Betreff
Refinanzierungsvereinbarung zwischen dem Kreis Unna und den kreisangehörigen Kommunen
Vorlage
086/2006
Art
Mitteilungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Die Verwaltung wird beauftragt, mit dem Kreis Unna die vorgelegte Refinanzierungsvereinba­rung abzuschließen.


Ausgangslage

 

Der Kreis Unna ist gemäß § 3 Absatz 1 des Gesetzes über den öffentlichen Personennah­verkehr in Nordrhein-Westfalen (ÖPNVG NRW) in seinem Gebiet als Aufgabenträger zuständig für die Planung, Organisation und Ausgestaltung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV).

Der ÖPNV ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge; allgemeiner Grundsatz der Sicherstellung dieser Aufgabe ist dabei insbesondere, eine angemessene Bedienung der Bevölkerung durch den ÖPNV zu gewährleisten (vgl. § 2 Absatz 3 Satz 1 ÖPNVG NRW). Der Kreis Unna erfüllt diese Aufgabe im Wesentlichen über die Verkehrsgesellschaft Kreis Unna mbH (VKU), an der er neben 8 kreisangehörigen Kommunen und der Westfälischen Verkehrsgesellschaft mbH beteiligt ist.

 

Bisher erfolgte die Finanzierung der VKU auf der Grundlage folgender Vereinbarungen:

 

1.   Vereinbarung zwischen dem Kreis Unna und den Städten Bergkamen, Kamen, Lünen, Unna, Werne sowie den Gemeinden Bönen und Holzwickede vom 03.12.1993 über die Abdeckung des Jahresfehlbetrages und die kostendeckende Abrechnung des Schüler­linienverkehrs

2.   Vereinbarung zwischen dem Kreis Unna, den Städten Lünen, Werne und Selm und der VKU über die Finanzierung des bisher von der Regionalverkehr Münsterland GmbH (RVM) im Kreis Unna durchgeführten Linienverkehrs vom 16.09.1999

3.   Verträge über die Durchführung eines Ortslinienverkehrs zwischen der Stadt Werne/ Selm und der VKU

4.   Vereinbarung zwischen dem Kreis Unna und der Stadt Schwerte über die Mitfinanzie­rung des ab dem 10.01.2005 von der VKU in Schwerte durchgeführten Linienverkehrs durch die Stadt Schwerte

 

Auf europäischer Ebene regelt derzeit die Verordnung (EWG) 1191/69 des Rates vom 26. Juni 1969 über das Vorgehen der Mitgliedstaaten bei mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes verbundenen Verpflichtungen auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffs­verkehrs die Durchführung des öffentlichen Nahverkehrs.

 

In Deutschland geht es vor allem um die Frage, inwieweit die Finanzierung des ÖPNV über öffentliche Mittel, die direkt und ohne Rechtsanspruch an bestimmte Unternehmen gezahlt werden, gegen die EU-VO 1191/69 verstößt. Ausgelöst durch einen Streit um Linienkonzes­sionen in der Altmark erging am 24.07.2003 das sog. Altmark-Urteil (Rs. C-280/00) des Euro­päischen Gerichtshofs (EuGH). Demnach ist die ÖPNV-Finanzierung umzustrukturieren mit dem Ziel, diese wettbewerbsneutral, transparent und effizient zu gestalten.

 

Nach den Feststellungen des Urteils sind Zahlungen an öffentliche Verkehrsunternehmen keine Beihilfen, wenn kummulativ vier Kriterien erfüllt sind:

 

  1. Begünstigtes Unternehmen muss mit der Erfüllung klar definierter gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen betraut sein und der Zuschuss dient nur dem Ausgleich dieser Verpflich­tungen.

  2. Die Parameter anhand derer der Ausgleich berechnet wird, sind zuvor objektiv und transparent aufzustellen.

  3. Verbot der Überkompensation, d.h. die Ausgleichszahlungen dürfen nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um die Kosten der gemeinwirtschaftlichen Verpflich­tungen ganz oder teilweise zu decken. Erzielte Einnahmen und ein angemessener Gewinn zur Abdeckung des unternehmerischen Wagnisses sind dabei zu berück­sichtigen.

