Frau Dr. Hesse erläuterte im Eingang zu ihrem ausführlichen Vortrag die Aufgabenstellung. Zunächst war eine Kompletterfassung des Einzelhandelsbestandes erforderlich. Es wurden Zentrumsbereiche gebildet und Defizitpotenziale herausgearbeitet. Der Auftrag umfasste eine umfangreiche Analyse des Kamener Einzelhandels, ferner war ein gesamtstädtisches Einzelhandelskonzept zu erstellen. Damit sollte ein Bewertungsraster für die Entscheidungs­gremien bereitgestellt werden mit dem Ziel, die Zentrumsstruktur zu stärken und zu opti­mie­ren. Sie erläuterte die verschiedenen Entwicklungstendenzen auf der Einzelhandelsseite (Anstieg der Filialisierung und der Massendistribution, Zunahme der Konzentrationspro­zesse), der Nachfrageseite (Veränderungen bei Arbeitszeiten, gestiegenes Freizeitverhalten, Erlebnisgesellschaft, gesteigerte Mobilität, Polarisierung der Konsummuster zu Lasten des Versorgungskonsums, Entwicklung der Bevölkerungszahlen und -struktur), Standortanforde­rungen der Lebensmittelanbieter (zentrale Lage, gute Erreichbarkeit, großes Parkplatz­ange­bot, Kombination Vollsortimenter mit Discounter) und die Auswirkungen dieser Entwick­lungstrends auf die kommunale Zentrenstruktur, die damit den Grundsatz der “relativen Gleichversorgung” gefährden. Folgen sind Versorgungsdefizite in den Zentrenbereichen. Nach Vorstellung der Kamener Bevölkerungsentwicklung wurden ausführlich die Einzel­han­delsstrukturen im Kamener Stadtgebiet anhand von Karten und Tabellen zu den ver­schiede­nen Zentrenbereichen (Kamen-Mitte, Methler, Südkamen, Heeren-Werve) und Sonderge­bieten (Zollpost, Kamen Karree) dargestellt und bewertet. Nach ausführlicher Information über die Defizitpotenzialanalyse und Aufzeigung von Empfehlungen zur weiteren Zentren­entwicklung lassen sich die Ergebnisse der Einzelhandelsanalyse wie folgt zusam­menfas­sen:

 

·         Südkamen

-            gute Versorgungsstruktur, derzeit kein Handlungsbedarf

 

 

·         Kamen-Mitte

-          Zur langfristigen Sicherung der Nahversorgung in der Kamener City empfiehlt das Gut­achten eine Erweiterung des Angebotspotenzials im Bereich Nahrungs- und Ge­nussmittel um ca. 1.900 m² Verkaufsfläche. Auf eine Neuansiedlung außerhalb der definierten Zentrenbereiche sollte verzichtet werden. Rewe und Plus wünschen sich dem heutigen Standard angepasste Standorte, die den Anforderungskriterien entsprechen. Daher wird eine Verlagerung bzw. Erweiterung der in der Weststraße ansässigen Anbieter Rewe und Plus empfohlen. Damit würde ein attraktives Sorti­mentsangebot als Kombination aus Vollsortimenter und Discounter auf insgesamt ca. 2.800 m² bis 3.200 m² Verkaufsfläche geschaffen.

-          In der Kamener City wurde ein Ansiedlungsbedarf in der Sortimentsgruppe Sport­arti­kel mit einer Verkaufsfläche von ca. 1.300 m² ermittelt. Ein großflächiger Anbieter könnte diese Angebotslücke schließen und darüber hinaus für die City eine weitere Magnetfunktion übernehmen.

 

·           Stadtteilzentrum Methler

-          Im Sortimentsbereich Nahrungs- und Genussmittel besteht ein Defizit von ca. 1.600 m² Verkaufsfläche. Eine Stärkung des Stadtteilzentrums wird empfohlen. Wün­schenswert wäre eine Nachnutzung des alten Edeka-Standortes am Bahnhof Methler. Aufgrund der räumlichen Anforderungen (Fläche, Parkplatzangebot) ist es jedoch fraglich, ob eine Nachfolgenutzer aus den Reihen der bekannten Anbieter gefunden werden kann. Vorrangiges Ziel sollte die Schaffung von Potenzialflächen für ein Lebensmittelangebot bestehend aus Discounter und Vollsortimenter im Stadt­teil­zentrum Methler sein.

-          Aus der Sortimentsgruppe Gesundheits- und Körperpflege ergibt sich für das Stadt­teil­zentrum Methler ein Ansiedlungsbedarf von ca. 100 m² bis 250 m².

