Sitzung: 15.09.2016 Wirtschaftsausschuss
Der Vorsitzende
der Geschäftsführung der GSW, Herr
Baudrexl, berichtete über die Stationen auf dem Weg in die Neue Welt der
Energiewirtschaft am Beispiel der GSW.
Er stellte fest,
dass die Gründung der GSW ein Leuchtturmprojekt einer erfolgreichen
(Re-)Kommunalisierung
und interkommunalen Zusammenarbeit gewesen sei.
Hierbei habe man
eine weitsichtige, stabile Basis geschaffen, um in der Zukunft zu bestehen.
Unternehmensentwicklung:
Zunächst sei ein
auf die Größe des Versorgungsgebietes ausgerichtetes Unternehmen aufgebaut
worden.
Die Verhandlung
zu Netzübernahmen (Gas, Strom) gestalteten sich schwierig und auch bei der
Personalentwicklung sei man vorsichtig vorgegangen. Gerade im Hinblick auf die
Drohkulisse der Liberalisierung und des prognostizierten „Stadtwerkesterben“.
Von Vorteil sei
die Kostenstruktur im Verhältnis zu tradierten Stadtwerken gewesen, die im
Monopol „Fett“ angesetzt haben.
Durch Netzkäufe
sei es zu einem hohen Fremdkapitalbedarf gekommen, welcher zu einer
hohen Zinslast und Afa sowie einer
geringen Eigenkapitalquote (15 %) geführt habe.
Konsortialrecht:
Unterschiedliche
konsortialrechtliche Regelungen haben zu einer gemeindescharfen
Bäderfinanzierung, der Festlegung einer Eigenkapitalquote von 33 %, sowie auf
den Verzicht von Gewinnausschüttungen
zur Stärkung des EK geführt.
Er stellte die Kennzahlen
des Jahresabschluss 2015 wie folgt dar:
Aktuelle
Eigenkapitalquote: 30 %
Verbindlichkeiten:
64,1 Mio. Euro gegenüber 2014: 69,2 Mio. (Sondertilgungen)
Eigenkapital:
46,0 Mio
Bilanzsumme:
151, 5 Mio. und Umsatz: 147, 2 Mio.
Afa: 9,4 Mio.
Personalkosten:
12,7 Mio.
185 Mitarbeiter
2015: 9
Auszubildende, in der Spitze bis zu 16
(Industriekaufleute,
Anlagenmechaniker, Elektroniker für Betriebstechnik
und
Fachangestellte für Bäderbetriebe)
Liberalisierung:
Die Liberalisierung, so Herr Baudrexl weiter, sei durch das Energiewirtschaftsgesetz im Jahre 1998 umgesetzt worden. Wesentliches Ziel sei gewesen, dass jeder seinen Stromlieferanten frei wählen könne. Ferner könne jeder Stromanbieter unabhängig von seinem Standort seine Leistungen anbieten.
Die Entwicklung sei holprig verlaufen. Es fehlten die richtigen Instrumente dafür, dass jeder Anbieter auch einen diskriminierungsfreien Zugang zum Versorgungsnetz bekam.
2001 hatten nicht mehr als 10 Anbieter gemeinsam einen Anteil von 80 %.
Novellierungen des EnWG:
Durch die 1. Novellierung EnWG in 2005 sei mehr Wirkung
entstanden. Erste Instrumente, Prozesse und rechtliche Regelungen seien
sukzessive geschaffen worden, um den Netzzugang zu ermöglichen und effektive,
standardisierte Wechselprozesse zu modellieren.
Die nachfolgend aufgeführten Punkte waren die zentralen Inhalte der 2.Novellierung des EnWG in 2012:
·
diskriminierungsfreier
Zugang zu Netzen gegen ein Netznutzungsentgelt
·
Entflechtung
von Verteiler- und Transportnetzen, d.h. die Trennung zwischen dem Netzbereich
und den sonstigen Unternehmensbereichen, wie z.B. Energieerzeugung
(informatorisch, buchhalterisch, gesellschaftsrechtlich und personell)
·
Bestimmung
der Bundesnetzagentur als nationale Regulierungsbehörde
·
Stromkennzeichnung
für Endverbraucher, die den Strommix offenlegt
·
Genehmigungsverfahren
für Netznutzungsentgelte
·
Liberalisierung
des Messwesens
·
Smart
Metering (Einrichtung intelligenter Zähler)
·
Informations-
und Hinweispflichten gegenüber Letztverbrauchern
·
Schlichtungsstelle
Energie
Herr Baudrexl
betonte, dass die Schaffung von Marktrollen und Prozessen, die völliges Neuland
waren, die Energieversorger intern vor große organisatorische, personelle und
kostenintensive Herausforderungen gestellt haben. Dies sei zum Teil noch heute
so. Nicht zuletzt durch den enormen Anstieg der IT-Kosten und durch die
Einführung von IT-gestützten Verfahren, die auch die Systemhäuser überfordert
haben.
