Herr Bong erläuterte, das er im zweiten Jahr Schulleiter am Förderzentrum Unna sei. Er selbst komme aus den Bereichen Emotional-Soziale-Entwicklung (ESE) der Primarstufe und Lernen der Sekundarstufe I. Der Förderbereich ESE sei in der Sekundarstufe I jedoch nochmals eine neue Herausforderung. Aktuell gebe es 207 Schüler/Innen am Förderzentrum Unna. Dies unterliege aber wie bei fast jeder Förderschule einer großen Fluktuation, bedingt durch Umzüge, Wegzüge und zunehmend Einstiege im laufenden Schuljahr durch Fremdunterbringung z.B. in Wohn­gruppen. Mittlerweile könnten Wechsler von Regelschulen während des Halbjahres nicht mehr aufgenommen werden. Dies sei nur noch zu Schuljahresbeginn oder im Halbjahreswechsel möglich. Zum einen sei dies durch die Klassenrichtzahlen bedingt und zum anderen durch die räumlichen Möglichkeiten. Ursprünglich sei die Aussage getroffen worden, dass Gebäude sei gut geeignet, dies sei aber nicht der Fall. Man warte auf den Neubau welcher in 2 Jahren fertiggestellt sein soll.

 

Weiterhin informierte er darüber, dass das Verhältnis L zu ESE 1:1 sei. Dies werde sich im kommenden Schuljahr aber weiter in Richtung ESE erhöhen. Dem Förderzentrum stehen 33 Lehrer/Innen, 4 Lehramtsanwärter/Innen, 5 Sozialarbeiter/Innen und 25 Integrationskräfte zur Verfügung.

 

Herr Bong führte aus, dass die große Fluktuation ein großes Problem sei, da dem Schüler mit Schwerpunt ESE Stabilität genommen werde. Dies führe dazu, dass die Ordnung im Kopf des Schülers zunächst hergestellt werden müsse und zudem immer wieder die Reviere neu aufgeteilt würden. Mittlerweile sei die Schülerschaft nicht mehr schlecht erzogene Nachbarskinder sondern hochbelastete Schüler/Innen im Bereich Angst, Depression, psychopathologische Störungen, Anorexie, Bulimie und Suizidalität.

 

Zudem erklärte er, dass 50 % der Tagesarbeitszeit dem Förderschwerpunkt (ESE / L) gewidmet werden müssten. Dies stehe der eigentlichen Aufgabe die Schüler/Innen zum Hauptschulab­schluss zu führen entgegen. Zwar sei man bemüht die Schüler/Innen zum Hauptschulabschluss zur führen, dies funktioniere aber nicht immer, da dies nur eine sekundäre Aufgabe bei vielen Fällen sei. Von den 35 Abgängen in diesem Jahr, gehen immerhin drei mit dem Hauptschul­abschluss 10a, eine mit 9a und die anderen mit dem Förderschulabschluss Lernen. Vier Schü­ler/Innen hätten einen Ausbildungsvertrag.

 

Des Weiteren wies er auf das Problem des fehlenden Personals hin. Seit zwei Jahren werde versucht 4 bis 5 Stellen zu besetzen. Allerdings gebe es überhaupt keine Bewerbungen auf die freien Stellen für Sonderpädagogen. Der Markt sei aktuell leer und auch durch Seiteneinsteiger mit Zusatzqualifikation konnten die Stellen bisher nicht besetzt werden. Immerhin konnte zuletzt eine Stelle mit einem Sonderpädagogen besetzt werden. Dabei sei der gebundene Ganztag (3 Tage bis 15 Uhr) in Kombination mit dem Förderschwerpunkten L und ESE eine Abschreckung für interessierte Bewerber. Für einen Großteil der Schüler sei nach der 6. Stunde die Luft raus und einige Schüler in Sek. I könnten nicht verstehen, warum sie bis 15 Uhr in der Schule verbleiben sollen. Zudem stellen die Pausen eine Herausforderung dar. In diesen müssten durch die Leh­rer/Innen gesteuerte Zusatzangebote wie z.B. Sport, Bewegung und Kreativ organisiert werden. Die Schule organisiere zurzeit einen gebundenen Ganztag, für den eigentlich 5,5 Stellen zu­grunde liegen, mit nicht einmal 5 Stellen. Auf Grund des Personalmangels konnte man für das Schuljahr 2019/2020 bei der Bezirksregierung erreichen, dass der gebundene Ganztag nur an 2 Tagen stattfinden werde. Dies werde wieder heraufgestuft, sobald der Personalansatz vervoll­ständigt sei.

 

Zusätzlich zu den genannten Pausenkonzepten werden Intensivpädagogische Konzepte ent­wickelt. Es müssten ca. 1/3 der Schüler/Innen im Bereich ESE intensivpädagogisch gefördert werden. Diese könnten, aufgrund ihrer langanhaltenden Auffälligkeiten, nicht alleine mit den Mitteln der Förderschule beschult werden. Im Rahmen dessen verdeutlichte er, dass aufgrund der angespannten räumlichen Situation der Unterricht nach 30 Minuten beendet werden müsste, da sowohl bei den Schülern als auch den Räumen die Luft raus sei. Die Enge sei zudem eine zu­sätzliche Belastung für diese Schüler/Innen. Auf Grund dessen sei man bemüht im Ganztag einen Mix aus Fachunterricht und Angeboten durch Honorarkräften abzubilden wie z.B. durch einen Tennislehrer.

