Betreff
Straßenreinigung
Überprüfung des Allgemeininteresses
Vorlage
054/2015
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Anteil des allgemeinen öffentlichen Interesses wird auf 14,27 % festgestellt. Die Verwaltung wird beauftragt, dieses bei der Gebührenkalkulation zu berücksichtigen.

 


Sachverhalt und Begründung (einschl. finanzielle Möglichkeit der Verwirklichung):

 

1.      Sachverhalt

 

Nach der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Fassung des § 3 Abs. 1 Satz 2 StrReinG NRW legte das Gesetz den zu berücksichtigenden Anteil des allgemeinen öffentlichen Interesses zur Sicherung einer gleichmäßigen Untergrenze generell auf mindestens 25 % der Gesamtkosten fest. Die Gemeinden durften höchstens 75 % ihrer Reinigungskosten über Gebühren decken. Dabei war nach der Ansicht des Gesetzgebers das allgemeine öffentliche Interesse an der Reinigung einer Durchgangs- oder Hauptverkehrsstraße erheblich höher zu bewerten, als das bezüglich einer reinen Anliegerstraße.

 

§ 3 Abs. 1 Satz 2 StrReinG NRW ist durch das Gesetz zur Stärkung der Leistungsfähigkeit der Kreise, Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen abgelöst worden. Hierdurch sollte den Gemeinden die Möglichkeit gegeben werden, von der Begrenzung des Gebührenaufkommens auf höchstens 75 % der Gesamtkosten der Straßenreinigung im Gemeindegebiet abzuweichen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es auch weiterhin zwingend erforderlich ist, den auf die Interessen der Allgemeinheit entfallenden Kostenanteil zu ermitteln und von den Gesamtkosten der Straßenreinigung abzusetzen. Andernfalls verstößt die Gemeinde gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (s. BVerwG vom 22.05.1984 – 8 C 55/82; 8 C 58/82 – und 07.04.1989 – 8 C 90/87).

 

Die Stadt Kamen hat bei ihren Gebührenkalkulationen in den vergangenen Jahren den Anteil des Allgemeininteresses sukzessiv von 15 % (in 2001) auf 5 % (ab 2011 im Rahmen des HSK) reduziert.

 

Im März dieses Jahres hat der Rat der Verwaltung einen Prüfauftrag erteilt.

 

Die Festlegung der Höhe des auf das Allgemeininteresse entfallenden Kostenanteils liegt im Ermessen des Ortsrechtgebers. Insoweit steht der Stadt Kamen eine weitgehende Einschätzungsfreiheit zu. Bei der Entscheidung hat sich die Stadt Kamen an den örtlichen Verhältnissen zu orientieren und insbesondere das Verhältnis zwischen den Straßen mit ihren jeweils unterschiedlichen Anlieger- bzw. Allgemeininteressen zu berücksichtigen. Dabei hat sie, ohne den Gleichheitssatz zu verletzen, die Wahl: Sie kann den von der gemeindlichen Straßenreinigungseinrichtung im Allgemeininteresse aufgewendeten Kostenanteil bei der Ermittlung der durch Gebühren zu deckenden Kosten entweder insgesamt (vorweg) absetzen oder in der Satzung unterschiedliche, je nach Verkehrsbedeutung (z.B. Anliegerstraßen, innerörtliche Straßen, überörtliche Straßen) abgestufte Gebührensätze vorsehen und differenziert den Kostenanteil für das Allgemeininteresse absetzen.

