Sitzung: 20.06.2017 Jugendhilfeausschuss
Frau
Kappen erklärte einleitend, dass
es sich um ein Randthema im Bereich der Hilfe zur Erziehung handele. In der
Praxis käme es vor, dass sehr kurzfristig jüngere Kinder, in der Regel im Alter
bis zu 6 Jahren, untergebracht werden müssten. Hierfür sei es erforderlich
einen Pool an geeigneten Bereitschaftspflegeeltern vorzuhalten, um im
Bedarfsfall zügig reagieren zu können. Die Gründe, die eine Unterbringung
außerhalb des gewöhnlichen Haushaltes des Kindes erforderlich machen, seien
vielschichtig auch teilweise unterstützend, z.B. bei Krankheit einer
alleinerziehenden Mutter. Häufig aber zur Abwendung einer akuten
Kindeswohlgefährdung. Das Wohl des Kindes habe stets oberste Priorität. Die
Einbindung in ein familiäres Umfeld stelle eine gute Unterbringungsmöglichkeit
dar.
In dem Bereich der Bereitschaftspflege
kooperiere die Stadt Kamen mit anderen Städten. Begleitend durch eine
entsprechende Öffentlichkeitsarbeit würden derzeit weitere Pflegeeltern
gesucht.
Frau
Klein-Vehne, Frau Schimanski und
Frau Sikora stellten anschließend
nach einer persönlichen Vorstellung umfassend ihr Sachgebiet vor. Sie gingen
dabei abwechselnd u.a. auf die formellen Grundlagen sowie die Entstehung und
Entwicklung des Pflegeelternpools der Städte Kamen, Bergkamen, Werne und Selm
ein. In Kooperation mit diesen Städten würden Eltern akquiriert, die bereit
sind, Kinder für eine gewisse Dauer in ihr eigenes familiäres Umfeld
aufzunehmen. Eine pädagogische Vor- oder Ausbildung sei hierfür nicht zwingend
erforderlich. Die Hilfe erfolge stets individuell. Das Konzept gründe auf eine
vorübergehende Unterbringung, d.h. es soll eine langfristige Verweildauer bei
den Bereitschaftspflegeeltern vermieden werden.
Frau
Klein-Vehne erörterte, wie die angehenden Pflegeeltern hinsichtlich der
Geeignetheit und Präferenzen geprüft und geschult würden. Ferner verpflichteten
sich die Eltern vertraglich, die Platzkapazitäten für die beteiligten Städte
vorzuhalten. Wenn eine Meldung im Jugendamt eingehe, müsse umgehend gehandelt
werden. In diesem Fall griffen mehrere systemische Abläufe ineinander.
Die Familien erhielten neben einer
finanziellen Unterstützung auch weitere Beratungs- und Unterstützungsangebote.
So bestünde u.a. die Verpflichtung zur Teilnahme an Supervisionterminen.
Diverse informelle Treffen runden das Angebot ab.
Frau
Kappen erläuterte die Bereitschaftpflegepauschale, die die Pflegeeltern vor
dem Hintergrund erhielten, dass sie sich unablässig für einen Bedarfsfall in
Bereitschaft hielten. Der Einsatz an sich sei nicht planbar, da der Bedarfsfall
spontan eintrete. Dann müssten die Eltern sehr flexibel reagieren. Die
Vorlaufzeit wäre in der Regel sehr knapp. Zum Ausgleich dessen, wurde die
Bereitschaftpflegepauschale in Höhe von 250,00 € im Monat eingeführt.
Herr
Stalz fragte nach der rechtlichen Grundlage bezüglich der Verpflichtung der
Pflegeeltern ein Kind aufzunehmen.
Frau
Kappen antwortet, dass die Eltern sich durch eine vertragliche Vereinbarung
gebunden hätten. In der Praxis würde jedoch kein Kind ohne Absprache und
Zustimmung zugewiesen.
Jedoch müssten im Ablehnungsfall bei den
Pflegeeltern triftige Gründe vorliegen, die einer Aufnahme der Kinder in der
Familie entgegenstünden.
Frau
Klanke erkundigte sich nach der vertraglichen Ausgestaltung, insbesondere
der Vertragslaufzeit.
Frau
Klein-Vehne antwortet, dass es sich um einen überschaubaren Vertrag
handele, der sich laufzeitbezogen jeweils ein Jahr verlängere. Sofern eine
Familie jedoch deutlich signalisiere, dass sie die Pflegebereitschaft
zurückziehen möchte, würde letztlich kein Druck ausgeübt. Dies sei nicht
zielführend. Auch persönliche oder familiäre Hemmnisse würden vor der Umsetzung
einer Zuweisung fallbezogen abgewogen. Ggf. könnte auch die Pflegebereitschaft
zeitweise ruhen.
Frau
Schimanski und Frau Sikora
verdeutlichten anhand eines praktischen Fallbeispiels die ineinander greifenden
Arbeitsabläufe und vermittelten dabei auch einen emotionalen Eindruck über die
individuellen Beweggründe und Gedanken aus Sicht der Pflegeeltern.
