Sitzung: 24.02.2015 Jugendhilfeausschuss
Frau Mann begrüßte Frau Brückel und Frau Fuest vom Träger „Familienbande –
Familiennetzwerk Kamen e.V.“.
Anschließend
stellte sich Frau Brückel als
Geschäftsführerin des Landesverbandes der offenen Häuser für Jung und Alt in
Nordrhein-Westfalen vor. Zudem sei sie in der Einrichtung „Familienbande – ein Haus für Familien e.V.“
tätig.
Sodann referierte
Frau Brückel anhand einer Präsentation zum Thema Schulintegration. Einleitend
führte sie aus, dass ein Träger in Kamen aufgrund wirtschaftlicher Probleme
das Tätigkeitsfeld der Schulassistenz aufgegeben habe. Der Vorstand der
Familienbande e.V. habe nach intensiver interner Beratung die Entscheidung
getroffen, das Projekt als neuzugründende Gesellschaft „Familie und Du im
Kreis Unna - FUD“ zusammen mit weiteren Netzwerkpartnern, der „Frühförderstelle
im Kreis Unna“ und „Wohnen auf Zeit“, fortzuführen. Sie hob hervor, dass sie
nun nicht in der Funktion der ehrenamtlichen Geschäftsführerin des FUD
auftrete, sondern vielmehr den Verband „Der Paritätische“, der die
Dachorganisation der vier genannten Vereine sei, repräsentiere.
Sie ging auf die
rechtlichen Grundlagen, insbesondere dem Wunsch- und Wahlrecht und dem
sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis zwischen Leistungsempfänger,
-erbringer und -träger und deren unterschiedliche Rechtsgebiete ein. Sie sehe
den Schwerpunkt der Arbeit in der Stärkung der Selbsthilfe der Betroffenen
und deren Familien. Weiterhin stellte sie umfassend die Aufgaben und
Tätigkeitsschwerpunkte der Schulassistenten dar und erläuterte auch die
Aufgaben des Trägers. Exemplarisch machte sie die vielschichtigen Probleme in
der täglichen Umsetzung deutlich.
Erhebliche
finanzielle Schwierigkeiten bereite zudem das Missverhältnis der Leistungsvergütung
zur Leistungserbringung, so Frau Brückel weiter. Es würden ausschließlich die
tatsächlich geleisteten Zeiten vergütet. Dies führe
dazu, dass sie als Träger im Kreis Unna die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
nicht durchgängig beschäftigen könnte.
Die
Schulassistenten der FUD wären 10,5 Monate beschäftigt. In diesem Zusammenhang
erläuterte sie eine Lösungsvariante des Kreises Unna (Drucksache 116/64) zur
sog. Poollösung und gab umfassende Hintergrundinformationen zu den
Absolventen und Absolventinnen eines Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ). Frau
Brückel beendete ihre Präsentation mit einem Forderungskatalog zur Sicherung
der Zukunft und Qualität der Schulassistenz.
Frau Mann dankte Frau Brückel für den Vortrag und die Sensibilisierung für die
aufgezeigten Probleme.
Da jeder
Mitarbeiter gezielt im Hinblick auf die Einschränkungen des Kindes geschult
sei, stelle sich die Frage, wie die individuelle Betreuung im Vertretungsfall
sichergestellt werde, so Frau Bartosch.
Frau Brückel erwiderte, dass die FUD auch Springerkräfte
beschäftige, die eher allgemein geschult seien, die Aufgaben dann im
Vertretungsfall übernehmen. Bei massiven Einschränkungen eines Kindes und
hohen Anforderungen an die Begleitung werde versucht, mindestens zwei Kräfte
passgenau zu schulen.
Frau Bartosch erkundigte sich nach den Reaktionen und der
Akzeptanz der Eltern, wenn wechselnde Betreuungskräfte sich um ihr Kind
kümmern.
Frau Brückel teilte mit, dass sie die Erfahrung gemacht
habe, dass die Eltern zugunsten einer Beschulung ihrer Kinder auch ggf.
wechselnde Betreuungskräfte akzeptierten. Andernfalls wäre ein Schulbesuch
bei Ausfall der grundsätzlich zuständigen Betreuungskraft und ohne
Vertretungsstellung nicht möglich.