 

Das OVG Münster hat in einer jüngeren Entscheidung (v. 01.06.2007 – 9 A 956/03) ausgeführt:

 

„Bei der Ermittlung des Kostenanteils für das Allgemeininteresse kann sich der Satzungsgeber an den in § 3 Abs. 2 StrReinG NRW genannten drei Straßentypen, den Straßen für den Anliegerverkehr sowie den für den innerörtlichen und überörtlichen Verkehr, orientieren. Er kann aber auch im Rahmen seines weiten Organisationsermessens entsprechend den örtlichen Verhältnissen und etwaigen satzungsrechtlichen Besonderheiten weiter differenzieren. So kann er zusätzliche Untergruppen oder z.B. für Geschäftsstraßen oder Fußgängerzonen eigenständige Straßengruppen bilden, die den örtlichen Besonderheiten Rechnung tragen. Die Höhe des auf die einzelnen Straßengruppen entfallenden öffentlichen Interesses ist unter Berücksichtigung der jeweiligen Spannbreite innerhalb der einzelnen Gruppen und der Nutzungsintensität durch Nichtanlieger zu ermitteln. Grundsätzlich ist dabei zu beachten, dass das Allgemeininteresse um so höher zu bewerten sein wird, je intensiver die Straße durch Nichtanlieger in Anspruch genommen wird. Dabei dürfte das Allgemeininteresse bei den Anliegerstraßen, die nach gemeindlicher Praxis in der Regel - wie auch hier - im Wesentlichen die Straßen aller Wohngebiete der Gemeinde erfassen, als eher gering anzusehen sein. Bei den Straßen mit innerörtlichem Verkehr liegt die Nutzung durch Nichtanlieger im Schnitt bereits deutlich höher; demgemäß ist das darauf entfallende Interesse als beträchtlich einzustufen. Bei Straßen für den überörtlichen Verkehr ist das Allgemeininteresse demgegenüber erheblich, weil diese am intensivsten durch Nichtanlieger in Anspruch genommen werden. Ist das Allgemeininteresse für jede Straßengruppe festgelegt, sind die Straßengruppen hinsichtlich des Umfangs der jeweiligen Reinigungsflächen ins Verhältnis zu setzen; danach ist der prozentuale Kostenanteil des Allgemeininteresses an den Gesamtkosten der Straßenreinigung zu berechnen.“

 

2.      Analyse der Straßenflächen

 

Bestandteil der Straßenreinigungssatzung ist ein Straßenverzeichnis. Mit diesem Verzeichnis werden die Straßen definiert, deren Fahrbahnen von den Anliegern (= Teil A) und deren Fahrbahnen von der Stadt (= Teil B) zu reinigen sind. Soweit die Stadt Kamen Baulastträger ist, sind die Straßenflächen im Straßenkataster hinterlegt.

 

Beide Straßenverzeichnisse wurden mit folgendem Ergebnis zusammengeführt (nicht aufgeführt = Außenbereich, keine Reinigungsverpflichtung):

 

Straßenart

Teil A

Teil B

nicht

aufgeführt

Summe

Anliegerstraßen

301.798

294.795

53.397

649.990

Fußgängerzonen

24.544

14.433

 

38.977

innerörtliche Straßen

 

369.252

19.044

388.296

überörtliche Straßen

 

20.200

1.785

21.985

Fläche m²

326.342

698.680

74.226

1.099.248

 

 

Anrechenbar sind nur die Flächen, die von der Stadt Kamen zu reinigen sind (Teil B), da die Kosten der Straßenreinigung sich nur auf diese Straßen beziehen.

 

Nicht enthalten sind die überörtlichen Straßen anderer Straßenbaulastträger, also die Kreis-, Landes- und Bundesstraßen.

 

Diese Flächen wurden im Rahmen der Veranlagung zu Niederschlagsabwassergebühren analysiert:

 

andere Baulastträger

Fläche m²

Kreisstraßen

79.000

Landesstraßen

142.800

Bundesstraßen

71.652

Summe andere

293.452

 

Die Flächen der Kreis- Landes- und Bundesstraßen sind jedoch nur zu 75 % (= 220.089 m²) anrechenbar, da sich ein Teil dieser Flächen außerhalb der bebauten Bereiche befinden und daher nach § 1 Straßenreinigungsgesetz NRW hier keine Verpflichtung zur Reinigung besteht.

