Beschlussvorschlag:
Der Rat der Stadt Kamen beschließt, auch zukünftig keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit zu beschaffen.
Sachverhalt und Begründung (einschl. finanzielle Möglichkeit der Verwirklichung):
Nach Angaben der
Vereinten Nationen gibt es weltweit 100
bis 250 Millionen Kinderarbeiter unter 15 Jahren. Sie pflücken Baumwolle
und Kaffee, knüpfen Teppiche,
fertigen Fußbälle,
schuften in Steinbrüchen, stellen Schmuck her oder drehen Zigaretten.
Beispielhaft seien
hier die Bedingungen in Indien
genannt: Die indische Regierung spricht von 12,5 Millionen Kinderarbeitern.
Nichtregierungsorganisationen schätzen dagegen, dass bis zu 100 Millionen Kinder
in der Altersstufe der fünf bis 14-Jährigen nicht die Schule besuchen können,
weil sie arbeiten müssen. Der größte Teil dieser Kinder arbeitet, obwohl die Arbeit
von Kindern in der indischen Wirtschaft illegal ist, denn die gesetzlichen Bestimmungen
sind eindeutig. Dies betrifft sowohl die Arbeit an sich, als auch die oftmals damit
verbundene Schuldknechtschaft. Die indische Verfassung von 1950 verbietet Menschenhandel
und Zwangsarbeit, erlaubt keine Arbeit von Kindern unter 14 Jahren in Minen,
Fabriken oder weiteren gefährlichen Beschäftigungen und fordert, dass Kinder in
einem gesunden Umfeld in Freiheit und Würde leben können. Um dieses zu
verwirklichen, sieht die Verfassung eine unentgeltliche und obligatorische
Schulbildung für alle Kinder unter 14 Jahren vor. Die Verfassungsbestimmungen
werden jedoch in weiten Teilen des Landes nicht eingehalten und Verstöße
dagegen nicht ausreichend sanktioniert. Besonders hart trifft es die Kinder,
die als Leibeigene in Marmor-, Sand- und Granitsteinbrüchen Indiens Felsblöcke
ohne jede Schutzkleidung und unter menschenunwürdigen Bedingungen brechen
müssen. Verlässliche Zahlen darüber, wie viele Kinder von diesem Schicksal
betroffen sind, gibt es nicht.
Eine Richtlinie der Europäischen Union zum
öffentlichen Beschaffungswesen bestätigt, dass nun auch vergabefremde
Kriterien bei öffentlichen Aufträgen berücksichtigt werden sollen. Wörtlich
heißt es im Artikel 26 der Richtlinie 2004118/EG: ,,Die öffentlichen Auftraggeber können zusätzliche Bedingungen für die
Ausführung des Auftrags vorschreiben, sofern diese mit dem Gemeinschaftsrecht
vereinbar sind und in der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen
angegeben werden. Die Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags können
insbesondere soziale und umweltbezogene Aspekte betreffen.''
Am 13. Februar 2009
hat der Bundesrat dem Gesetz zur
Modernisierung des Vergaberechts in der vom Bundestag (Drucksache N r. 16/10117a) am 19. Dezember 2008
verabschiedeten Fassung zugestimmt. Im § 97 (4) GWB (Gesetz gegen
Wettbewebsbeschränkungen) heißt es nun: ,,Aufträge
werden an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen vergeben.
Für die Auftragsausführung können zusätzliche Anforderungen an Auftragnehmer
gestellt werden, die insbesondere soziale, umweltbezogene oder innovative
Aspekte betreffen, wenn sie im sachlichen Zusammenhang mit dem
Auftragsgegenstand stehen und sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben.
Andere oder weitergehende Anforderungen dürfen an Auftragnehmer nur gestellt
werden, wenn dies durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen ist."
Kampagne ,,Faire Kulturhauptstadt 2010'
Um die Kinder in
aller Welt vor ausbeuterischer Kinderarbeit zu schützen, hat sich eine Initiative
von Akteuren der kommunalen Entwicklungszusammenarbeit in NRW zum Aktionsbündnis
,,Faire Kulturhauptstadt 2010" zusammengeschlossen. Vertreten sind Agenda-Büros,
Weltläden und Träger der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit. Die Geschäftsführung
liegt bei ,,Exile Kulturkoordination" mit Sitz in Essen. Ihr Ziel ist es,
dass sich möglichst viele der 53 Städte und Gemeinden der Kulturhauptstadt 2010
verpflichten, ihre Vergabepraxis so zu ändern, dass künftig keine Produkte aus
ausbeuterischer Kinderarbeit gekauft werden.
Mittlerweile haben
40 der 53 Städte und Gemeinden der Kulturhauptstadt 2010 die Magna Charta Ruhr.2010
unterzeichnet.
Mitte Oktober
richtet die Stadt Kamen u. a. die „Local Heroes“ Wochen aus. Bei
"Local Heroes" ist jede Stadt der Metropole Ruhr jeweils eine Woche
lang Mittelpunkt der Kulturhauptstadt Europas. In diesem Zusammenhang findet
die Teilnahme der Stadt Kamen auch zur „Fairen
Kulturhauptstadt“ und der Unterzeichnung der Magna Charta Ruhr.2010 einen
würdigen Rahmen.
Mit dem Beschluss,
keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit zu kaufen, prangert die Stadt
Kamen die Ausbeutung von Kindern an und stellt sicher, dass sie selbst auch künftig
keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit beschaffen wird.
Durch den Verzicht
auf Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit setzt die Stadt Kamen die
Bestimmungen der ILO-Konvention 182 (International Labour Organisation – Internationaler
Arbeiter Organisation) in die Tat um und kommt damit den Millenniums Development
Goals (MDG, Millenniums Entwicklungszielen) der UN ein Stück näher. Dort heißt es
zum Beispiel im Ziel 4, dass bis zum Jahr 2015 weltweit alle Mädchen und Jungen
eine Primarschulausbildung vollständig abschließen können.
Zur Teilnahme an
der Kampagne zur ,,Fairen Kulturhauptstadt 2010" ist ein formaler Ratsbeschluss
über den Ausschluss von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit erforderlich.
Die Zuständigkeit
des Rates ergibt sich aus § 41 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen
(GO NRW) in der derzeit gültigen Fassung.
Anlage – Magna Charta Ruhr 2010 - Kamen