Frau Scharrenbach machte deutlich, dass der Kreis Unna das
Kostenproblem erkannt habe und problemorientiert gegensteuere. In diesem Zusammenhang
wäre es hilfreich gewesen, eine Übersicht zu erhalten, wie sich die sog. §
35a-Fälle in Kamen entwickeln, insbesondere ob eine Steigerung erkennbar sei.
Zudem fragte sie nach den Praxisabläufen in Bezug auf die Gutachten.
Ferner verstünde sie
die Schule, die es nicht für zielführend erachte, wenn zusätzlich zu den
Schülern noch fünf erwachsene Schulbegleiter in den Klassen anwesend seien.
Frau Hartig erkundigte sich ebenfalls nach den
Fallzahlen und den jeweiligen Kosten in Kamen.
Herr Dunker antwortete, dass der Fachbereich Jugend,
Schule und Sport aktuell zwanzig Fälle betreue und der betreffende Ansatz im
Produktplan 250.000,00 € betrage. Im Rahmen von § 35a SGB VIII sei ein
qualifiziertes Hilfeplanverfahren anzuwenden, d.h. die Hilfe würde individuell
unter Beachtung pädagogisch-fachlicher Grundlagen geplant. Für jeden Fall sei
eine Diagnostik durch die Erziehungsberatungsstelle Kamen - Bergkamen erforderlich.
Aufgrund dieser Informationen würde die individuell abgestimmte Begleitungsperson
ausgesucht. Die Kosten variieren daher nach Anforderungsprofil bis zu 45,00
€/Std. Er könne nachvollziehen, dass die geringen Stundensätze bei freien
Trägern durchaus zu wirtschaftlichen Problemen führen.
Zur Poolbildung im
SGB VIII äußerte Herr Dunker sich kritisch. Er machte jedoch auch deutlich,
dass eine Poolbildung in Form von angestellten Schulbegleitern in den
einzelnen Schulen, wo diese Integrationskräfte passgenau nach Entscheidung
durch die Schule eingesetzt würden, zielführend sei. Dieses Vorgehen beziehe
sich ausschließlich auf die Prophylaxe. Das Recht der Eltern auf individuelle
Hilfe nach § 35a SGB VIII würde in diesen Fällen nicht berührt. Er erklärte
weiterhin, dass die § 35a-Fälle ausschließlich die Eingliederungshilfe beträfen
und nicht mit der Hilfe zur Erziehung zu verwechseln seien. Zudem habe er
seine Ausführungen ausschließlich auf den Bereich des SGB VIII bezogen.
Frau Brückel gab zu bedenken, dass hinsichtlich der
Hilfe nach dem SGB VIII die rechtliche Grundlage ein entsprechender
Verwaltungsakt sei, währenddessen bei einer Poolbildung in der alle Kinder
gleichermaßen von der Hilfe profitierten, keine individuell ableitbare Anspruchsvoraussetzung
vorläge. Sie würde ausschließlich den erstgenannten Bereich vertreten. Im
weiteren Verlauf brachte sie ihre kritische und persönliche Meinung zur
Prophylaxe zum Ausdruck.
Frau Scharrenbach erläuterte, dass derzeit auf Bundesebene
Gespräche geführt würden, wie die individuell zugewiesenen Inklusionshelfer
zukünftig ausgestaltet werden sollen. Dabei würde auch geprüft, ob ggf. eine
Inklusionskraft für mehrere Kinder, selbstverständlich einzelfallorientiert
und abgestimmt auf deren Einschränkungen, eingesetzt werden könne.
Wenn die Wirkung
der Prophylaxe bestritten würde, so Frau
Scharrenbach weiter, könne gleichwohl auch gesagt werden, dass die
schulische Inklusion in Nordrhein-Westfalen gescheitert sei, da die
Gesetzgebung durchgängig auf diesen Grundsatz aufbaue. Sie regte an, in einer
der nächsten Sitzungen die Erziehungsberatungsstelle Kamen - Bergkamen zum
Thema Diagnostik hinzuzuziehen.
Herr Stalz erkundigte sich nach den
Beschäftigungsformen der Schulassistenten und nach deren Einkommenshöhe in Bezug
darauf, ob es sich bei den dargestellten Stundensätze um Brutto- oder
Nettoeinkommen handele.
