Frau Wierdeier bedankte sich für die Möglichkeit, sich und die Arbeit der Schwangerschafts­konfliktberatungsstelle des Kreises Unna im Gleichstellungsbeirat der Stadt Kamen vorstellen zu dürfen.

 

Die von ihr verwendete Power-Point-Präsentation „Die Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle des Kreises Unna stellt sich vor“ ist im Ratsinformationssystem hinterlegt und der Niederschrift als Anlage beigefügt.

Ergänzend zu den Inhalten in der Präsentation teilte Frau Wierdeier mit, dass in der Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle des Kreises Unna 2 Beraterinnen und eine Verwaltungsmitarbeiterin (derzeit in Elternzeit) tätig seien. Die Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle stehe unter kommunaler Trägerschaft.

 

Auf Nachfrage von Frau Redlin, wie viele Beratungsstellen es im Kreis Unna gibt, erwiderte Frau Wierdeier, dass sich insgesamt sieben unter Trägerschaft angebundene Schwangerenkonfliktberatungsstellen im Kreis Unna befinden. Für Unna, Bönen, Fröndenberg und Holzwickede sei die Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle des Kreises Unna zuständig. In den restlichen Kommunen des Kreises Unna befänden sich Beratungsstellen unter anderer Trägerschaft (Power-Point-Präsentation, Folie 9). Anzumerken sei, dass in der Schwangerenkonfliktberatungsstelle in Selm, die unter der Trägerschaft des Sozialdienst katholischer Frauen e.V. steht, keine Beratung zu Schwangerschaftsabbrüchen stattfinden. Betroffene Frauen aus dem Stadtgebiet müssten sich bzgl. dieser Beratungen an andere Schwangerenkonfliktberatungsstellen wenden.

 

Frau Wierdeier erklärte, dass die Mitarbeiterinnen der Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle des Kreises Unna jeglichen Personen bei allen Fragen rund um die Themen Familienplanung, Schwangerschaft, Schwangerschaftskonflikten und Verhütung eine Anlaufstelle bieten wollen. Die Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle stehe allen Menschen, egal ob weiblich, männlich oder divers, offen. Jeder dürfe sich mit Fragen rund um die o.g. Themen an die Mitarbeiterinnen werden.

 

Frau Wierdeier erläuterte, dass ein Schwangerschaftsabbruch in Deutschland gemäß § 218 Strafgesetzbuch (StGB) grundsätzlich für alle Beteiligten strafbar sei. Die Ausnahmen hierzu befänden sich in § 218a StGB (medizinische oder kriminologische Indikation und Beratung in einer anerkannten Beratungsstelle). Eine kriminologische Indikation sei gegeben, wenn die Schwangerschaft auf einem Sexualdelikt, also zum Beispiel einer Vergewaltigung, beruhe.

 

Frau Austenfeld fragte nach, ob die Vergewaltigung dokumentiert und bei der Polizei angezeigt werden müsse.

 

Frau Wierdeier erwiderte hierzu, dass bzgl. der Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs die Aussage der Frau völlig ausreichend und eine Strafanzeige bei der Polizei nicht erforderlich sei. 

 

Frau Wierdeier teilte mit, dass die Beratung durch eine Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle nach § 219 StGB dem Schutz des ungeborenen Lebens diene. Auftrag der Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle sei es, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen. Frau Wierdeier merkte an, dass die Beratung nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz nur durch eine anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle erfolgen könne. Eine diesbezügliche Beratung durch die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt, die/der den Abbruch der Schwangerschaft vornehme, sei ausgeschlossen.

Nach Abschluss der Beratung werde der Schwangeren durch die Beratungsstelle eine Bescheinigung nach Maßgabe des Schwangerschaftskonfliktgesetzes ausgestellt.

 

Frau Gerdes erkundigte sich, ob die Beratungsstelle dabei helfe, eine Ärztin oder einen Arzt zu finden, die/der den Schwangerschaftsabbruch durchführen könne.

 

Frau Wierdeier antwortete, dass die Beratungsstelle bei der Vermittlung helfen könne. Es gebe eine offizielle Liste der Ärztekammer über Ärztinnen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen.

 

Frau Wierdeier erklärte, dass nach § 6 Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) eine ratsuchende Schwangere unverzüglich zu beraten sei. Sie erläuterte, dass sowohl in der Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle des Kreises Unna, als auch in den unter anderer Trägerschaft stehenden Beratungsstellen im Kreis Unna (Ausnahme Selm), die Beratungen am gleichen oder am nächsten Werktag stattfänden. Dies sei den Beratungsstellen im Kreis Unna ein wichtiges Anliegen, da die Schwangere, der Ärztin oder dem Arzt durch eine Bescheinigung nach § 219 Abs. 2 Satz 2 StGB nachweisen müsse, dass sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff hat beraten lassen.

