Frau Mann begrüßte Frau Brückel und Frau Fuest vom Träger „Familien­bande – Familien­netzwerk Kamen e.V.“.

 

Anschließend stellte sich Frau Brückel als Geschäftsführerin des Landes­verbandes der offenen Häuser für Jung und Alt in Nordrhein-Westfalen vor. Zudem sei sie in der Einrichtung  „Familienbande – ein Haus für Familien e.V.“ tätig.

Sodann referierte Frau Brückel anhand einer Präsentation zum Thema Schulintegration. Ein­leitend führte sie aus, dass ein Träger in Kamen auf­grund wirtschaftlicher Probleme das Tätigkeitsfeld der Schulassistenz auf­gegeben habe. Der Vorstand der Familienbande e.V. habe nach intensiver interner Beratung die Entscheidung getroffen, das Projekt als neuzu­grün­dende Gesellschaft „Familie und Du im Kreis Unna - FUD“ zusammen mit weiteren Netzwerkpartnern, der „Frühförderstelle im Kreis Unna“ und „Woh­nen auf Zeit“, fortzuführen. Sie hob hervor, dass sie nun nicht in der Funk­tion der ehren­amtlichen Geschäftsführerin des FUD auftrete, sondern viel­mehr den Ver­band „Der Paritätische“, der die Dachorganisation der vier genannten Vereine sei, repräsentiere.

Sie ging auf die rechtlichen Grundlagen, insbesondere dem Wunsch- und Wahlrecht und dem sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis zwischen Leis­tungsempfänger, -erbringer und -träger und deren unter­schiedliche Rechts­gebiete ein. Sie sehe den Schwer­punkt der Arbeit in der Stärkung der Selbst­hilfe der Betroffenen und deren Familien. Weiter­hin stellte sie um­fassend die Aufgaben und Tätigkeitsschwerpunkte der Schul­assistenten dar und erläuterte auch die Aufgaben des Trägers. Exempla­risch machte sie die vielschichtigen Probleme in der täglichen Umsetzung deutlich.

Erhebliche finanzielle Schwierigkeiten bereite zudem das Missverhältnis der Leistungsver­gütung zur Leistungserbringung, so Frau Brückel weiter. Es würden ausschließlich die tat­sächlich geleisteten Zeiten vergütet. Dies führe
dazu, dass sie als Träger im Kreis Unna die Mit­arbeiter und Mitarbeiterin­nen nicht durchgängig beschäftigen könnte.

Die Schulassistenten der FUD wären 10,5 Monate beschäftigt. In diesem Zusam­menhang erläuterte sie eine Lösungsvariante des Kreises Unna (Drucksache 116/64) zur sog. Poollösung und gab umfassende Hin­ter­grund­informationen zu den Absolventen und Absolventinnen eines Frei­willigen Sozialen Jahres (FSJ). Frau Brückel beendete ihre Prä­sentation mit einem Forderungskatalog zur Sicherung der Zukunft und Qualität der Schul­assistenz.

 

Frau Mann dankte Frau Brückel für den Vortrag und die Sensibilisierung für die aufgezeigten Probleme.

 

Da jeder Mitarbeiter gezielt im Hinblick auf die Einschränkungen des Kindes geschult sei, stelle sich die Frage, wie die individuelle Betreuung im Ver­tretungsfall sichergestellt werde, so Frau Bartosch.

 

Frau Brückel erwiderte, dass die FUD auch Springerkräfte beschäftige, die eher allgemein geschult seien, die Aufgaben dann im Vertretungsfall über­nehmen. Bei massiven Einschränk­ungen eines Kindes und hohen Anfor­derungen an die Begleitung werde versucht, mindestens zwei Kräfte pass­genau zu schulen.

 

Frau Bartosch erkundigte sich nach den Reaktionen und der Akzeptanz der Eltern, wenn wechselnde Betreuungskräfte sich um ihr Kind kümmern.

 

Frau Brückel teilte mit, dass sie die Erfahrung gemacht habe, dass die Eltern zugunsten einer Beschulung ihrer Kinder auch ggf. wechselnde Be­treuungskräfte akzeptierten. Andern­falls wäre ein Schulbesuch bei Ausfall der grundsätzlich zuständigen Betreuungskraft und ohne Vertretungsstel­lung nicht möglich.

