgelthöhe geeignete Personen wie Rechtsanwälte, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer kaum Interesse an dieser Beratungshilfe zeigen würden. Der Großteil dieser Bescheinigungen dürfte daher von den Schuldnerberatungen erstellt werden.

Eröffnet wird das Insolvenzverfahren jedoch nur bei vorhandener Masse.

Bei nicht vorhandener Masse wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch richterlichen Beschluss abgewiesen und die Einleitung des Entschuldungsverfahrens beschlossen.

In diesem Restschuldbereinigungsverfahren bestellt das Gericht einen Treuhänder. An diesen hat der Schuldner den pfändbaren Teil seiner Bezüge abzutreten. Für die Tätigkeit des Treuhänders muss der Schuldner zwingend 13 € monatlich entrichten.

Die Befreiung von der Restschuld tritt 6 Jahre (Wohlverhaltensphase) nach Abweisung mangels Masse ein.

Es besteht die Möglichkeit der vorzeitigen Befreiung von der Restschuld, wenn innerhalb von 2 Jahren eine Befriedigungsquote von 40 % oder nach 4 Jahren eine Quote von 20% erreicht wird.

Dieses Reformgesetz ist im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig; es hat diesem aber zur Stellungnahme vorgelegen. Eine der wesentlichen Änderungsforderungen im Bundesrat bestand in dem Verlangen nach einer Ausweitung der Kostenbeteiligung der Schuldner.