Herr
Stalz dankte für den Vortrag und erkundigte sich nach der Anzahl der zur
Verfügung stehenden Bereitschaftspflegeeltern in dem Pool und nach diversen
Fallzahlen. Zudem bat er um Auskunft, wie die Finanzierung erfolge und ob eine
Ausweitung des Pool unter Beteiligung weiterer Städte erwogen werde.
Frau Klein-Vehne
benannte einige statistische Daten seit 2014, die zusammenfassend kurz
dargestellt werden:
Gesamtzahl Bereitschaftspflege: 66 Kinder
davon Stadt Kamen: 22 Kinder
Durchschnittliches Kindesalter: 46 Monate
Durchschnittliche Verweildauer: 79 Tage
Verbleib der Kinder/Rückführungen
Familie: 30
Kinder
Mutter-Kind-Einrichtung 5 Kinder
Pflegefamilien 15
Kinder
Jugendhilfeeinrichtung 6 Kinder
Anzahl der Bereitschaftspflegefamilien im
Pool 6 Familien
davon ruhend bzw. in Vorbereitung 2 Familien
Zuständig für die Finanzierung sei jeweils
die Stadt, in der das Kind zuletzt wohnte. Es erfolge eine gegenseitige
Abrechnung. Das System sei nicht statisch, sondern könnte den Gegebenheiten
angepasst werden. Frau Klein-Vehne gab zu bedenken, dass eine strukturelle
Erweiterung des Bereitschaftspflegepools auch ein höheres Maß an Ressourcen
binden würde. Dies sei unter den derzeitigen Bedingungen praktisch nicht
durchführbar.
Herr
Dunker ergänzte, dass die Kolleginnen ein intensives Verhältnis zu den
Eltern aufbauen würden. Eine intakte Vertrauensbasis sei entscheidend für ein
gutes Gelingen. Hier könnte sich eine räumliche Erweiterung durchaus
kontraproduktiv auswirken.
Die Qualität der Beratung liege insbesondere
auch in der Nähe zu den Akteuren. Eine passgenaue Vermittlung resultiere von
der Kenntnis der Kinder und Familien. Ein Mehrwert durch eine Erweiterung sei
unter den derzeitigen Voraussetzungen nicht erkennbar, so Frau Kappen.
Herr
Eisenhardt erkundigte sich nach den grundlegenden Voraussetzungen, die eine
angehende Pflegefamilie erfüllen sollte und ob Möglichkeiten bestünden, das
Betreuungsverhältnis in ein Dauerpflegeverhältnis umzuwandeln, beispielsweise
wenn die gegenseitigen Bindungen stark ausgeprägt seien.
Frau
Schimanski erklärte, dass sich derzeit ausschließlich Familien und keine
Einzelpersonen im Pool befänden. Familie sei bei der Auswahl von
Bereitschaftspflegepersonen kein feststehendes Kriterium, sondern die
Gesamtumstände müssten stimmig sein. Entscheidend sei vielmehr die individuelle
persönliche Eignung im Kontext mit wichtigen anderen Aspekten.
Frau
Klein-Vehne berichtet, dass es im Pflegekinderdienst immer wieder Fälle
gäbe, dass Pflegeeltern die anvertrauten Kinder dauerhaft betreuen wollten.
Hier müsse das Fachteam äußerst einzelfallbezogen und mit einem hohen Maß an
Beratungskompetenz und Empathie lösungsorientiert handeln.
Frau
Kappen ergänzte, dass die Grundhaltung schon die sei, vorübergehend ein
Kind in die Familie aufzunehmen. Eine Richtungsänderung sei daher die Ausnahme
und würde bei Eintritt entsprechend professionell begleitet.
Auch Frau
Zühlke erkundigte sich nach den grundsätzlichen Voraussetzungen, die von
einer Bereitschaftspflegefamilie erwartet würden. Sie denke dabei insbesondere
auch an die zeitlich begrenzten Ressourcen, z.B. wenn die Personen beruflich
gebunden wären. Parallel noch Möglichkeiten für eine qualitativ gute Betreuung
im Rahmen der Bereitschaftspflege zu eröffnen, sei bemerkenswert.
Frau
Schimanski hob das Erfordernis hervor, dass die gesamte Familie hinter dem
Projekt stehen müsse, da auch sämtliche Mitglieder von den Veränderungen
betroffen wären. In der Praxis organisierten sich die Beteiligten im Rahmen
ihrer Möglichkeiten, so dass auch eine Berufstätigkeit nicht grundsätzlich dem
Wunsch nach der Tätigkeit als Pflegefamilie entgegenstehe. Jedoch würde auf
die Gegebenheiten des Einzelfalles abgestellt.
Frau
Kappen gab den Hinweis, dass die Kinder meist aus einer Mangelsituation
heraus zu den Pflegefamilien kämen. Eine umfassende intensive Betreuung müsse
sichergestellt sein. Weitere negative Kinderfahrungen, dazu zählen auch ständig
wechselnden Bezugspersonen, müssten ausgeschlossen werden.