 

Frau Scharrenbach machte deutlich, dass der Kreis Unna das Kosten­pro­blem erkannt habe und problemorientiert gegensteuere. In diesem Zu­sam­menhang wäre es hilfreich gewesen, eine Übersicht zu erhalten, wie sich die sog. § 35a-Fälle in Kamen entwickeln, insbesondere ob eine Steige­rung erkennbar sei. Zudem fragte sie nach den Praxisabläufen in Bezug auf die Gutachten.

Ferner verstünde sie die Schule, die es nicht für zielführend erachte, wenn zusätzlich zu den Schülern noch fünf erwachsene Schulbegleiter in den Klassen anwesend seien.

 

Frau Hartig erkundigte sich ebenfalls nach den Fallzahlen und den jeweili­gen Kosten in Kamen.

 

Herr Dunker antwortete, dass der Fachbereich Jugend, Schule und Sport aktuell zwanzig Fälle betreue und der betreffende Ansatz im Produktplan 250.000,00 € betrage. Im Rahmen von § 35a SGB VIII sei ein qualifiziertes Hilfeplanverfahren anzuwenden, d.h. die Hilfe würde individuell unter Be­achtung pädagogisch-fachlicher Grundlagen geplant. Für jeden Fall sei eine Diagnostik durch die Erziehungsberatungsstelle Kamen - Bergkamen erfor­derlich. Auf­grund dieser Informationen würde die individuell abgestimmte Begleitungsperson ausge­sucht. Die Kosten variieren daher nach Anforde­rungsprofil bis zu 45,00 €/Std. Er könne nach­voll­ziehen, dass die geringen Stundensätze bei freien Trägern durchaus zu wirt­schaftlichen Problemen führen.

Zur Poolbildung im SGB VIII äußerte Herr Dunker sich kritisch. Er machte jedoch auch deutlich, dass eine Poolbildung in Form von angestellten Schul­begleitern in den einzelnen Schulen, wo diese Integrationskräfte pass­genau nach Entscheidung durch die Schule ein­gesetzt würden, zielfüh­rend sei. Dieses Vorgehen beziehe sich ausschließlich auf die Pro­phylaxe. Das Recht der Eltern auf individuelle Hilfe nach § 35a SGB VIII würde in diesen Fällen nicht berührt. Er erklärte weiterhin, dass die § 35a-Fälle aus­schließ­lich die Einglie­derungshilfe beträfen und nicht mit der Hilfe zur Er­ziehung zu verwechseln seien. Zudem habe er seine Ausführungen aus­schließlich auf den Bereich des SGB VIII bezogen.

 

Frau Brückel gab zu bedenken, dass hinsichtlich der Hilfe nach dem SGB VIII die rechtliche Grundlage ein entsprechender Verwaltungsakt sei, wäh­renddessen bei einer Poolbildung in der alle Kinder gleichermaßen von der Hilfe profitierten, keine individuell ableitbare An­spruchsvoraussetzung vor­läge. Sie würde ausschließlich den erstgenannten Bereich ver­tre­ten. Im weiteren Verlauf brachte sie ihre kritische und persönliche Meinung zur Prophylaxe zum Ausdruck.

 

Frau Scharrenbach erläuterte, dass derzeit auf Bundesebene Gespräche geführt würden, wie die individuell zugewiesenen Inklusionshelfer zukünftig ausgestaltet werden sollen. Da­bei würde auch geprüft, ob ggf. eine Inklusi­onskraft für mehrere Kinder, selbstverständlich ein­zelfallorientiert und abge­stimmt auf deren Einschränkungen, eingesetzt werden könne.

Wenn die Wirkung der Prophylaxe bestritten würde, so Frau Scharrenbach weiter, könne gleichwohl auch gesagt werden, dass die schulische Inklusion in Nordrhein-Westfalen ge­scheitert sei, da die Gesetzgebung durchgängig auf diesen Grundsatz aufbaue. Sie regte an, in einer der nächsten Sitzun­gen die Erziehungsberatungsstelle Kamen - Bergkamen zum Thema Diag­nostik hinzuzuziehen.

 

Herr Stalz erkundigte sich nach den Beschäftigungsformen der Schulas­sistenten und nach deren Einkommenshöhe in Bezug darauf, ob es sich bei den dargestellten Stundensätze um Brutto- oder Nettoeinkommen handele.