 

Frau Wierdeier teilte mit, dass die Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle des Kreises Unna neben den Schwangerschaftskonfliktberatungen gemäß

§§ 218/219 StGB auch die Schwangerenberatung gemäß § 2 und § 2a SchKG und die Vergabe der Mittel aus der Bundesstiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“ vornehme. Weitere Aufgaben seien die Teilnahme in und an verschiedenen Netzwerken und Arbeitskreisen (z.B. Frühe Hilfen, Anonyme Spurensicherung) sowie das Anbieten von Präventionsangeboten.

Ein besonderes Angebot der Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle des Kreises Unna sei hierbei das mehrtägige „Baby-Bedenkzeit-Projekt“ an Schulen, bei dem Themen wie Verantwortung und Elternschaft anhand eines nahezu lebensechten Babysimulators mit den Schülerinnen und Schülern besprochen und erarbeitet werden können. Frau Wierdeier erläuterte hierzu, dass die Schülerinnen und Schüler die Babysimulatoren 3 Tage und Nächte bekämen und diese jegliche Bedürfnisse (Hunger, Müdigkeit, Unruhe) eines „richtigen“ Babys widerspiegeln würden.

 

Frau Wierdeier teilte mit, dass ab dem Jahr 2020 ein deutlicher Anstieg an Schwangerschaftskonfliktberatungen aus finanziellen oder wirtschaftlichen Hintergründen zu verzeichnen sei. Dies sei vermutlich der Corona-Pandemie geschuldet. Diesbezüglich erläuterte Frau Wierdeier, dass es wichtig sei zu wissen, dass die Beratungsstelle bei Finanzproblemen unkompliziert weiterhelfen und bei Bedarf auf Mittel aus der Bundesstiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“ zugreifen könne. Diese Mittel seien bestimmt für die Erstausstattung des Kindes sowie die Wohnung und die Einrichtung und würden nicht als Einkommen auf andere Sozialleistungen angerechnet.

 

Frau Gerdes fragte nach der Höhe des Förderbetrages pro Familie.

 

Frau Wierdeier antwortete, dass die Höhe des Zuschusses nach Einkommensverhältnissen gestaffelt sei:

 

·         Bürgergeldempfängerinnen und -empfänger 500,00 €

·         sog. „Aufstockerinnen und Aufstocker“ 750,00 € und

·         Menschen mit geringem Einkommen, die keine anderweitigen Sozialleistungen erhalten, 900,00 €.

Frau Wierdeier teilte mit, dass es seit Juli 2022 im Kreis Unna einen Verhütungsmittelfonds zur Unterstützung einkommensschwacher Frauen und Männer (Geringverdienende, Empfängerinnen und Empfänger von Sozialleistungen wie z.B. Bürgergeld, AsylbLG u.ä.) ab dem 22. Lebensjahr gebe.

Sie erklärte, dass verschreibungspflichtige und anerkannte Verhütungsmethoden durch den Kreis Unna bezuschusst würden.

Die Beantragung könne bei jeder anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle im Kreis Unna erfolgen.

Es gebe ausschließlich eine Förderung von zuverlässigen und längerfristig angelegten Verhütungsmethoden. Die Sterilisation von Frauen und auch von Männern könne ebenfalls bezuschusst werden.

Nicht bezuschusst wird der Erwerb von Diaphragmen und Kondomen.

 

Zum Abschluss der Präsentation gab Frau Wierdeier die Kontaktdaten der Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle des Kreises Unna bekannt (Power-Point-Präsentation, Folie 20) und bot den Mitgliedern des Gleichstellungsbeirates die Mitnahme von Flyern der Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle des Kreises Unna an.

 

Frau Pszolka bedankte sich für den informativen und aufschlussreichen Vortrag und gab den Mitgliedern des Gleichstellungsbeirates die Möglichkeit zum Austausch.

 

Frau Gerdes teilte mit, dass ihrer Ansicht nach der Verhütungsmittelfonds für einkommensschwache Frauen und Männer überflüssig sei. Ihrer Meinung nach müsse man sich bewusst sein, dass man bei sexuellem Verkehr schwanger werden könne und müsse daher an die Verhütung denken und dafür aufkommen.