-          Zur sukzessiven Entwicklung des Stadtteilzentrum ist es erforderlich, die im Grunde in allen Sortimentsbereichen des aperiodischen Bedarfs vorhandenen kleineren An­siedlungspotenziale auszunutzen. Die im Gutachten genannten Verkaufsflächen­grö­ßen zeigen die Ansiedlungsspielräume.

 

·           Stadtteilzentrum Heeren-Werve

-          Die derzeitige Ausstattung deckt den Bedarf in vielen Bereichen nicht ab. Es ergeben sich Ansiedlungspotenziale in den meisten Sortimentsgruppen.

-          Das Gutachten empfiehlt zur langfristigen Sicherung der Nahversorgung, den Alt­stand­ort Edeka in der Mittelstraße als Vollsortiment zu sichern. Dies entspräche dem Bedarf von ca. 780 m² und würde eine wichtige Magnetfunktion für das Zentrum und die dort ansässigen Geschäfte bedeuten. Entsprechende Verhandlungen mit Rewe sind auf den Weg gebracht worden.

-          Aus wirtschaftlichen Gründen ist der Plus in der Märkischen Straße von einer Schlie­ßung bedroht. Potenzialflächen, die die heutigen Anforderungen an einen modernen Markt erfüllen, sind im Zentrum nicht verfügbar. Deshalb und zur Siche­rung einer ausreichenden Versorgung des Stadtteils befürworten die Gutachter eine Verlage­rung des Plus-Standortes an die Heerener Straße, wenn eine Nachnutzung des Alt­standortes als gescheitert anzusehen sei.

 

·            Quartiersversorgungszentren Kaiserau und Lüner Höhe

 

-          Die Deckung der Grundversorgung mit Nahrungs- und Genussmittel sowie Gesund­heits- und Körperpflegemittel in den umliegenden Wohnquartieren ist im aus­reichen­den Maße vorhanden.

-          Vorrangiges Ziel ist hier die Bestandssicherung.

 

·           Flächendeckende Versorgung in den Wohngebieten

 

-          Hier besteht die Möglichkeit der Entwicklung von Kleinflächenkonzepten (z. B. IK-Kon­zept, “Um’s Eck”-Konzept, miniMarkt, ShopTreffs, MarktTreffs), die entsprechend dem Wohngebiet dimensioniert sein müssen, damit keine schädlichen Kaufkraft­ab­flüsse aus den nächstgelegenen Zentren eintreten.

 

 

Alle Einzelheiten dazu sind dem Einzelhandelsgutachten zu entnehmen, welches den Frak­tionen in Kürze zugehen wird.

 

Herr Lipinski bedankte sich bei Frau Dr. Hesse für den ausführlichen und informativen Vor­trag.

 

Nunmehr beantwortete Frau Dr. Hesse die verschiedenen Anfragen der anwesenden Aus­schussmitglieder zum vorgestellten Einzelhandelskonzept.

 

Herr Kloß erkundigte sich nach der Situation im Ortsteil “Methler Dorf”.

 

Frau Dr. Hesse verdeutlichte, dass hierbei keine tieferen Differenzierungen der einzelnen Ortsbestandteile untersucht wurden. Sinn und Zweck des Gutachtens sei die Konzentration des Angebotes und damit die Sicherung der Zentren. Für Methler sei das Potential in dem von Herrn Kloß angesprochenen Bereich erschöpft. Sie gab zu bedenken, dass Kleinflächen­konzepte unter Umständen die Quoten für die Zentrenbereiche nach unten bringen und da­mit die flächendeckende Versorgung langfristig gefährden können. Des Weiteren führte sie an, dass es schwierig sein könnte, entsprechende Interessenten zu finden.

 

Frau Scharrenbach bezweifelte die Verfügbarkeit von Flächen in der Kamener City für die Schaffung des vorgestellten Kombinationsangebotes Vollsortimenter / Discounter. Des Wei­teren brachte Frau Scharrenbach ihre Verwunderung darüber zum Ausdruck, dass die Fa. Plus ggf. beabsichtige, die Solitärstandorte zu schließen, obwohl bei der zu erwartenden Alterung der Bevölkerung eine Abnahme der Mobilität abzusehen sei und damit ein An­spruch auf Erreichung der Einzelhandelsbetriebe in Wohnungsnähe erforderlich würde.

 

Frau Dr. Hesse erläuterte, dass die mögliche Schließung verschiedener Standorte von den Versorgern selbst aus wirtschaftlichen und den bereits genannten mangelnden lagebezo­genen Anforderungen (zu wenig Parkplätze, Erreichbarkeit) in Erwägung gezogen wurde.