 

Es ergeben sich folgende zu berücksichtigende Straßenflächen:

 

städt. Straßen

andere Baulastträger

Summe

Anliegerstraßen

294.795

 

294.795

Fußgängerzonen

14.433

 

14.433

innerörtliche Straßen

369.252

 

369.252

überörtliche Straßen

20.200

220.089

240.289

Summe

698.680

220.089

918.769

 

 

 

3.      Öffentliches Interesse

 

Wie bereits erwähnt, ist das Allgemeininteresse um so höher zu bewerten, je intensiver die Straße durch Nichtanlieger in Anspruch genommen wird. Die Anteile (Prozentsätze) auf der Basis der abrechenbaren Straßenbaubeiträge zu ermitteln, ist nicht angezeigt, da das Interesse an intakten Straßen von Nichtanliegern erheblich größer ist, als das Interesse an einer sauberen Straße. Das Interesse der Anlieger an einem „sauberen Entree“ ist jedoch nicht außer acht zu lassen.

 

Anliegerstraßen werden i. d. Regel von den Anliegern genutzt. Das Interesse der Anlieger an einem sauberen Umfeld ist sehr groß. Der Anteil des Allgemeininteresses wird hier mit 1 % angesetzt.

 

Fußgängerzonen werden naturgemäß von vielen Nichtanliegern genutzt. Das Interesse der Geschäftsinhaber an einem sauberen Umfeld ist jedoch extrem groß. Auch sind in den anliegenden Gebäuden sehr viele Wohnungen, so dass die Fußgängerzone auch als Anliegerstraße zu sehen ist. Der Anteil des Allgemeininteresses wird hier mit 5 % angesetzt.

 

Innerörtliche Straßen werden von mehr Nichtanliegern genutzt, als bei den Anliegerstraßen. Es handelt sich aber auch um Haupterschließungsanlagen, die die Anliegerbereiche erschließen. Das Interesse der Anlieger an einem sauberen Umfeld ist daher groß. Der Anteil des Allgemeininteresses wird hier mit 15 % angesetzt.

 

Überörtliche Straßen werden naturgemäß von vielen Nichtanliegern genutzt. Das Interesse der Anlieger an einem sauberen Umfeld ist ebenso groß, wie bei den anderen Straßen. Der Anteil des Allgemeininteresses wird hier mit 30 % angesetzt.

 

Unter Berücksichtigung der o. g. Anteile, ergibt sich ein Anteil des öffentlichen Interesses von 14,27 %.

 

alle Straßen

Summe Fläche

öffentl. Interesse
in %                

Öffentl. Interesse

Anliegerstraßen

294.795

1,00%

2.948

 

Fußgängerzonen

14.433

5,00%

722

 

Innerörtliche Straßen

369.252

15,00%

55.388

 

Überörtliche Straßen

240.289

30,00%

72.087

 

Summe

918.769

 

131.144

14,27%

 

 

 

4.      Finanzielle Auswirkungen

 

Der Anteil des Allgemeininteresses wird prozentual von den gesamten Kosten abgesetzt. Die Kosten liegen i. d. R. zwischen 500.000 € und 700.000 €. Bei der Wertermittlung für das HSK ist man von Kosten in Höhe von rd. 540.000 € ausgegangen, so dass bei der Reduzierung von 10% auf 5% eine Einsparung von 27.000 € ermittelt wurde. Wird der Anteil des Allgemeininteresses erhöht, ist das Einsparpotential nicht mehr gegeben und der Haushalt wird zusätzlich belastet. Die HSK-Maßnahme ist damit hinfällig.

 

Bei einem Gesamtaufwand von rd. 600.000 € und einem öffentlichen Anteil von 5% beträgt dieser 30.000 € und bei 14,27 % 85.620 €, so dass der Haushalt durchschnittlich mit jährlich 55.620 € mehr belastet wird.