Frau Brückel antwortet, dass die Beschäftigungsformen
sehr unterschiedlich seien. Dies sei jeweils vom bewilligten Stundensatz des
Kindes und deren Schulform (z.B. Ganztagsschule) abhängig. Der überwiegende
Anteil der Beschäftigten seien Vollzeitkräfte. Daneben würden auch
Teilzeitkräfte eingesetzt. Der Umstand, dass es jeweils nur jährlich befristete
Bewilligungen gäbe, erschwere die Schaffung langfristiger
Beschäftigungsverhältnisse.
Der Stundensatz
läge beim Träger „Familie und Du im Kreis Unna - FUD“ zwischen 8,50 €
(ungelernte Kräfte) und ca. 15,00 € (Fachkräfte).
Frau Hartig fasste zusammen, dass es wichtig sei, in
diesem Bereich pflegerisch, pädagogisches und psychologisch geschultes
Personal einzusetzen.
Herr Stalz bat um Erläuterung der Unterschiede zwischen den schulischen
Pflegekräften im Bundesland Bayern und der Schulassistenz. Zudem wies er darauf
hin, dass das Modell der Poolbildung nur funktionieren könne, wenn eine
ausreichende Anzahl von Fachkräften darin mitwirken würde. Die ständige
Besetzung müsse auch so bemessen sein, dass Fehlzeiten Anderer problemlos
aufgefangen werden könnten.
Frau Brückel erwiderte, dass sie anhand der Darstellung
eine 1:1 Betreuung deutlich machen wollte. Die Schulbegleiter in Bayern
würden zusätzlich eingestellt und finanziert werden, um dem Kind eine weitere
Hilfestellung zu ermöglichen. Dieses Modell sei nicht ohne weiteres in
Nordrhein-Westfalen umsetzbar, da hier die Grenzen der Finanzierbarkeit wohl
erreicht wären.
Herr Grosch gab Anmerkungen aus Sicht der Schule. Er
könne sich nicht vorstellen, dass das Modell der Poolbildung an Schulen eine
Lösung sein könnte, da vor Schulbeginn neben der Organisation der
Lehrervertretungen auch die Vertretungen der Integrationshelfer geregelt
werden müsste. Die Erfahrungen mit Schulassistenten in den Kamener weiterführenden
Schulen seien mit den „Versuchsschulen“ z.B. in Köln nicht vergleichbar. Er
sehe perspektivisch zusätzlichen Unterstützungsbedarf durch externe Helfer, um
die Kinder angemessen fördern zu können. Er merkte ferner an, dass der Bedarf
an qualifizierten Schulassistenten groß sei, die Bezahlung jedoch nicht
leistungsgerecht erfolge und daher für viele Interessierte keinen finanziellen
Anreiz biete.
Herr Ritter bemerkte, dass es hier ein System gäbe,
dass zum Einen den Rechtsanspruch formuliere und zum Anderen aber nicht so
ausgestattet sei, dass es in der Praxis funktioniere. Es sei nachvollziehbar,
dass aufgrund der viel zu geringen Stundensätze keine adäquaten
Beschäftigungsverhältnisse angeboten werden könnten. Er stellte in diesem
Zusammenhang die Frage an Frau Brückel, warum diese sich unter den bekannten
Bedingungen bereiterklärt habe, als Leistungserbringer der Schulassistenz
einzutreten, zumal ja ein erfahrener Träger eben daran gescheitert sei.
Er erkenne häufig
eine besondere Motivation von Beschäftigen, insbesondere den schwächeren
Menschen helfen zu wollen. Dies sollte jedoch dauerhaft nur innerhalb eines
angemessenen finanziellen Rahmens erfolgen. Das System müsse hier
nachgebessert werden.
Frau Mann dankte Herrn Ritter für die Aussage und erteilte Frau Brückel erneut
das Wort.
Frau Brückel erläuterte ausführlich die Beweggründe, die
letztlich zu der Gründung der neuen Gesellschaft „Familie und Du im Kreis Unna
- FUD“ geführt habe. Entscheidend sei u.a. gewesen, dass sie auf eine Vielzahl
sehr motivierter Personen getroffen sei, so dass sie letztlich zusammen mit den
Partnern beschlossen habe, hier die Initiative zu ergreifen.
Frau Mann resümierte, dass die Komplexität dieser Angelegenheit deutlich wurde.
Die Entwicklungen würden vom Ausschuss weiterhin interessiert verfolgt.