Sitzung: 26.08.2015 Gleichstellungsbeirat
Nach einer kurzen Vorstellung seiner Person berichtete Herr Freudhofen über sein Aufgabengebiet
als Teamleiter „Unterhaltsheranziehung“ im Jobcenter Unna.
Diese Aufgabe habe mit einer Gesetzesänderung im Unterhaltsrecht im Jahr 2008
gravierende Veränderungen erfahren. Seit diesem Zeitpunkt stehen Kinder in der
Reihenfolge der Unterhaltsberechtigten an erster Stelle und die Mütter, die
die Kinder betreuen seien ihnen gleichgestellt.
Geschiedene Ehefrauen könne man als Verliererinnen dieser
Reform bezeichnen. Habe der Unterhaltsanspruch der Ehefrau bis 2008 noch bis
ans Lebensende gegolten, stehe nun die Eigenverantwortlichkeit im Vordergrund.
Jede geschiedene Ehefrau sei nun verpflichtet, eigenverantwortlich für ihren Lebensunterhalt
zu sorgen.
Problematisch sei aus seiner Sicht, dass in Deutschland noch immer ein sehr
traditionelles Rollenbild bestehe, mit der Folge, dass in Ehen ein starkes
Einkommensgefälle vorherrsche.
In seinem Arbeitsgebiet erlebe er klassischerweise den Ehemann, der z.B. als Facharbeiter tätig sei und die Ehefrau, die einen 450,00 Euro-Job ausübe. Durch das Ehegattensplitting sei in dieser Situation das Familieneinkommen gesichert. Bei einer Trennung hingegen müsse der besserverdienende Ehemann in die Steuerklasse 1 wechseln und Unterhalt für die Kinder zahlen. Da ihm ein Selbstbehalt von 1.100,00 Euro zustehe könne er in der Regel für seine Frau keinen Unterhalt zahlen. Für die geschiedene Ehefrau führe diese Situation oftmals sehr schnell in eine Verschuldung, da nach seiner Erfahrung vielfach auch noch gemeinsame Raten abzuzahlen seien. Das ziehe gravierende oftmals auch gesundheitliche Konsequenzen nach sich. Hieraus sei bereits ein neues Krankheitsbild „Unterhaltsneurose“ entstanden, hervorgerufen durch den ständigen Kampf um das monatliche Geld. Deshalb gehe es bei seiner Arbeit neben der finanziellen Situation auch darum Unterstützungsangebote aufzuzeigen, wie Schuldnerberatung, Wohngeld, Unterhaltsvorschuss etc. Des Weiteren werden gemeinsam Perspektiven für die eigene Erwerbstätigkeit entwickelt, z.B. eine Zusatzqualifizierung oder auch ein Neubeginn. Als Auffangnetz fungiere letztlich das SGB 12.
Auf die Frage von Frau Hartig, ob bei der Verpflichtung zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit das Alter der Kinder berücksichtigt werde, antwortete Herr Freudhofen, dass es sowohl nach dem Gesetzgeber als auch nach der aktuellen Rechtsprechung keine Altersstaffelung mehr gebe. Wenn das Kind 3 Jahre alt ist, müssen individuelle kindbezogene Gründe vorgebracht werden, um von der Verpflichtung arbeiten zu gehen entbunden zu werden.
Frau Kollmeier merkte an, dass für gut ausgebildete Frauen, der Abschluss eines Ehevertrages ratsam sei.
Frau Arnold gab zu Bedenken, dass es in Berufen, in denen oftmals Frauen tätig seien, sehr schwierig sei, Vollzeitstellen zu bekommen.
Herr Freudhofen bestätigte, dass nicht unbedingt lebensnahe Gesetzesänderungen vorgenommen worden seien. Auch die Kinderbetreuungsinfrastruktur sei noch nicht zufriedenstellend. Abschließend appellierte Herr Freudhofen an die Beiratsmitglieder, Frauen, die sich in einer derartigen Situation befinden, zu ermutigen sich so schnell wie möglich bei ihm oder seinem Team zu melden, um frühzeitig Hilfe anbieten zu können.