Herr Bogaczyk begann den Vortrag, welcher der beigefügten Präsentation zu entnehmen ist, mit der Vorstellung des Lippeverbandes als Non-Profit-Unternehmen. Anschließend übernahm Herr Prof. Dr. Nafo das Wort, um den Ausblick auf die Beitragsentwicklung des Lippeverbandes vorzu­stellen. Er ergänzte zur Folie „Beitragsentwicklung bis 2027“, dass die Lippeverbandsversamm­lung den Beschluss über die Beitragserhöhung von zunächst 10 % am 24.11.23 fassen werde [Anmerkung: Der Beschluss wurde entsprechend gefasst]. Mitte des Jahres 2024 werde dann erneut diskutiert, ob die künftige Beitragserhöhung bei 10 % oder bei 4,8 % liegen muss.

 

Bezüglich der Folie Beitragsentwicklung Kamen fragte Herr Kissing, warum die Steigerung in Kamen bei 11 % läge. Dies erläuterte Herr Prof. Dr. Nafo. Die Berechnung der Beiträge ergäbe sich anhand der Belastungszahlen, die für die Stadt Kamen ermittelt worden seien. Hieraus resultiert die Steigerung von 11 %.

 

Im weiteren Verlauf der Sitzung entstand eine rege Diskussion zur 4. Reinigungsstufe. Herr Kasperidus fragte, wie die neuen Aufgaben zur Reduzierung von Phosphor angegangen würden. Herr Prof. Dr. Nafo erörterte, dass Kläranlagenbetreiber zukünftig aus dem Klärschlamm Phosphor zurückgewinnen müssen. Es werden derzeit neue Verfahren getestet. Es ist zu unterscheiden, dass Phosphor sich als Abfallprodukt nach der Fällung im Klärschlamm befindet und, dass Phosphor sich im Abwasser befindet. Herr Kasperidus fragte nach, ob versucht werde, kein Phosphor zu nutzen. Daraufhin erläuterte Herr Prof. Dr. Nafo, dass Phosphor normalerweise täglich im Abwasser vorkomme. Das Hauptproblem seien die Medikamente. Man versuche aufzuklären, dass Medikamente z. B. nicht in die Toilette geworfen werden dürfen. Das Europäische Recht werde die 4. Stufe der Reinigung fordern. In Bad Sassendorf werde z. B. durch den Lippeverband bereits seit 2009 die 4. Reinigungsstufe getestet, in Dülmen seit 2015. Insgesamt 14 Kläranlagen der Emschergenossenschaft und des Lippeverbandes werden nach Abstimmung mit den zuständigen Behörden aufgerüstet. Ob dies ausreicht ist derzeit unklar. Herr Prof. Dr. Nafo appelliert, dass die Hersteller von Medikamenten stärker an den Kosten beteiligt werden sollten. Herr Helmken brachte ein, dass das Problem mit dem Phosphor als Chance betrachtet werden sollte. Es ist ein wertvoller Rohstoff, der längst aus dem Abwasser gefiltert werden sollte. Fortschritte seien zu erwarten. Eine Anregung für die Zukunft gab Herr Helmken indem er forderte, dass bei Neubauten Schwarz- und Grauwasser getrennt werden sollten. Man sei am Phosphatthema dran bestätigte Herr Prof. Dr. Nafo. In Bottrop gäbe es z. B. eine Pilotanlage zum Thema Phosphorrecycling. Dort würden verschiedene Verfahren getestet. Die Forschung dahingehend sei zu 80 % durch Bundesmittel gefördert.

 

Herr Kissing fasste zusammen, dass die Hintergründe für die Beitragssteigerung sehr gut dargestellt wurden. Das düstere Fazit der erheblichen Gebührensteigerung bliebe. Betrachtet man die Lippeverbandsumlage im Zeitraum der mittelfristigen Finanzplanung, so liege sie in 2027 bei ca. 8 Mio. €, was zu einer Beitragssteigerung von 51 % in vier Jahren führe. Durch die 4. Reinigungsstufe ab 2027 werde man bis 2030 bei einer Kostensteigerung von 100 % liegen, was zu einer Verdopplung der Gebühr führe. Dies sei düster, auch wenn es richtig sei. Zur 4. Reinigungsstufe fragte er, ob es noch schwierigere Szenarien gäbe. Weiter interessierte sich Herr Kissing dafür, was die Europäische Union zum Zustand der Emschergenossenschaft und des Lippeverbandes sage und er fragte, ob es ein Ringen um Prozentpunkte mit dem Gesetzgeber gäbe. Erläuternd führte Herr Prof. Dr. Nafo aus, dass der Vorstandsvorsitzende der Emschergenossenschaft und des Lippeverbandes, Prof. Dr. Uli Paetzel, ebenfalls Präsident der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA) sei. Dort würden Regelwerke entwickelt. Der Lippeverband achte sehr auf die Regelwerke und darauf, dass Inhalte solide seien. Der Lippeverband sei in vielen Vereinen und Verbänden tätig, um Einfluss ausüben zu können. Er betonte noch einmal, dass die Herstellerverantwortung gefordert werde. Was aus dem Abwasser wirtschaftlich filterbar sei werde auch gefiltert. Insofern werde verhandelt, dass auf EU-Ebene die Schwellenwerte nicht zu niedrig angesetzt würden. Woher Phosphor im Abwasser hauptsächlich käme fragte Herr Henze nach. Es werde vom Menschen durch die Nahrung aufgenommen und pro Tag würden 2g pro Person ausgeschieden, so Herr Prof. Dr. Nafo. Natürlich sei auch die Landwirtschaft Phosphateinleiter.

