Herr Stein sprach über die Lage des Handwerks in Kamen. Er führte aus, dies sei ein rein subjektiver Blick und habe keinen Anspruch auf wissenschaftliche Exaktheit. Sein Vortrag war in 3 Bereiche aufgeteilt a) Allgemeiner Überblick b) Probleme der Handwerksbetriebe und c) Ausbildungssituation.

Herr Stein berichtete, dass die Mitgliedschaft in der jeweiligen Handwerksinnung für die Handwerker freiwillig sei. Die unter dem Dach der Kreishandwerkerschaft versammelten Innungen vertreten die Interessen der Innungsmitglieder.

 

Frau Anke Werthmann und Herr Sklorz nahmen ab 18.10 Uhr an der Sitzung teil.

 

Im Bäckerhandwerk gab es früher 4 selbst produzierende Unternehmen in Kamen, heute sei es nur noch die Bäckerei Sadlowski. In Deutschland reduzierten sich die produzierenden Betriebe von 2015 mit 12.155 Betriebe auf 9.600 im Jahr 2022. Die Anzahl der Beschäftigten sei von 275.000 auf 238.000 im gleichen Zeitraum zurückgegangen. Es sei ein wichtiges Handwerk, welches zwar Rückgänge verzeichne, doch nicht aussterben werde. Die Ausbildungszahlen seien zwar von 18.800 auf 10.800 zurückgegangen, dies sei aber ein branchenübergreifendes Problem. Im Bäckerhandwerk sei besonders die Energiekrise zu Beginn des Ukraine-Krieges sehr problematisch gewesen.

 

Im Fleischerhandwerk seien nur noch 2 handwerklich geprägte Betriebe (Flechsig und Demarczyk) in Kamen. Bundesweit sei die Anzahl der Betriebe in den letzten 10 Jahren von 14.300 auf 10.300 abgesunken. Die Mitarbeiterzahl sei nicht so stark gesunken (2012: 146.000 auf 2022: 138.000). Die Beschäftigten arbeiten für weniger aber expandierende Betriebe.

 

Im Hochbau spiegele sich eine ähnliche Struktur ab. In Kamen existieren aktuell 12 Betriebe. Der Bausektor habe sich zur Corona-Phase gut aufgestellt. Tiefstand war 2008 mit 705.000 Mitarbeitern und bis 2022 seien die Beschäftigten auf 927.000 wieder angestiegen. Besonders die Vielzahl der Baugenehmigungen habe zu dieser Konjunktur beigetragen. Der Bereich habe aber aktuell durch die gestiegenen Materialkosten und die gestiegenen Zinsen auf der Bauherrenseite erhebliche Probleme.

 

Herr Stein führte aus, dass aktuell auch Deponieflächen fehlen, um Stoffe, die beim Abriss anfallen, zu lagern und die geplante Rohstoff-Abgabe auf Kies und Sand erhöhe die Kosten weiter. Die Anzahl der Baugenehmigungen sei stark gesunken, vom Höchstwert von monatlich 41.800 in 2019 auf monatlich 19.300 im August 2023.

 

Der Installateur- und Heizungsbau laufe aktuell gut und es gebe in Kamen 26 Betriebe. Wie das Elektrohandwerk stehe dieser Wirtschaftszweig stark im Wandel. Im Jahr 2022 gab es große Lieferprobleme für Wärmepumpen, in diesem Jahr habe es sich wieder entspannt. Problematisch sei hier eine Gesetzesänderung ab 01.01.2024, wonach der Handwerker verpflichtet sei, die Kunden zu beraten, dass die Aufstellung einer Heizung, die mit festen und flüssigen oder gasförmigen Brennstoffen betrieben werde, möglicherweise teurer werde, infolge einer anstehenden CO2-Bepreisung. Weiterhin müsse er darauf hinweisen, dass es aus wirtschaftlichen Aspekten sein könne, im Rahmen der Wärmeplanung der Kommunen, es zu einem Anschlusszwang an ein Fernwärmenetz kommen könne. Für den Handwerker sei diese Vorgabe im Kundenkontakt herausfordernd. Grundsätzlich sei für dieses Handwerk, genauso wie für das Elektrohandwerk, der Blick in die Zukunft zuversichtlich.

