Betreff
Schotter und Kiesgärten in der Stadt Kamen
hier: Auswertung der Handlungsempfehlungen des Städte- und Gemeindebundes
Vorlage
026/2021
Art
Mitteilungsvorlage

In einer Sitzung des damaligen Umwelt- und Klimaschutzausschusses hat die Verwaltung über die Möglichkeiten zum Umgang mit sogenannten „Schottergärten/Kiesgärten“ berichtet. Es wurde dargestellt, dass zur Verhinderung von Schottergärten/Kiesgärten in zukünftigen Bebauungs­plangebieten Festsetzungen möglich seien und in aktuellen bzw. laufenden Planverfahren auch bereits entspre­chende Festsetzungen vorgenommen werden (s. hierzu Bebauungsplan Nr. 36 Ka-Me „Klimaschutzsiedlung“ und 78 Ka „Wohnen am Fluss“). Das Baugesetzbuch und auch die Landesbauordnung ent­halten verschiedene Regelungen, die es ermöglichen, neue Bebauungspläne mittels textlicher und zeichnerischer Festsetzungen so auszugestalten, dass sie eine „Verschotterung“ verhindern können.

 

In bereits rechtskräftigen Bebauungsplänen fehlen diese Festsetzungen meist. Hier ist es mehr als fraglich, ob der § 8 Abs. 1 der BauO NRW 2018 allein ausreicht, um eine weitere Ausbrei­tung von Schottergärten/Kiesgärten zu verhindern und eventuell sogar den Rückbau von bereits ange­legten Schottergärten/Kiesgärten fordern zu können. 

 

„BauO NRW § 8 Nicht überbaute Flächen der bebauten Grundstücke, Kinderspielplätze

(1) Die nicht mit Gebäuden oder vergleichbaren baulichen Anlagen überbauten Flächen der bebauten Grundstücke sind

1. wasseraufnahmefähig zu belassen oder herzustellen und

2. zu begrünen oder zu bepflanzen,

soweit dem nicht die Erfordernisse einer anderen zulässigen Verwendung der Flächen entgegenstehen. Satz 1 findet keine Anwendung, soweit Bebauungspläne oder andere Satzungen Festsetzungen zu den nicht überbauten Flächen treffen.“

Hierzu wird auch in der Kommentierung zur Bauordnung für das Land NRW des Rehm-Verlags aus April 2019 festgestellt, dass der § 8 Absatz (1) BauO NRW allein kein rechtssicheres Mittel für die Baubehörden sei, um gegen „Schottergärten/Kiesgärten“ in Bestandsgebieten vorzugehen.

 

Zwischenzeitlich hat der Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen einen Leitfaden mit dem Titel „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Schottergärten – Bau­rechtliche Instrumente und praktische Beispiele“ veröffentlicht. In diesem vertreten die Auto­ren ebenfalls die Meinung, dass neue Bebauungspläne so ausgestaltet werden können, dass das Anlegen von Schotter- und Kiesgärten verhindert werden kann.

 

Generell empfiehlt der Städte- und Gemeindebund in seinen Handlungsempfehlungen vor dem Einsatz rechtlicher Instrumente die Nutzung von niederschwelligen Angeboten. Beispielsweise die Aufklärung während einer Bauberatung, die Erstellung und Verteilung von Flyern, Broschüren und Merkblättern sowie die Sammlung von Tipps und Ratschlägen zur Gestaltung der Vorgärten aus dem Internet.

 

Auch die Situation in den Bestandsgebieten wird in der Handlungsempfehlung aufgegriffen. Der Städte- und Gemeindebund beschreibt die grundsätzliche Möglichkeit, dass mittels einer Ordnungsverfügung, die sich auf § 8 Abs. 1 BauO NRW stützt, die Kommune auch einen Rückbau einer versiegelten Fläche fordern könnte. Dabei wird davon ausgegangen, dass die errichteten Schottergärten/Kiesgärten, schon nach der alten Bauordnung materiell rechtswidrig sind und daher eine Forderung auf Rückbau und Begrünung bestehen könnte. Nach Aussage des Städte- und Gemeindebundes gilt es hier aber zu berücksichtigen, dass es aufgrund fehlender Rechtsprechung eine Rechtsunsicherheit bei der Anwendung gibt.

 

In der Handlungsempfehlung wird auf ein Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgericht (1 KO 347/14) hingewiesen. Als Rechtsgrundlage bezog sich das Gericht in diesem Fall auf den § 9 Abs. 1 ThürBO (in einer älteren Fassung). Da diese Norm identisch mit § 8 Abs. 1  Satz 1 Nr. 2 BauO NRW sei, gehen die Autoren des Leitfadens von einer Übertragbarkeit aus. Es sei an dieser Stelle aber darauf hingewiesen, dass es sich in diesem konkreten Fall um einen, aus bauplanungsrechtlichen Gründen als unzulässig geltenden befestigten Stellplatz handelt, der zurückgebaut und die Fläche begrünt werden sollte und nicht um eine geschotterte Grundstücksfläche.

 

Zu berücksichtigen ist auch, dass Schottergärten/Kiesgärten nicht in allen Fällen zwingend als versiegelte Fläche anzusehen sind, da sie auch wasseraufnahmefähig bzw. versickerungsaktiv gestaltet sein können. Durch Kies- und Schotterschichten kann Wasser grundsätzlich in den Boden eindringen. Zu vermuten ist, dass dies in den meisten Fällen auch so zu sein scheint.

 

Ein Grundsatzurteil mit Bezug auf Schottergärten/Kiesgärten hat das Oberverwaltungsgericht in NRW bislang nicht gefällt. So lange bleibt der oben beschriebene Ansatz nur eine juristi­sche Theorie mit ungewissen Erfolgschancen. Die Rechtsunsicherheit wird so lange weiter bestehen, bis in einem solchen Verfahren ein Urteil Rechtskraft erlangt.

 

Insofern deckt sich inhaltlich das Ergebnis des Leitfadens mit der Einschätzung der aktuellen Kommentierungen zum § 8 BauO NRW und der Vorlage der Verwaltung vom 31.10.2019.