 

Frau Dyduch merkte an, dass die wirtschaftspolitische Entwicklung auf kommunaler Ebene nur bedingt beeinflussbar sei. Hinsichtlich des Vortrags erkundigte sie sich, wie es zu dem ermittelten Defizitpotential im Bereich Sportartikel in der Kamener City gekommen sei.

 

Das Defizitpotential im Bereich Sportartikel, so erklärte Frau Dr. Hesse, wurde aufgrund von Erfahrungswerten aus und Anforderungen an Mittelzentren ermittelt. Kamen sei als Mittel­zentrum zu bewerten.

 

Herr Kaminski bewertete das vorgestellte Konzept grundsätzlich positiv. Er kritisierte die ggf. beabsichtigte Schließung der Solitärstandorte in Kamen-Mitte im Hinblick auf die Ent­wicklung der Alterspyramide.

 

Er merkte des Weiteren an, dass aus dem Bereich Methler ein starker Kaufkraftabfluss Richtung Husen erfolge.

 

Frau Dr. Hesse verdeutlichte nochmals die Ziele des Einzelhandelsgutachtens, nämlich die Kaufkraft vor Ort zu binden, zu halten und die flächendeckende Versorgung zu sichern.

 

Auf Anfrage von Herrn Kissing, inwieweit z. B. die Einzelhandelsverkaufsflächen im angren­zenden Bergkamener Mischgebiet in die Betrachtungen einbezogen wurden, erklärte Frau Dr. Hesse, dass bei den Untersuchungen jede Stadt für sich hinsichtlich der Nahversorgung ausgewertet wurde und dies nicht eingeflossen sei. Das beziehe sich ebenfalls auf Sonder­standorte in Kamen (z. B. Kaufland - 30 % der Kaufkraft von außen).

 

Des Weiteren erkundigte sich Herr Kissing, ob der Trend im Lebensmittelhandel dahin gehe, die Verkaufsfläche zu erweitern (ca. 1.000 m²) und den Parkplatzbedarf erheblich (ca. 3.000 m²) auszubauen.

 

Frau Dr. Hesse konnte diesen Ausführungen zustimmen, wonach die Verkaufsfläche, stand­ortabhängig vom Einzugsgebiet, eine Fläche von 800 bis 1.300 m² umfasse.

 

Herr Bremmer bemerkte, dass in dem Gutachten erhebliche Defizitpotentiale aufgezeigt wurden. Er erkundigte sich in diesem Zusammenhang nach den Chancen für die Um­set­zung, insbesondere in der Innenstadt, und fragte nach der Gefährdung der 3 Plus-Standorte.

 

Frau Dr. Hesse erläuterte, dass durch Nutzung vorhandener Kapazitäten (z.B. in Heeren-Werve, Standort Mittelstraße) die aufgezeigten Defizitpotentiale relativiert würden. Zur Schließung der Solitärstandorte von Plus gab Frau Dr. Hesse an, dass ihr hinsichtlich der Zeitachse keine Informationen vorlägen, das der Betreiber - wenn überhaupt - aus wirtschaft­lichen Gründen eine Schließung beabsichtige und eine Neuplatzierung in der Innenstadt ein­hergehe mit der Schließung zumindest eines Solitärstandortes. Insgesamt sind die Voll­sorti­menter nicht glücklich mit den derzeitigen Standorten in der Innenstadt. Hier sei es die Auf­gabe, einen großflächigen Standort mit den entsprechenden Anforderungen zu suchen. Per­spektivisch müsse die Entwicklung dahin gehen, dass die Zentrenansiedlung gefördert und die Sondergebietsansiedlung zurückgefahren würde.

 

Frau Scharrenbach stellte fest, dass die geplante Wohnumfeldverbesserung in der Innen­stadt  die Ansiedlung attraktiviert, dies jedoch noch keine Kaufkraftbindung nach sich ziehen müsse. Hierzu seien weitere Begleitmaßnahmen und eine weitere Bearbeitung im Sinne des Einzelhandelskonzeptes erforderlich.

 

Zur Abwicklung erläuterte Herr Baudrexl, dass mit der heutigen Sitzung das Einzelhandels­gutachten eingebracht wurde. Das Gutachten gehe in den nächsten Tagen den Fraktionen zur weiteren Beratung und Diskussion zu. Anschließend erfolge die weitere Diskussion und Auseinandersetzung mit der Thematik in den Fachausschüssen mit dem Ziel, geeignete Maßnahmen zu entwickeln.