Kooperationen:
Die GSW
habe immer den Weg gemeinsamer
Kooperationen gesucht.
Die Stadtwerke
seien geborene Kooperationspartner für die GSW.
Folgende
Kooperationen wurden in den letzten Jahren geschlossen:
·
1998:
Energiebeschaffung über Börsen (Marktzugang) durch Gründung der ehw
·
1999:
Strategisches Ziel: Positionierung im regionalen Telekommunikationsmarkt durch
Gründung HeLiNET
·
2005:
Gründung Stadtwerkeverbund Hellweg-Lippe-Netz, Kooperation im Netzbereich,
Pachtmodell mit regulatorischen Vorteilen
·
2005:
Gründung der Stadtwerkeverbund Hellweg-Lippe-Netz-Service: IT-Betrieb und
Unterstützung Marktkommunikation, fehlende Bereitschaft existierende Systeme
aufzugeben
·
2005:
Gründung Stadtwerke Energie Verbund, überregionaler Energievertrieb, Produkt
„Kleiner Racker“
·
Positionierung
in der Wertschöpfungskette Erzeugung über Trianel und eigene Windparks, Trianel
erneuerbare Energien,
·
Trianel
Windpark Borkum II
Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vs. Bäderdebatte
Herr Baudrexl
referierte, dass die GSW wirtschaftlich und strategisch gut aufgestellt sei, um
die Herausforderungen, die die tiefgreifenden Veränderungen in der
Energiewirtschaft mit sich bringen, zu bestehen.
Trotz
schwieriger Rahmenbedingungen habe das Unternehmen gute Ergebnisse erzielt.
Hierbei sei
nicht nur ein solide 5-jährigen Planung mit Bestandsbädern zu erwähnen, sondern
auch von einer guten Kundenbindung sowie verantwortungsbewussten
Anteilseignern, die es der GSW ermöglichen strategische
Investitionsentscheidungen zu treffen, um das Unternehmen zukunftsfest zu
machen.
Die Verankerung liege im Konsortialrecht.
Motiv sei die Verantwortung für das Unternehmen und 185 Arbeitsplätze sowie
die Erhaltung der wirtschaftlichen Kraft, um das Unternehmen zukunfts- und investitionsfähig aufzustellen.
Herr Baudrexl war dem Aufsichtsrat und den Anteilseignern
sehr dankbar, diesen Weg mitzugehen.
Ökonomische Weitsicht und Verantwortung für das Unternehmen kollidierten
an dieser Stelle mit einer politischen Debatte, um das Maß kommunaler
Daseinsvorsorgeangebote.
Wirtschaftliche Notwendigkeiten prallten auf Partikularinterressen.
Das Unternehmen sei für die Zukunft gut aufgestellt, wenn es auch weiterhin die Möglichkeit habe, Entscheidungen mit ökonomischer Vernunft zu treffen. Die Bäderdebatte sei nicht geeignet, die grundsätzliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens in Frage zu stellen.
Das Unternehmen wolle auch weiterhin eine bedarfsorientierte Bäderlandschaft betreiben und für die Anteilseigner ein werthaltiges Beteiligungsunternehmen mit angemessenen Renditen sein. Ferner sei es auch Ziel den Kunden wettbewerbsfähige Energiepreise zu bieten und soziale, sportliche und kulturelle Zwecke zu fördern und zu unterstützen.
Dafür müsse die GSW die Ressourcen bündeln.
Hinweis auf interne Prozessherausforderungen der letzten Jahre:
Die Implementierung der Marktrollen (Verteilnetzbetreiber, Lieferant, Messstellenbetrieb (MSB) bleibe eine Herausforderung, so der Geschäftsführer.
Herausforderung an die IT:
· Papierlose Marktkommunikation über Datenformate,
· Energiedatenmanagement (EDM)
· Bilanzierung und Abgleich der der physikalischen und virtuellen Welten unter Berücksichtigung von Lastgängen
· Monatliche Mehr-, Mindermengenabrechnung an jedem Zählpunkt
Anreizregulierung:
Da das Netz eine Monopolstellung habe, sei im Wege der sogenannten Anreizregulierung die Monopolrendite des Netzbetreibers festgelegt worden.
Auf der Grundlage einer sogenannten Erlösobergrenze werde das zulässige Netznutzungsentgelt festgelegt. Basis sei die kalkulatorische Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals. Für jede sogenannte Regulierungsperiode ermittele die Bundesnetzagentur risiko- und finanzadäquate Zinssätze. Die sich daraus ergebende Rendite sei
für das Unternehmen nur erreichbar, wenn ein Effizienzwert von 100 % erreicht würde.
Prognostisch werde in Zukunft die Rendite eher sinken. Die Bedeutung der Verteilnetze für die erneuerbaren Energien steige. 90 % des EEG-Stromes werde in Verteilnetze eingespeist.
