Beschluss:

 

Der Jugendhilfeausschuss beschließt, dass die AWO-Kindertageseinrichtungen „Brausepulver“ und „Gänseblümchen“ zum Familienzentrum im Verbund ausgebaut werden sollen.

 


Abstimmungsergebnis: bei 2 Gegenstimmen mehrheitlich angenommen


Nachdem Herr Eisenhardt in den Tagesordnungspunkt 3 einführte, beantrage Herr Stalz den beiden Bewerbern Rederecht zu ermöglichen.

Rederechte in Ausschusssitzungen einzuräumen sei allerdings formal nicht möglich, so Herr Eisenhardt. Die einzige Möglichkeit sei eine Sitzungsunterbrechung herbeizuführen. Diese be­darf der Zustimmung des Ausschusses.

Daraufhin beantragte Herr Stalz eine Unterbrechung der Sitzung. Der Antrag wurde vom Aus­schuss jedoch von der Mehrheit abgelehnt.

 

Frau Börner stellte daraufhin die bereits als Anlage vorab zugesandte Präsentation vor und er­läuterte die Entscheidungskriterien, die als Grundlage der Beschlussempfehlung dienten.

 

Die Kriterien wurden in zwei Kategorien geteilt. Es wurden hier Daten in Bezug auf den Sozial­raum (in dem die Bewerber verortet seien) und die Einrichtungen herangezogen.

 

Frau Börner begann mit der Darstellung sozialraumbezogener Daten für die Ortsteile Ka­men-Methler und Kamen-Mitte.

Der Stichtag für die herangezogenen Daten sei der 31.12.2018.

 

Zunächst wurde auf der Grundlage der Einwohnermeldedaten jeweils die Altersstruktur von Kamen-Methler und Kamen-Mitte gegenübergestellt. Hervorgehoben wurde dabei die für Fami­lienzentren relevante Altersgruppe der 0- bis unter 6-Jährigen. Hier lägen die Anteile in Ka­men-Methler bei 5 % und in Kamen-Mitte bei 4,9 %.

Des Weiteren zeigte Frau Börner anhand eines Diagramms die Geburtenentwicklung in den beiden Ortsteilen. In Kamen-Mitte seien die Daten in den zurückliegenden Jahren recht konstant, in Kamen-Methler hingegen stark schwankend.

 

Ein weiteres Kriterium von Familienzentren besagt, dass sie sich an Familien mit besonderem Unterstützungsbedarf richten. Ein Indikator dafür sei der Bezug von Leistungen nach dem SGB II.

Da der Stadt Kamen keine sozialraumbezogenen Daten zum Leistungsbezug nach SGB II für Kinder unter 6 Jahren vorliegen, werden an dieser Stelle Daten für Kinder unter 18 Jahren be­helfsmäßig herangezogen.

In Kamen-Mitte zeige sich hier eine deutlich stärkere soziale Belastung. Dieses spiegle sich auch in den Zahlen der Alleinerziehenden-Bedarfsgemeinschaften wieder. Es sei davon auszugehen, dass sich dieses Bild auch für die Altersgruppe der unter 6-Jährigen abzeichne.

 

Aufgrund der äußerst geringen Fallzahlen der HzE-Quote bei Kindern unter 6 Jahren, weist Frau Börner daraufhin, dass die diesbezüglichen Daten mit Vorsicht zu interpretieren seien.

 

Wenn die Bedarfe von Familien ermittelt würden, müsse schließlich auch die Versorgungslage mit Familienzentren im Sozialraum angeschaut werden.

 

In Kamen-Methler sei das einzige vorhandene Familienzentrum für 566 Kinder unter 6 Jahren zuständig, in Kamen-Mitte hingegen seien 5 Familienzentren für 1.027 Kinder unter 6 Jahren vorhanden.

Darüber hinaus belaufe sich das Verhältnis von Alleinerziehenden-Bedarfsgemeinschaften in Kamen-Methler auf 1 zu 67 und in Kamen-Mitte auf 1 zu 40,4.

