Betreff
Faire Kulturhauptstadt 2010 "Magna Charta"
Vorlage
070/2010
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Rat der Stadt Kamen beschließt, auch zukünftig keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit zu beschaffen.


Sachverhalt und Begründung (einschl. finanzielle Möglichkeit der Verwirklichung):

 

Nach Angaben der Vereinten Nationen gibt es weltweit 100 bis 250 Millionen Kinderarbeiter unter 15 Jahren. Sie pflücken Baumwolle und Kaffee, knüpfen Teppiche,

fertigen Fußbälle, schuften in Steinbrüchen, stellen Schmuck her oder drehen Zigaretten.

 

Beispielhaft seien hier die Bedingungen in Indien genannt: Die indische Regierung spricht von 12,5 Millionen Kinderarbeitern. Nichtregierungsorganisationen schätzen dagegen, dass bis zu 100 Millionen Kinder in der Altersstufe der fünf bis 14-Jährigen nicht die Schule besuchen können, weil sie arbeiten müssen. Der größte Teil dieser Kinder arbeitet, obwohl die Arbeit von Kindern in der indischen Wirtschaft illegal ist, denn die gesetzlichen Bestimmungen sind eindeutig. Dies betrifft sowohl die Arbeit an sich, als auch die oftmals damit verbundene Schuldknechtschaft. Die indische Verfassung von 1950 verbietet Menschenhandel und Zwangsarbeit, erlaubt keine Arbeit von Kindern unter 14 Jahren in Minen, Fabriken oder weiteren gefährlichen Beschäftigungen und fordert, dass Kinder in einem gesunden Umfeld in Freiheit und Würde leben können. Um dieses zu verwirklichen, sieht die Verfassung eine unentgeltliche und obligatorische Schulbildung für alle Kinder unter 14 Jahren vor. Die Verfassungsbestimmungen werden jedoch in weiten Teilen des Landes nicht eingehalten und Verstöße dagegen nicht ausreichend sanktioniert. Besonders hart trifft es die Kinder, die als Leibeigene in Marmor-, Sand- und Granitsteinbrüchen Indiens Felsblöcke ohne jede Schutzkleidung und unter menschenunwürdigen Bedingungen brechen müssen. Verlässliche Zahlen darüber, wie viele Kinder von diesem Schicksal betroffen sind, gibt es nicht.

 

Eine Richtlinie der Europäischen Union zum öffentlichen Beschaffungswesen bestätigt, dass nun auch vergabefremde Kriterien bei öffentlichen Aufträgen berücksichtigt werden sollen. Wörtlich heißt es im Artikel 26 der Richtlinie 2004118/EG: ,,Die öffentlichen Auftraggeber können zusätzliche Bedingungen für die Ausführung des Auftrags vorschreiben, sofern diese mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind und in der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen angegeben werden. Die Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags können insbesondere soziale und umweltbezogene Aspekte betreffen.''

 

Am 13. Februar 2009 hat der Bundesrat dem Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts in der vom Bundestag (Drucksache N r. 16/10117a) am 19. Dezember 2008 verabschiedeten Fassung zugestimmt. Im § 97 (4) GWB (Gesetz gegen Wettbewebsbeschränkungen) heißt es nun: ,,Aufträge werden an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen vergeben. Für die Auftragsausführung können zusätzliche Anforderungen an Auftragnehmer gestellt werden, die insbesondere soziale, umweltbezogene oder innovative Aspekte betreffen, wenn sie im sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben. Andere oder weitergehende Anforderungen dürfen an Auftragnehmer nur gestellt werden, wenn dies durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen ist."

 

Kampagne ,,Faire Kulturhauptstadt 2010'

Um die Kinder in aller Welt vor ausbeuterischer Kinderarbeit zu schützen, hat sich eine Initiative von Akteuren der kommunalen Entwicklungszusammenarbeit in NRW zum Aktionsbündnis ,,Faire Kulturhauptstadt 2010" zusammengeschlossen. Vertreten sind Agenda-Büros, Weltläden und Träger der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit. Die Geschäftsführung liegt bei ,,Exile Kulturkoordination" mit Sitz in Essen. Ihr Ziel ist es, dass sich möglichst viele der 53 Städte und Gemeinden der Kulturhauptstadt 2010 verpflichten, ihre Vergabepraxis so zu ändern, dass künftig keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit gekauft werden.

 

Mittlerweile haben 40 der 53 Städte und Gemeinden der Kulturhauptstadt 2010 die Magna Charta Ruhr.2010 unterzeichnet.

 

Mitte Oktober richtet die Stadt Kamen u. a. die „Local Heroes“ Wochen aus. Bei "Local Heroes" ist jede Stadt der Metropole Ruhr jeweils eine Woche lang Mittelpunkt der Kulturhauptstadt Europas. In diesem Zusammenhang findet die Teilnahme der Stadt Kamen auch zur „Fairen Kulturhauptstadt“ und der Unterzeichnung der Magna Charta Ruhr.2010 einen würdigen Rahmen.

 

Mit dem Beschluss, keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit zu kaufen, prangert die Stadt Kamen die Ausbeutung von Kindern an und stellt sicher, dass sie selbst auch künftig keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit beschaffen wird.

 

Durch den Verzicht auf Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit setzt die Stadt Kamen die Bestimmungen der ILO-Konvention 182 (International Labour Organisation – Internationaler Arbeiter Organisation) in die Tat um und kommt damit den Millenniums Development Goals (MDG, Millenniums Entwicklungszielen) der UN ein Stück näher. Dort heißt es zum Beispiel im Ziel 4, dass bis zum Jahr 2015 weltweit alle Mädchen und Jungen eine Primarschulausbildung vollständig abschließen können.

 

Zur Teilnahme an der Kampagne zur ,,Fairen Kulturhauptstadt 2010" ist ein formaler Ratsbeschluss über den Ausschluss von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit erforderlich.

 

Die Zuständigkeit des Rates ergibt sich aus § 41 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) in der derzeit gültigen Fassung.

 

 

Anlage – Magna Charta Ruhr 2010 - Kamen