 

Bei allen Konzepten sei die Zielvorgabe „Kein Abschluss ohne Anschluss“ (KAOA) umzusetzen. Mittlerweile habe man mit den drei Berufskollegs in Kreisträgerschaft und dem Berufskolleg der Werkstatt Unna Kooperationsverträge geschlossen. Die Schüler müssten auch in Klasse 9 und 10 weiterhin begleitet werden, um sicherstellen zu können, dass ein fließender Übergang erfolge.

 

Zuletzt informierte Herr Bong darüber, dass man auf die Umsetzung des Neubaus am jetzigen Standort der Anne-Frank-Realschule warte. Diese hätte eigentlich bereits im letzten Jahr abge­rissen werden sollen. Sobald der Abriss und Neubau realisiert sei, werde man gute Rahmenbe­dingungen bei Klassen- und Differenzierungsräumen vorfinden und auch die Digitalisierung werde dann auf dem aktuellen Stand sein. Abschließend teilte er einen Flyer mit Informationen zum Förderzentrum Unna aus (siehe Anlage 2). 

 

Herr Eckardt bedankte sich für die ausführliche Beschreibung des Schulaltages am Förder­zentrum und erkundigte sich, wie die Themen Lehrergesundheit und die Lehrermotivation, mit Blick auf die beschriebene Situation, an der Schule umgesetzt würden.

 

Herr Bong gab zu verstehen, dass man bemüht sei eine Entlastung der Lehrkräfte durch ge­meinsame Projekte wie z.B. gemeinsames Wandern mit Kooperationsspielen zu erreichen. Zu­dem würden einheitliche pädagogische Sichtweisen erarbeitet und Informationsveranstaltungen zum Thema „Umgang mit dem Schulalltag – ein sicherer Arbeitsplatz“ organisiert. Im letzten Jahr gab es massive Gewalttaten gegen Lehrkräfte, so dass man Seminare zum Thema Gewaltprä­vention theoretisch und praktisch mit der Polizei durchgeführt habe. In Absprache mit dem Schulträger habe die Schule Walkie Talkies bereitgestellt bekommen. Diese seien für diverse Situationen wie z.B. zur besseren Pausenaufsicht nutzbar und seien zudem eine Abschreckung für die Schüler/Innen. Die Gewalttaten konnten so reduziert werden.

 

Herr Heidler bedankte sich für den Vortrag und lobte die Arbeit der Förderschule. Auch wenn die Zahlen der Abschlüsse durch Herrn Bonk heruntergespielt wurden, seien diese beeindruckend.

 

Herr Stewen lobte die tolle Arbeit von Herrn Bonk und dessen Kolleg(en)/Innen und kritisierte zudem die schlechten Rahmenbedingungen an der Schule. Auch wenn er durchaus nachvoll­ziehen könne, dass der Einsatz von Walkie Talkies eine Erleichterung für die Lehrer/Innen sei, müsse man feststellen, dass dies nur eine Notlösung für den Lehrermangel darstelle. Bei all den genannten Punkten werde deutlich, dass bei der Bewertung nur die reinen Zahlen im Vordergrund ständen und nicht die Qualität der Arbeit. Dies sei der falsche Ansatz. Man müsse deutlich ma­chen, dass sowohl die Förderschulen als auch die Regelschulen bessere Rahmenbedingungen im Bereich der Unterrichtsräume und der Lehrerstellenbesetzung benötigen würden.

 

Herr Eckardt wies darauf hin, dass nicht geklärt werden könne, ob die geschilderte Situation durch die Inklusion verursacht werde. Die betroffenen Schüler/Innen seien so oder so da, es handele sich um ein gesellschaftliches Problem. Ob Schule durch die organisatorische Maß­nahme der Inklusion hierzu beigetragen habe, könne abschließend nie geklärt werden. Wichtig sei aber, dass man Ruhe in die Arbeit bekomme und die Systeme nicht ständig Änderungen unter­zogen würden. Sowohl die Kommunen als auch die Schulen bräuchten Planungssicherheit. Man müsse Maßnahmen ergreifen, damit genügend Lehrer/Innen auf dem Markt verfügbar seien. Es könne nicht Sinn der Sache sein, dass Schüler/Innen in vielen Bereichen durch Seiteneinsteiger unterrichtet werden müssten. Diesen fehle in vielen Fällen, ohne die Arbeit schlecht reden zu wollen, die nötige Ausbildung bzw. Erfahrung im Umgang mit den Schüler/Innen.

 

Herr Stewen ergänzte seine Ausführungen mit dem Hinweis, dass nicht klar sei was bei der Entwicklung der Schüler/Innen herauskomme. Man müsste auch in Kooperation mit den Regel­schulen den Stand der Dinge ermitteln und feststellen wohin der Weg führen solle.

 

Frau Kappen führte aus, dass sie Herrn Stewens Meinung bezüglich der Rahmenbedingungen unterstütze. Herr Harbeck habe in seinem Gutachten erläutert, dass früher Kinder in ESE und L insbesondere aus sozial benachteiligten Familien stammten und heutzutage ein ganz anderer Bereich betroffen sei, was psychische Auffälligkeiten und Störungen beträfen. Dies spiegelt sich auch im Erwachsenenbereich mit neuen Belastungen wieder. Das seien Probleme die man im Blick haben sollte, die sich aber nicht im Kleinen klären lassen würden.