 

Über die sozialraumbezogenen Daten hinaus, wurden auch einrichtungsbezogene Daten zum Kita-Jahr 2019/2020 herangezogen, da die Einrichtungen nicht ausschließlich von Familien aus dem entsprechenden Stadtteil genutzt werden.

 

Man habe zwei Indikatoren genutzt. Zum einen werde die Befreiung von Elternbeiträgen aufgrund geringen Einkommens betrachtet. In die Auswertung seien auch die Daten zum Einkommen von Familien mit Kindern im beitragsfreien Jahr sowie solche, bei denen die Geschwisterregelung greift, eingegangen.

Zuerst stellte Frau Börner die aktuellen Zahlen der Kinder insgesamt und den daraus resultie­renden prozentualen Anteil der Kinder mit Beitragsbefreiung vor. Fazit sei, dass sich die Ein­richtungen auf einem ähnlichen Niveau befinden.

Als zweiten Indikator habe Frau Börner das durchschnittliche Elternbeitragsaufkommen pro Kind und Monat herangezogen. Zusammenfassend ist festzustellen, dass es sich bei den drei unter­suchten Einrichtungen um eine eher einkommensstarke Elternschaft handele.

 

Anschließend fasste Frau Börner die Ergebnisse hinsichtlich der einrichtungsbezogenen Daten zusammen. In Kamen-Mitte gebe es eine stärkere soziale Belastung und eine höhere Anzahl unter 6-jähriger Kinder. Allerdings sei in Kamen-Mitte die Versorgung durch die vorhandenen Familienzentren besser als in Kamen-Methler. Sowohl bezüglich der absoluten Zahlen als auch in Relation zur demografischen und sozialen Situation gebe es in Kamen-Methler eine geringere Versorgung mit Familienzentren und weiteren familienunterstützenden Angeboten. Mit Ausnahme des Familienzentrums an der Otto-Prein-Straße und des Bürgerhauses gebe es in Ka­men-Methler keine weitere familienunterstützende Infrastruktur. In Kamen-Mitte hingegen, gebe es neben den Familienzentren eine Vielzahl weiterer Angebote, z.B. von Beratungsstellen.

 

Resultat:

 

Auf der Grundlage der oben dargestellten Daten und der örtlichen Jugendhilfeplanung empfiehlt das Jugendamt, die AWO-Kindertageseinrichtungen „Brausepulver“ und „Gänseblümchen“ zum Familienzentrum im Verbund auszubauen.

 

Damit wird insbesondere der geringeren Versorgungslage im Sozialraum Kamen-Methler Rechnung getragen. Mit der Einrichtung eines weiteren Familienzentrums soll die Versorgung von Familien mit bedarfsgerechten, niedrigschwelligen und wohnortnahen familienunterstützenden Angeboten verbessert werden.

 

 

Nach dem ausführlichen Bericht von Frau Börner, öffnete Herr Eisenhardt die Diskussionsrunde.

 

Vorab sprach Herr Stalz sein Bedauern aus, den Bewerbern das Rederecht nicht zu gewähren.

Anschließend betonte er die Bedeutung des freien Trägers Familiennetzwerk Kamen e.V. für die Stadt Kamen und über die Stadtgrenzen hinaus.

Er könne vor diesem Hintergrund nicht verstehen, warum die Familienbande nicht als Familien­zentrum zertifiziert werden könne.

Außerdem nahm Herr Stalz Bezug auf eine Beschlussvorlage aus dem Jahr 2007. Mitunter sei ein Kriterium, das der Ev. Kindertageseinrichtung Otto-Prein-Straße die Möglichkeit zum Ausbau als Familienzentrum gegeben habe, die angestrebte Trägervielfalt gewesen. Zusätzlich zu der An­erkennung bekommen Familienzentren finanzielle Förderung, die der Familienbande helfen würden.

Seiner Meinung nach sei das Prinzip der Trägervielfalt nun unterbrochen.