 

Herr Stahlhut merkte an, dass er das Gutachten mit Interesse und einiger Sorge zur Kennt­nis genommen habe. Er wies darauf hin, dass er sich z. B. für den Textilbereich ein hoch­wertigeres Angebot in Kamen wünsche und so gäbe es sicherlich in vielen Bereichen die unterschiedlichsten Ansiedlungswünsche.

 

Frau Dr. Hesse verdeutlichte, dass für ein besseres Qualitätsniveau z. B. die Ansiedlung eines großflächigen Anbieters in Betracht käme. Hierfür müssten jedoch geeignete Standorte gezielt für die Potenzialflächen gezielt ausgewiesen werden. Gelingen könnte dies vielleicht in enger Zusammenarbeit mit den Grundstückseigentümern.

 

Herr Hupe wünschte sich für die weitere Vorgehensweise eine breite öffentliche Diskussion der gesamten Thematik mit eingehender Abwägung hinsichtlich der Standortausweisungen und Reflexion der Folgen, damit schlussendlich eine Linie entwickelt werden kann, die das weitere Vorgehen bestimme.

 

Herr Hasler merkte an, dass einige der vorgestellten Defizitpotentiale von seinem subjek­tiven Empfinden abwichen. So empfindet er ein Defizit im Bereich Kleidung, der Spielwaren­bereich ist nach seiner Meinung abgedeckt und bei den Sportartikeln zeigte es sich skep­tisch, da in der Vergangenheit in diesem Bereich Geschäftsaufgaben zu verzeichnen waren.

 

In Bezug auf das Defizitpotenzial im Sportartikelbereich sei, führte Frau Dr. Hesse aus, hin­sichtlich eines großflächigen Anbieters der Bedarf festgestellt worden und wies nochmals auf die Magnetfunktion hin. Im Bereich Kleidung sei trotz nicht 100 %iger Kaufkraftdeckung keine Defizit ausgewiesen, da hier die Funktion der Oberzentren in der Nachbarschaft mit berücksichtigt wurden. Insgesamt soll das Gutachten Spielräume und Richtgrößen auf­zei­gen; die Umsetzung sei schließlich eine Frage der Abwägung und weiteren Diskussion.

 

Herr Kaminski wies auf die vielen Leerstände in der Innenstadt hin.

 

Auch Herr Ebbinghaus bedauerte die vielen Leerstände und verband damit die Frage, ob zu viele Einzelhandelsflächen vorhanden seien.

 

Frau Dr. Hesse verdeutlichte, dass hier ein vernünftiges Leerstandsmanagement erforderlich sei. Vielfach handele es sich um inhaberbezogene Gründe für die Geschäftsaufgaben (z. B. Alter, Krankheit).

 

Herr Plümpe bemerkte, dass Karstadt einen Teil des früheren Sortiment aufgegeben habe.

 

Frau Dr. Hesse wies darauf hin, dass hier eine generelle Entwicklung bei den SB-Waren­häusern zu verzeichnen sei. Es ist absehbar, dass es die klassischen SB-Warenhäuser in dieser Form in Zukunft nicht mehr geben werde. Die rückläufige Entwicklung wird durch Un­tersuchungen bewiesen. Sie räumte ein, dass auch Karstadt auf diese Entwicklung reagieren müsse und insoweit hier auch die Nutzung offen stehe z. B. für einen groß­flächigen Sportar­tikelanbieter.

 

Herr Plümpe merkte an, dass Edeka in der Innerstadt trotz der Nähe zur Tiefgarage das Geschäft aufgegeben habe.

 

Frau Dr. Hesse verdeutlichte, dass dieses Konzept mit der Tiefgarage nicht mehr zeitgemäß sei und in keiner Weise den heutigen Anforderungskriterien entspräche.

 

Herr Kissing wies darauf hin, dass mit dem Einzelhandelsgutachten eine Diskrepanz zwi­schen Wunsch und Wirklichkeit deutlich werde und es geboten sei, sich auf aufgezeigte Trends und Entwicklungen einzustellen. Er wünschte sich für den weiteren Verlauf einen offenen Diskussionsprozess und bat darum, einen überschaubaren Bearbeitungszeitraum zu vereinbaren.

 

Herr Lipinski fasste zusammen, dass nunmehr die Fraktionen aufgefordert seien, das vor­gestellte Einzelhandelsgutachten zu sichten, zu bewerten, zu diskutieren und schließlich in politisches Handeln umzusetzen. In der vorangegangenen Diskussion seien bereits die un­terschiedlichsten Auffassungen deutlich geworden.