 

Aktuell seien 25 Betriebe im Elektrohandwerk tätig. Die Materialsituation habe sich verbessert, so hätten z. B. PV-Anlagen wieder kürzere Lieferzeiten.

 

Im Friseurhandwerk gebe es momentan 40 Betriebe in Kamen. Besonders die Friseure hätten unter den Lockdowns gelitten und, obwohl die Corona-Hilfen schnell bewilligt und ausgezahlt wurden, müssten diese jetzt zurückgezahlt werden. Des Weiteren gebe es einen harten Konkurrenzkampf mit den Barber-Shop´s, die nicht alle in der Handwerksrolle eingetragen seien und damit keinen Meisterbrief vorweisen können. Dies sei ein ungleicher Wettbewerb, welcher die Friseurbetriebe stark belaste.

 

Herr Stein führte aus, dass es in Kamen 18 Maler- und Lackier-Betriebe gebe, 9 Tischler, 18 Metallbau-Betriebe sowie 3 Feinwerkmechaniker-Betriebe im Metallbau. Dies sind Handwerksbetriebe, die ihren Beitrag zur Energiewende leisten und gut aufgestellt seien.

 

Herr Stein ging danach auf die Probleme im Handwerk ein. Ein Problem, das fast alle Branchen betreffe, sei der Fachkräftemangel. Besonders die Unternehmensnachfolge sei schwierig, da es oft nicht einfach sei, den Betrieb innerhalb der Familie oder an einen langjährigen Mitarbeiter weiterzugeben. Auch gebe es Probleme des Bürokratieaufwandes. Eine Umfrage des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks zum Bürokratieaufwand im Handwerk habe ergeben, dass 74 % der Befragten angaben der Bürokratie- und Dokumentationsaufwand in den letzten 5 Jahren sei angestiegen, insbesondere die Anpassungen an immer neue Regelungen sei für 76 % der Handwerksbetriebe eine große Belastung. Hinzukomme der Aufwand zur Erfüllung für Nachweise und Dokumentation von gesetzlichen Regelungen. Der Präsident der Handwerkskammer Dortmund schätze, dass mindestens 5 Stunden pro Woche für Büroarbeit eingerechnet werden müssen. 58 % der Betriebe gaben an, dass sie die Selbständigkeit aufgrund der Bürokratisierung für zunehmend unattraktiver halten. Dies sei auch im Hinblick auf die Unternehmensnachfolge schwierig.

 

Herr Stein brachte als Negativbeispiel die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ins Gespräch. Früher musste der Arbeitnehmer die AU beim Arbeitgeber einreichen, heute müsse der Arbeitgeber sich darum kümmern. Doch dieses System funktioniere aktuell sehr unzuverlässig. Oft seien die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht sichtbar oder nicht eingestellt und somit schlecht zu handhaben, besonders weil hier die Lohnfortzahlungspflicht eine Rolle spiele.

 

Weiterhin seien der Datenschutz, die Gewerbe-Abfallverordnung, Fahrtenschreiberpflicht, statistische Meldungen an das statistische Bundesamt, Lebensmittelinformationsverordnung und Unterweisung der Mitarbeiter auf Arbeitsschutz zu nennen, die alle für sich genommen sehr wichtig seien, aber die Summe der verschiedenen gesetzlichen Auflagen erhöhe den Bürokratieaufwand jedes einzelnen Unternehmers.

 

Zum Schluss des Vortrags ging Herr Stein auf die Ausbildungssituation des Handwerks ein. Er erklärte, dass in der Regel 1000 Ausbildungsverträge pro Jahr über alle Ausbildungsjahre im Handwerk im Kreis Unna existieren, in 2023 gebe es insgesamt 1066 Verträge, dies mache ein Zuwachs von ca. 9,6 % aus. Im Kreis Unna seien 342 neue Verträge für das 1. Ausbildungsjahr geschlossen worden.

 

Erfreulich sei, dass dieses Jahr auch Zuwächse bei Betrieben zu verzeichnen seien, in denen es für gewöhnlich große Probleme gebe, wie z. B. im Bäckerhandwerk, mit 7 neuen Auszubildenden (2022: 2 neue Auszubildende) und bei Fleischern seien 4 neue Auszubildende eingestellt worden.

