Sitzung: 23.11.2016 Gleichstellungsbeirat
Frau Unger stellte die systemische
Weiterentwicklung der Arbeit im Frauenhaus vor. Nachdem das Projekt
„Richtungswechsel“ beendet werden musste, werde die Arbeit im Sinne des
Projektes aber weiter fortgeführt. Dazu
qualifizieren sich drei Mitarbeiterinnen nebenberuflich zu systemischen
Beraterinnen. Die Leiterin des Frauenhauses sowie eine Erzieherin haben ihre
Zusatzausbildung bereits abgeschlossen. Dieses neue Konzept, das eine „Öffnung“
des Frauenhauses beinhaltet, hat zur Folge, dass sowohl das technische Sicherheitskonzept
erweitert als auch ein Softwareprogramm zur Gefährdungsanalyse angeschafft
werden musste. Anhand eines Fragebogens werde mit jeder einzelnen Frau geklärt,
ob das Frauenhaus des Frauenforums das richtige für sie ist oder ob sie besser
in einem anderen Haus aufgehoben ist. Es komme vor, dass sehr gefährdete Frauen
aus Sicherheitsgründen in ein anderes Frauenhaus vermittelt werden müssen. Ein
nach außen sichtbares Indiz der „Öffnung“ sei z.B. das neue Schild „Frauenforum
im Kreis Unna e.V.“ an der Eingangstür. Eine weitere Neuerung sei in diesem
Zusammenhang die Einrichtung eines Besuchszimmers. Unter festgelegten
Rahmenbedingungen können sowohl die Frauen als auch die Kinder Besuch
empfangen, z.B. Freundinnen, Kolleginnen, Großeltern, oder Schulfreundinnen und
-freunde. Möglich sei jetzt auch, dass Kinder, die z.B. beim Vater leben, über
Nacht zu Besuch bei der Mutter bleiben können. Erste erfolgreiche Besuche haben
bereits stattgefunden.
Auf die Frage von
Frau Groer gab Frau Unger an, dass Jungen bis zu 14 Jahren
im Frauenhaus mit aufgenommen werden. Ältere Kinder werden oftmals von der
Verwandtschaft aufgenommen oder in die Obhutnahme des Jugendamtes gegeben.
Frau Gerdes erkundigte sich nach dem
Tagesablauf der Kinder.
Frau Unger gab hierzu an, dass die Kinder im
Kita-Alter im Frauenhaus verbleiben, während die schulpflichtigen Kinder in
Unna zur Schule gehen. Da ca. 50% - 60% der Frauen nicht aus dem Kreis Unna
stammen, ist besonders für die Kinder die neue Situation sehr belastend. Um zu
unterstützen und zu trösten begleitet deshalb ein kleiner Bär „Bruno“ das Kind
vom ersten Tag im Frauenhaus bis über den Auszug in eine neue Umgebung hinaus.
Sie berichtete weiter, dass für das Projekt
„Richtungswechsel“ viel Geld akquiriert worden sei, und auch deshalb
solle die damit verbundene inhaltliche Ausrichtung fortgesetzt werden. Für die
Arbeit mit Tätern gebe es bereits eine Zusammenarbeit mit der „Gewaltberatung
für Männer - Katholischer Sozialdienst e.V. Hamm“ und aktuell werden erste
Gespräche mit dem Träger „Die Brücke e.V.“ in Dortmund geführt, der gerade
ausdrücklich auch für den Kreis Unna mit dem Angebot „Mann ohne Gewalt –
Prävention häuslicher Gewalt für Täter“ startet. Dieses Angebot werde vom
Justizministerium NRW gefördert.
Herr Heidler merkte an, dass bei den Tätern
ein hohes Maß an Selbsterkenntnis vorhanden sein müsse, um eine Beratung in
Anspruch zu nehmen und fragte nach den bisher gemachten Erfahrungen.
Frau Unger antwortete, dass der Katholische
Sozialdienst auf freiwilliger Basis arbeite und ausschließlich ein Angebot zur
Beratung vorhalte. Die Erfahrung zeige aber, dass oftmals ein Einstieg über die
Kinder sehr hilfreich und durchaus erfolgversprechend sei. „Die Brücke“ in
Dortmund arbeite mit dem Gericht zusammen und die Täter bekommen die Teilnahme
als Auflage verordnet.
Frau Karrasch erkundigte sich, ob die
Zusammenarbeit mit den Männern nicht eher kontraproduktiv für die Arbeit mit
den Frauen sei.
Frau Unger erklärte, dass die wichtigste
Voraussetzung sei, dass sich Männer um die Täter kümmern. Diese notwendige
Voraussetzung habe es in den vergangenen Jahren aufgrund mangelnder Angebote
kaum gegeben, so dass es in der Tat kontraproduktiv gewesen wäre, wenn die
Mitarbeiterinnen des Frauenforums auch mit den Männern gearbeitet hätten. Die
jetzige Möglichkeit führe dazu, dass von zwei Seiten aufgeklärt und daran
gearbeitet werden könne, was zu tun sei, um eine derartige Situation zukünftig
zu verhindern. Die bisher gemachten Erfahrungen lassen den Schluss zu, dass
diese Aufarbeitung auch den Frauen zugute komme, da die Situationen ganz anders
reflektiert werden. Das führe wiederum dazu, dass Frauen seltener zurück in die
Partnerschaft gehen sondern sich eine eigene Lebensperspektive aufbauen. Dieses
neue Konzept bedeute auch, die Frau nicht als Opfer zu sehen sondern sie zu
unterstützen, das Zepter selbst in die Hand zu nehmen und Eigenverantwortung zu
übernehmen.
Abschließend
berichtete Frau Unger, dass das Frauenforum einen Antrag zur Förderung von
sogenannten „Second-Stage-Projekten“ beim Land gestellt habe. Die
Landesregierung möchte mit passgenauen Hilfen die von häuslicher Gewalt
betroffenen Frauen in der schwierigen Phase des Auszugs aus dem Frauenhaus und
der Monate danach unterstützen, und sie dadurch befähigen, selbstbestimmt und
gewaltfrei leben zu können. Die Umsetzung soll auch zur Schaffung freier
Kapazitäten in Frauenhäusern als akute Kriseneinrichtung beitragen.
In Anbetracht der
fortgeschrittenen Zeit schlug Frau Hartig
vor, Frau Unger zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal in den Beirat
einzuladen, um die weiteren Themen wie Vorstellung der „Fachstelle zu
sexualisierter Gewalt“ und die Arbeit mit „traumatisierten Flüchtlingsfrauen“
zu behandeln.