Durch das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende komme es zu Einbauverpflichtungen intelligenter Messsysteme. Diese übermitteln im Viertelstundentakt die Daten an den Energieversorger. Hierdurch entstünden neue Geschäftsmodelle und damit auch neue Tarife. Ein wichtiger Punkt sei, dass die Kunden diese intelligenten Maßsysteme akzeptieren und auf die Arbeit und den Datenschutz der Stadtwerke vertrauen.
Engagement in Erneuerbare Energien:
Herr Baudrexl hob hervor, dass die GSW verstärkt auf erneuerbare Energien setze. So sei es durch die Beteiligung am Trianel Windpark Borkum, durch eigene Windräder in Süddeutschland, PV-Anlagen auf kommunalen Dächern, Beteiligung an TEE (Trianel Erneuerbare Energie {Onshore Windparks und Freiflächen PV-Anlagen) möglich, heute schon 15.000 Haushalte mit Strom aus erneuerbaren Energien zu beliefern.
Eine Beteiligung an einem 2. Bauabschnitt im Windpark Borkum sei geplant.
Energiepreise:
Die GSW werde den Gaspreis zum 01. Januar 2017 voraussichtlich senken. Auch im Strombereich werde die GSW ihren Beschaffungsvorteil aufgrund gesunkener Strompreise in 2017 an die Kunden weitergeben. Aufgrund des hohen Umlagen- bzw. Staatsanteils, der voraussichtlich deutlich steigen werde, könne maximal der Strompreis stabil gehalten werden. Der Anteil der Beschaffungs- und Vertriebskosten läge bei lediglich 23 %.
Sonstiges:
Abschließend wies Herr Baudrexl darauf hin, dass die Gründung von Provion, eine gemeinsame IT-Gesellschaft mit dem SW Unna, in Planung sei, um Synergien aus der Tatsache desselben IT-Unternehmens zu generieren zum Vorteil für beide Stadtwerke.
Herr Lipinski bedankte sich bei Herrn
Baudrexl für die äußerst interessanten Ausführungen.
Herr Krause sprach Herrn Baudrexl für die
detaillierte Darstellung der Geschäftsmodelle und der wirtschaftlichen
Situation der GSW seinen Dank aus.
Bei der weiteren
Entwicklung von neuen Geschäftsideen wünsche er der GSW weiterhin eine
glückliche Hand. Er betonte, dass die Bäderdiskussion nicht vor dem Hintergrund
der momentanen tatsächlichen wirtschaftlichen Situation zu führen sei.
Herr Heuchel bedankte sich für die
Ausführungen. Er habe einen tiefen Einblick in die Geschäftswelt der GSW
erhalten. Er erkundigte sich, ob die früheren Prepaidzähler weiterhin zum
Einsatz kommen werden.
Herr Baudrexl erläuterte, dass diese Technik
veraltet sei, sicherlich aber mit den neuen, intelligenten Zählern in der
Zukunft ein Prepaidtarif umsetzbar sei.
Frau Dörlemann erkundigte sich nach der
Möglichkeit der regionalen Stromerzeugung durch Windkraft und nach
Erdgastankstellen.
Durch dicht
besiedelte Flächen, die Nähe zur Autobahn aber auch aus Naturschutzgründen
stünden planungsrechtlich keine Flächen zur Verfügung, so Herr Baudrexl.
Er bestätigte weiterhin die Aussage von Frau
Dörlemann, dass eine Betankung der mit Erdgas betriebenen Autos derzeit
schwierig sei. Hintergrund sei ein Unfall beim Betanken eines Fahrzeuges,
woraufhin ARAL und auch andere Anbieter die Erdgastankstellen geschlossen
haben.
Er wies darauf
hin, dass die GSW eine Tankstelle in Bergkamen betreibe. ARAL prüfe derzeit, ob
sich die Tanksperre auf ddie Automarke VW reduzieren lasse.
Herr Hupe ergänzte, dass die Verwaltung
derzeit prüfen lasse, inwieweit die Erstellung von Windkraftanlagen im
Stadtgebiet möglich sei.
Herr Ebbinghaus wies daraufhin, dass es im
Stadtgebiet zwar keine Windkraftanlagen gebe, aber Bio-Gasanlagen die ebenfalls
zur Stromerzeugung genutzt werden.
Herr Heidler begrüßte die von Herrn Baudrexl
beschriebene Kooperation mit anderen Städten sowie die für die Zukunft
geplanten Projekte der GSW.
Herr Baudrexl berichtete über ein weiteres
Projekt der GSW, das Energiedach.
Hierbei handele
es sich um eine für den Kunden individuell ausgerichtete Photovoltaikanlage.
Mit wenigen Informationen, die auf der Internetseite der GSW anzugeben seien,
würde ein maßgeschneidertes Produkt erstellt, welches auf die persönlichen
Gegebenheiten des jeweiligen Kunden angepasst sei.
Die erzeugte
Energie sei selbst nutzbar und könne auch ins Netz eingespeist werden. Auch die
Instandhaltung und Wartung der Anlage seien Bestandteil dieses Produktes.
Herr Lipinski bedankte sich und wünschte der
GSW weiterhin eine glückliche Hand.