 

Frau Brückel antwortet, dass die Beschäftigungsformen sehr unterschied­lich seien. Dies sei jeweils vom bewilligten Stundensatz des Kindes und deren Schulform (z.B. Ganztagsschule) abhängig. Der überwiegende Anteil der Beschäftigten seien Vollzeitkräfte. Daneben würden auch Teilzeitkräfte eingesetzt. Der Umstand, dass es jeweils nur jährlich befristete Bewilli­gun­gen gäbe, erschwere die Schaffung langfristiger Beschäftigungsverhält­nisse.

Der Stundensatz läge beim Träger „Familie und Du im Kreis Unna - FUD“ zwischen 8,50 € (ungelernte Kräfte) und ca. 15,00 € (Fachkräfte).

 

Frau Hartig fasste zusammen, dass es wichtig sei, in diesem Bereich pfle­gerisch, pädago­gisches und psychologisch geschultes Personal einzuset­zen.

 

Herr Stalz bat um Erläuterung der Unterschiede zwischen den schulischen Pflegekräften im Bundesland Bayern und der Schulassistenz. Zudem wies er darauf hin, dass das Modell der Poolbildung nur funktionieren könne, wenn eine ausreichende Anzahl von Fachkräften darin mitwirken würde. Die ständige Besetzung müsse auch so bemessen sein, dass Fehlzeiten Anderer problemlos aufgefangen werden könnten.

 

Frau Brückel erwiderte, dass sie anhand der Darstellung eine 1:1 Be­treu­ung deutlich machen wollte. Die Schulbegleiter in Bayern würden zusätzlich einge­stellt und finanziert werden, um dem Kind eine weitere Hilfestellung zu ermöglichen. Dieses Modell sei nicht ohne weiteres in Nordrhein-Westfalen umsetzbar, da hier die Grenzen der Finan­zierbarkeit wohl erreicht wären.

 

Herr Grosch gab Anmerkungen aus Sicht der Schule. Er könne sich nicht vorstellen, dass das Modell der Poolbildung an Schulen eine Lösung sein könnte, da vor Schulbeginn neben der Organisation der Lehrervertretungen auch die Vertretungen der Integrationshelfer ge­regelt werden müsste. Die Erfahrungen mit Schulassistenten in den Kamener weiter­führen­den Schulen seien mit den „Versuchsschulen“ z.B. in Köln nicht vergleichbar. Er sehe per­spektivisch zusätzlichen Unterstützungsbedarf durch externe Helfer, um die Kinder ange­messen fördern zu können. Er merkte ferner an, dass der Bedarf an qualifizierten Schul­assistenten groß sei, die Bezahlung jedoch nicht leistungsgerecht erfolge und daher für viele Interessierte keinen finan­ziellen Anreiz biete.

 

Herr Ritter bemerkte, dass es hier ein System gäbe, dass zum Einen den Rechtsanspruch formuliere und zum Anderen aber nicht so ausgestattet sei, dass es in der Praxis funktionie­re. Es sei nachvollziehbar, dass auf­grund der viel zu geringen Stundensätze keine adäqua­ten Beschäftigungs­verhältnisse angeboten werden könnten. Er stellte in diesem Zusammen­hang die Frage an Frau Brückel, warum diese sich unter den bekannten Bedingungen be­reiterklärt habe, als Leistungserbringer der Schulassistenz einzutreten, zumal ja ein er­fahrener Träger eben daran gescheitert sei.

Er erkenne häufig eine besondere Motivation von Beschäftigen, insbeson­dere den schwäch­eren Menschen helfen zu wollen. Dies sollte jedoch dau­erhaft nur innerhalb eines ange­messenen finanziellen Rahmens erfolgen. Das System müsse hier nachgebessert werden.

 

Frau Mann dankte Herrn Ritter für die Aussage und erteilte Frau Brückel erneut das Wort.

 

Frau Brückel erläuterte ausführlich die Beweggründe, die letztlich zu der Gründung der neuen Gesellschaft „Familie und Du im Kreis Unna - FUD“ geführt habe. Entscheidend sei u.a. gewesen, dass sie auf eine Vielzahl sehr motivierter Personen getroffen sei, so dass sie letztlich zusammen mit den Partnern beschlossen habe, hier die Initiative zu ergreifen.

 

Frau Mann resümierte, dass die Komplexität dieser Angelegenheit deutlich wurde. Die Entwicklungen würden vom Ausschuss weiterhin interessiert verfolgt.