 

Frau Wierdeier antwortete, dass sie diese Meinung nicht teile. Im Regelsatz des Bürgergeldes seien beispielsweise nur 19,16 € für Gesundheitspflege enthalten, so dass für viele Bürgergeldempfängerinnen und -empfänger der Erwerb von Verhütungsmitteln finanziell schwierig sei. Man erhoffe sich als eine Auswirkung des Verhütungsmittelfonds, dass Schwangerschaftskonfliktgespräche und Schwangerschaftsabbrüche abnehmen.

 

Frau Pszolka fragte, ob eine Sterilisation keine Krankenkassenleistung sei.

 

Frau Wierdeier antwortete, dass die Krankenkasse nicht in jedem Fall die

Kosten dafür trage. Auch zwei Männer hätten bereits einen Zuschuss für eine Sterilisation beantragt.

 

Frau Feige bedankte sich bei Frau Wierdeier für die Vorstellung der Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle und für den interessanten Vortrag. Sie merkte an, dass das Thema Verhütung oft nicht partnerschaftlich getragen werden würde. Männer würden die diesbezügliche Verantwortung oft bei den Frauen sehen. Insofern würde sie den Verhütungsmittelfonds sehr unterstützen, insbesondere da Frauen so die Möglichkeit hätten, sich zu schützen, wenn sie es sonst aus finanziellen Gründen nicht könnten. Frau Feige fragte, welche Verhütungsmittel am meisten nachgefragt werden würden.

 

Frau Wierdeier erwiderte, dass die Kupfer- und Hormonspirale am meisten nachgefragt würden.

 

Frau Laaßen erkundigte sich, ob Menschen, die unter Betreuung stehen, eigenständig auf die Beratungsstelle zukommen würden.

 

Frau Wierdeier antwortete, dass dies unterschiedlich sei.

 

Frau Gerdes fragte, wie alt die Frauen durchschnittlich seien, die einen Zuschuss aus dem Verhütungsmittelfonds beantragen würden.

 

Frau Wierdeier erwiderte, dass keine Altersklasse auffällig häufig vertreten sei. Von 22 Jahren bis ca. 40 Jahren sei jedes Alter vertreten.

 

 

Auf Nachfrage von Frau Feige, erklärte Frau Wierdeier, dass ein Implanon ein hormonelles Verhütungsstäbchen sei. Das Implanon schütze bis zu 3 Jahre lang vor einer Schwangerschaft.

 

Frau Austenfeld erkundigte sich, ob es bezüglich der Sterilisation eine Altersgrenze gebe.

 

Frau Wierdeier antwortete, dass dies nicht der Fall sei.

 

Herr Bartosch lobte den Vortrag von Frau Wierdeier und bedankte sich für die Informationen. Er erkundigte sich, ob die Beratungsstelle die Frauen überzeugen könne, von einem Schwangerschaftsabbruch abzusehen, welche in der Schwangerschaftskonfliktberatung angeben, sich aus finanziellen Gründen für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden zu wollen.

 

Frau Wierdeier antwortete darauf, dass dies durchaus vorkomme. Die Bescheinigung nach § 219 Abs. 2 Satz 2 StGB werde durch die Beratungsstelle in solchen Fällen trotzdem ausgestellt, damit die Frau, falls sie sich dann doch für den Schwangerschaftsabbruch entscheiden sollte, keine weitere Zeit „verliert“. Die Ausgabe der Bescheinigung nach § 219 Abs. 2 Satz 2 StGB dürfe seitens der Beratungsstelle nicht verweigert werden. Frau Wierdeier merkte an, dass die Frau die Gründe, weswegen sie sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden möchte, nicht angeben müsse. Sie dürfe dazu nicht gezwungen werden.

 

Frau Feige fragte, ob die Frauen auch in die Beratungsstelle kommen müssen, wenn eine medizinische / kriminologische Indikation vorliegt.

 

Frau Wierdeier verneinte dies. In diesen Fällen dürfe die Ärztin oder der Arzt den Schwangerschaftsabbruch ohne Bescheinigung nach § 219 Abs. 2 Satz 2 StGB vornehmen.

 

Frau Feige erkundigte sich, ob auch Männer die Schwangerschaftskonfliktberatung in Anspruch nehmen, beispielsweise wenn die Frau die Schwangerschaft abbrechen möchte, der Mann aber nicht oder umgekehrt.

 

Frau Wierdeier antwortete hierzu, dass es diese Fälle gebe. Es würde auch Fälle geben, in denen die Mutter einer werdenden Mutter oder eines werdenden Vaters zur Beratung kommt.