 

Bei KfZ-Mechatronikern seien 59 neue Ausbildungsverträge geschlossen worden, dieser Bereich sei immer gut nachgefragt, so auch im Jahr 2023.

Herr Stein trug ein Anliegen eines Handwerkers vor, dass es in Kamen umständlich sei, eine Genehmigung für das Aufstellen von Gerüsten zu bekommen und der Handwerkerparkausweis fahrzeugbezogen sei.

 

Ergänzung: Der Handwerkerparkausweis ist übertragbar auf maximal fünf Fahrzeuge, gilt aber jeweils nur für das genutzte Fahrzeug, in dem Originalausweis im Sichtbereich der Frontscheibe ausgelegt ist.

 

Herr Fuhrmann bedankte sich für den Einblick in das Handwerk und fragte Herrn Stein, ob es Kamener Betriebe gebe, die in naher Zukunft geschlossen werden, weil sich keine Nachfolge abzeichne. Weiterhin fragte Herr Fuhrmann, welche Methoden die Kamener Betriebe hätten, um bei Jugendlichen für ihre Berufsbilder zu werben, vor dem Hintergrund der Work-Life-Balance.

 

Herr Stein antwortete, dass sich die Kreishandwerkerschaft als Servicepartner der Betriebe verstehe. So gebe es 2 Ausbildungs-Coaches, die auf Messen zeitweise von den Handwerkern begleitet werden. Im letzten Jahr gab es erneut eine große Kampagne „Aktion Traumberufe“, welche sehr gut angekommen sei. Es werde nicht nur über die Print-Medien geworben, sondern ebenfalls in den sozialen Netzwerken. Die Betriebe würden sensibilisiert, dass sie die künftigen Auszubildenden nicht nur die unbeliebten Aufgaben ableisten lassen sollen, sondern ermöglichen über Praktika vollumfänglich den Job kennenzulernen. Zu den voraussichtlichen Schließungen habe er keine Zahlen.

 

Herr Heidler regte an, dass Handwerker mehr Praktikanten die Chance geben sollten, die später dann eventuell eine Ausbildung beginnen könnten. Er erkundigte sich noch einmal explizit danach, ob es im Rahmen der Unternehmensnachfolge nicht sinnvoll wäre, die Abiturienten/innen stärker in den Fokus zu nehmen, da diese oft über multiple Fähigkeiten verfügen, um ein solches Unternehmen zu übernehmen und zu führen.

 

Herr Stein informierte, dass er diese Berührungsängste des Handwerks mit den Abiturienten/Innen nicht sehe. Abiturienten/Innen, die in einem Studium keine Erfüllung finden und abbrechen, absolvierten oft hervorragend eine Ausbildung und machten oft ihren Meister hinterher. Er sehe das Fremdeln der Abiturienten/Innen mit dem Handwerk eher darin, dass die Schüler/Innen, die Abitur machen, dann lieber studieren.

 

Herr Madeja fragte nach, ob die hohe Anzahl an Azubis ein Nachholeffekt von Corona sei und wie es mit der Bezahlung während der Ausbildung aussehe.

 

Herr Stein antwortete, dass es schwierig sei diese Frage zu beantworten, da die Ausbildungszahlen immer einer gewissen Schwankung unterliegen. Während Corona wäre aber ein Einbruch zu verzeichnen gewesen, besonders da keine Praktika möglich waren. Bei der Vergütung sei es unterschiedlich. Es gebe Branchen, die im Laufe der Ausbildung eine Ausbildungsvergütung von mehr als 1.000,- € brutto/monatlich zahlen.

 

Herr Nickel erkundigte sich, ob die Kreishandwerkerschaft den Schulterschluss mit Jobcenter und Integration Point suche, um das ganze Potential auszuschöpfen.

 

Herr Stein bejahte es. Mit der Agentur für Arbeit und Jobcenter bestehe ein reger Austausch. Vor ca. 3 Jahren sei eine Bustour mit jungen Menschen mit Migrationshintergrund durch 5 Betriebe im Kreis Unna unternommen worden. Sie seien immer offen für Ideen, wenn es für die Betriebe ein Mehrwert sei.