 

Ob die Kläranlage auf Kamener Stadtgebiet eine der großen Kläranlagen sei, die mit der 4. Reinigungsstufe ausgestattet werden soll, interessierte Herrn Dr. Liedtke. Vermutlich ja, antwortete Herr Prof. Dr. Nafo. Es wurde zugesagt, diese Information mit der Niederschrift nachzureichen.

 

Anmerkung der kaufmännischen Betriebsführung der Stadtentwässerung Kamen:

 

„Im Nachgang zur Sitzung wurde dies noch einmal per E-Mail durch Herrn Prof. Dr. Nafo bestätigt.“

 

Herr Helmken sprach die Problematik zu PFAS [Anmerkung: PFAS = Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen] an. Er fragte, ob diese Chemikalien durch die 4. Reinigungsstufe filterbar seien oder ob bald eine 5. Reinigungsstufe benötigt würde. Darüber hinaus erkundigte er sich, ob das Abwasser aus dem Bergbau damit filterbar sei. Auf EU-Ebene werde derzeit verhandelt, dass die Schwellenwerte für PFAS nicht gesenkt werden, erläuterte Herr Prof. Dr. Nafo. Ansonsten müsse die 4. Reinigungsstufe immer mit Aktivkohle durchgeführt werden und die Ozonreinigung sei nicht nutzbar. Dies sei mit hohem Energieaufwand verbunden. Herr Prof. Dr. Nafo trat wieder dafür ein, dass die Quelle der Verunreinigung zu bekämpfen sei (z. B. Verbot von Gore-tex-Kleidung). Herr Helmken entgegnete, dass die sich im Umlauf befindlichen PFAS gefiltert werden müssen. Es gäbe ca. 4.000 PFAS Sorten auf der Welt entgegnete Herr Prof. Dr. Nafo. Es müsse eine Balance zwischen Umweltbelastung und Wirtschaftlichkeit bei der Abwasserklärung geben. Kläranlagen seien tatsächlich keine Haupteinträger von PFAS in die Gewässer. Hier sei z. B. eher Löschschaum verantwortlich.

 

Da ein Teil des Abwassers zur Kläranlage nach Bönen fließt, interessierte Herr Müller sich dafür, ob das Klärwerk in Bönen für die 4. Reinigungsstufe vorgesehen sei. Da dies Herrn Prof. Dr. Nafo nicht bekannt war, sollte die Information mit der Niederschrift nachgereicht werden.

 

Anmerkung der kaufmännischen Betriebsführung der Stadtentwässerung Kamen:

 

„Im Nachgang zur Sitzung wurde durch Herrn Prof. Dr. Nafo per E-Mail bestätigt, dass das Klärwerk in Bönen mit der 4. Reinigungsstufe ausgestattet wird.“

 

Frau Heinrichsen erkundigte sich, woher die Preissteigerung in 2021 kam. Herr Bogaczyk begründete dies mit Klimaanpassungen und der Entwicklung der 4. Reinigungsstufe. 11-12 Kläranlagen sind z. B. an Studien zur 4. Reinigungsstufe beteiligt. Weiter interessierte sich Frau Heinrichsen dafür, was die Anpassungen an Starkregenereignisse den Lippeverband kosten. Hierzu führte Herr Bogaczyk aus, dass mit Kommunen Maßnahmen entwickelt würden, um Regenwasser in Gewässer einzuleiten oder versickern zu lassen. Ziel sei es, 25 % der Regenwassermengen versickern und 10 % verdunsten zu lassen. Hierzu ständen Fördermittel in Höhe von 250 T€ zur Verfügung. Das Niederschlagswasser verdünne derzeit stark das Abwasser, was die Reinigung teurer mache.

 

Zum Thema Cyber Security erkundigte sich Frau Heinrichsen, welche Sicherheitsmaßnahmen in dem systemrelevanten Bereich „Wasser“ genutzt werden. Das dies der Geheimhaltung unterliege erläuterte Herr Prof. Dr. Nafo. Selbstverständlich werden die Kläranlagen geschützt vor Schadsoftware. Es werden z. B. Penetrationstests durchgeführt und es gibt eigene Cloudsysteme. Quartalsweise werden auch alle Mitarbeiter zur IT-Sicherheit geschult.

 

Herr Kasparidus dankte für den Vortrag und betonte, dass Renaturierungen sinnvoll seien, jedoch nur mit Kläranlagen möglich sind. Er sei in Brüssel zu Umweltthemen gewesen. Dort würde die Erforderlichkeit von Sparmaßnahmen anerkannt. 

 

Erneut plädierte Herr Helmken für die Trennung von Schwarz und Grauwasser in Gebäuden. Es dürften keine Mischwasserkanäle mehr gebaut werden. Niederschlagswasser müsse in Versickerungsbecken eingeleitet werden.

 

Frau Dörlemann erkundigte sich nach den Zusammenhängen von Windkraftanlagen und PFAS. Dazu erläuterte Herr Prof. Dr. Nafo, dass Schmiermittel in den Dichtungen häuftig aus PFAS sind. Diese werden von der Industrie oft als unverzichtbar angesehen. Hier müssen zukünftig Alternativen genutzt werden.

 

Frau Dörlemann dankte den Rednern und verabschiedete sie.