 

Bei den sieben Familienzentren und insgesamt 19 Kindertageseinrichtungen in Kamen sei die Trägervielfalt von großer Bedeutung, erklärte Frau Börner. Trägervielfalt sei eines der zu be­rücksichtigenden Kriterien, die Bedarfe der Familien haben jedoch höhere Priorität.

Seitens des Jugendamtes habe man sich für eine familienfreundliche Stadt Kamen positioniert. Das habe mit Wertschätzung einzelner Träger nichts zu tun, sondern beziehe sich ausschließlich auf die Lage von Familien. Die Trägervielfalt werde trotzdem berücksichtigt, allerdings den Be­darfen der Familien untergeordnet.

 

Herr Wünnemann nahm für die CDU-Fraktion eine Bewertung vor. Die vorgegeben Auswahl­kriterien des Familienministeriums NRW und die objektiv zur Beurteilung herangeführten Aspekte des Jugendamtes erschließen sich der CDU-Fraktion nicht. Aus diesem Grund werde die Fraktion dem Beschlussvorschlag so nicht zustimmen.

 

Frau Börner erklärte, dass die in der angesprochenen Checkliste des Ministeriums genannten Kriterien erfüllt sein müssen, wenn der Zertifizierungsprozess abgeschlossen sei.

Die stärkere soziale Belastung des Stadtteils Kamen-Mitte würden über die herangezogenen Merkmale hinaus auch weitere Daten bestätigen. Dem wurde in den letzten Jahren durch eine stärkere Versorgung entgegengewirkt.


Auf Nachfrage von Herrn Sander, warum Kamen-Heeren und Südkamen nicht mit aufgeführt wurden, zeigte Frau Börner das Interessenbekundungsverfahren des letzten Jahres auf. Hier haben sich keine Einrichtungen in den nachgefragten Ortsteilen beworben. Aufgerufen ihr In­teresse zu bekunden, wurden alle Einrichtungen in Kamen.

 

Herr Stalz fragte, wann die Familienbande frühestens als Familienzentrum anerkannt werden könne.

Herr Gibbels antwortete, dass es regelmäßige Ausschreibungen gebe und sich die Familien­bande neu bewerben könne.

 

Frau Hartig unterstützte den Beschlussvorschlag im Namen der SPD-Fraktion, da sie überzeugt sei, dass der Inhalt der Beschlussvorlage rechtens sei und nicht wie durch Herrn Stalz in Frage gestellt werde.

 

Herr Eisenhardt sprach seine Dankbarkeit aus, die Möglichkeit in Kamen zu haben, ein weiteres Familienzentrum anzuerkennen.

Außerdem betonte er die gute Arbeit der Familienbande.

Für die CDU-Fraktion liege die Trägervielfalt besonders im Fokus.

Aus den vorab genannten Aspekten begründe sich das Stimmverhalten.

 

Frau Bartosch kritisierte die Diskussion, ob Kamen-Mitte es mehr Wert sei ein neues Familien­zentrum zu erhalten als Kamen-Methler. Sie betonte, dass es auch in Kamen-Methler Probleme gebe, die nicht außer Acht gelassen werden sollten.

 

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dankte im Namen von Frau Dörlemann für die gute Arbeit in vielen Einrichtungen in Kamen. Der Wunsch nach weiteren Familienzentren sei da. Sie habe sich sachlich mit der Beschlussvorlage auseinandergesetzt und geschaut, wo der Bedarf am höchsten sei.

Aufgrund dessen werde die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dem Beschlussvorschlag zustim­men.

 

Herr Grosch schloss sich den Aussagen seiner Vorrednerin an. Auch die Fraktion DIE LINKE/GAL werde aufgrund der eindeutigen Zahlen dem Beschlussvorschlag zustimmen.

Als zusätzlichen Hinweis bemängelte er die Möglichkeiten, Daten hinsichtlich des Migrations­hintergrundes zur Verfügung zu stellen.

 

Zum Ende der Diskussion erläuterte Herr Eisenhardt, dass die Ausschüsse der Geschäftsord­nung des Rates unterliegen. Hier nahm er Bezug auf die Einwohnerfragestunde und auch die Wortmeldungen einzelner Ausschussmitglieder.