 

Herr Wünnemann erinnerte sich daran, dass es eine Zeit gab, in der besonders im Sanitär- und Heizungsbereich dringend erfahrenes Personal gesucht wurde und die Bewerber Forderungen gestellt haben, die nur schwer zu erfüllen waren und auch der angebotene Verdienst zu gering war. Er wollte wissen, ob solche Klagen noch immer kommen.

 

Es kämen immer noch Klagen insoweit, führte Herr Stein aus, dass gerade im Sanitär- und Heizungsbereich die Unternehmer sagen, dass frisch ausgebildete Facharbeiter erst einige Jahre Arbeitserfahrung sammeln müssten, um dann wirklich selbständig eine Reparatur beim Kunden durchführen zu können. Wenn sie dann fit seien, dann komme die Industrie mit Gehaltsangeboten, die der kleine Unternehmer so nicht an die Kunden weitergeben könne und den gut ausgebildeten jungen Menschen ziehen lassen müsse.

 

Frau Gerdes erkundigte sich nach der wirtschaftlichen Lage der Betriebe für 2024.

 

Dies sei sehr branchenabhängig so Herr Stein, z. B. Firmen die Wärmepumpen einbauen werden bestimmt wieder einen Aufschwung erfahren, während bei den Malern und Lackierern ein Aufschwung während Corona zu verzeichnen war, der jetzt wieder abflaue. Eine genaue Prognose könne er nicht abgeben.

 

Herr Sklorz fragte nach, ob er der Aussage einer Arbeitspsychologin zustimmen könne, dass die heutige Jugend die strukturell illoyalste Generation sei, die es je gab.

 

Herr Stein verneinte dies. Dass junge Menschen den Job wechseln, wenn Großunternehmen für einen einfacheren Job mehr Gehalt bieten, sei letztlich nachvollziehbar.

 

Frau Wennekers-Stute wollte wissen, was Handwerker überhaupt verdienen.

 

Dies hänge von der Branche ab, führte Herr Stein aus. Als Anfänger verdiene man je nach Branche zwischen ca. 2.500 – 3.000 Euro brutto/monatlich bei einer 40-Stunden-Woche.

 

Herr Madeja gab zu bedenken, dass ein Abiturient oft in der Schule nicht in Berührung mit Handwerksbetrieben komme.

 

Dies befinde sich aktuell im Wandel durch das duale Studium, antwortete Herr Stein. Die Lage verbessere sich gerade dadurch.

 

Herr Madeja wollte wissen, ob sich etwas im Umgang mit den Praktikanten und Auszubildenden geändert habe oder ob immer noch nach dem Motto „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ gehandelt werde. Und erkundigte sich danach, wieso Unternehmen junge Menschen direkt nach der Ausbildung abwerben.

 

Herr Stein erklärte, dass dies stark abhänge von der Unternehmensphilosophie und von den Erwartungen des Praktikanten bzw. Auszubildenden. Mangelnde Leistungsbereitschaft gingen oft auch von Auszubildenden aus, da hier durch die Veränderung von Lebensumständen manchmal die Ausbildung abgebrochen werde. In Bezug auf das Abwerben erklärte er, dass nicht alle Betriebe ausbilden, da dies viel Zeit, Arbeit und auch Geld koste. So gebe es Unternehmen die nicht ausbilden und dann Auszubildende nach Abschluss abwerben.

 

Auf Anfrage von Frau Maeder führte Herr Stein aus, dass die Berufsbilder nicht verloren gehen würden, da zwar die Anzahl der Unternehmen rückläufig sei, aber trotzdem weiterhin ausgebildet werde. Die Kreishandwerkerschaft sei immer aktiv, wenn es darum gehe die Ausbildung zu präsentieren. So stehe sie z. B. regelmäßig auf Messen, sei auf vielen Veranstaltungen und versuche Unternehmer und junge Menschen zusammenzubringen.

 

Herr Fuhrmann fragte an, ob die Politik zu den Freisprechungen der Auszubildenden komme.

 

Dies konnte Herr Stein bestätigen.

 

Herr Eisenhardt bedankte sich bei Herrn Stein im Namen aller für den Vortrag und die Beantwortung der Fragen.