  4. Kostenmaßstab ist ein durchschnittliches Unternehmen, d.h. die Höhe des erforderlichen Ausgleichs ist auf Grundlage einer Analyse der Kosten zu bestimmen, die ein durch­schnittliches, gut geführtes und angemessen mit Transportmitteln ausgestattetes Unter­nehmen geltend machen könnte (Begrenzung der Kostenübernahme).

 

Vor diesem neuen rechtlichen Hintergrund war die bisherige Finanzierung der VKU zu überprüfen. Eine von der VKU in Auftrag gegebene Prüfung der Beihilferechtsrelevanz der Zuschüsse durch den Gutachter BbA - Dr. Bruns & Fetzer Unternehmensberatung GmbH hat folgendes ergeben:

 

Die VKU erfüllt die o.g. vier Kriterien unter der Voraussetzung eines strengen Restrukturierungs­konzeptes. Das Restrukturierungskonzept wurde vom Aufsichtsrat der VKU beschlossen und basiert auf der Unternehmensvereinbarung in der u.a. ein neuer Tarif (Spartentarif) und im Gegenzug der Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen vereinbart worden sind.

 

Weiterhin ist es zur Sicherstellung einer beihilferechtlich unbedenklichen ÖPNV-Finanzierung notwendig, die vorhandenen Finanzierungsstrukturen auf eine neue Grundlage zu stellen, die den formalen Anforderungen des EuGH-Urteils entspricht.

Dies soll mit dem Abschluss einer sog. Betrauungsregelung zwischen dem Kreis Unna und der VKU erfolgen. Der Kreis hat außerdem im Innenverhältnis mit den beteiligten Kommunen die Verteilung der Finanzlasten neu zu regeln; hierzu ist der Abschluss einer Refinanzierungsverein­barung vorgesehen.

 

 

Betrauungsregelung

 

Die Betrauungsregelung ist ein formales Regelungswerk, welches nach außen dokumentiert, dass die Finanzierung der VKU durch den Kreis Unna beihilfe- und vergaberechtskonform durchgeführt wird. Im Innenverhältnis zwischen VKU, Kommunen und Kreis sollen materiell keine Änderungen gegenüber der bisherigen Finanzierung vorgenommen werden.

 

Inhaltlich ist von Bedeutung, dass der Kreis Unna die VKU mit der Erfüllung gemeinwirtschaft­licher Verpflichtungen im ÖPNV betraut, wobei die von der VKU zu erbringenden Leistungen und die dazu notwendige Finanzierung durch den Kreis als Aufgabenträger vorab definiert werden.

 

In die Betrauungsregelung werden die Finanzierungsbeiträge aller Nahverkehrsplan-relevanten Verkehre der VKU aufgenommen und damit diese Finanzierungsströme gebündelt. Hierunter fallen:

 

  • Verlustübernahme (Defizitausgleich)
  • Verlustausgleich nach Methode § 45 a (Schülerlinienverkehr)
  • Kostendeckung Regionalverkehre (Lünen, Selm und Werne)
  • Kostendeckung Ortsverkehre (Selm und Werne)
  • Kostendeckung Neuverkehre (Schwerte)

 

Konkret wird vorab ein “Ausgleichssatz pro km” definiert. Ändern sich die zuvor festgelegten Parameter gravierend, wie z.B. die Treibstoffkosten oder die Landeszuschüsse für den ÖPNV, ist eine entsprechende Regelung enthalten, wonach sich die Beteiligten ggf. über eine Anpas­sung der Finanzierungsbeiträge verständigen werden.

 

Hiervon ausgenommen ist das sogenannte “Einnahmerisiko” der VKU. Wenn die vorher definierten Fahrgeldeinnahmen der VKU unter einem Garantiebetrag liegen, trägt die VKU das diesbezügliche Risiko und muss diese Defizite selbst kompensieren. Dem gegenüber muss die VKU etwaige Gewinne über dem definierten Garantiebetrag verrechnen bzw. weiterleiten .

 

Vor diesem Hintergrund gibt es im Ausgleichsbetrag einen Risikoaufschlag, welcher aber nicht zu Gewinnen bei der VKU führt, da durch die letztendliche Spitzabrechnung gesichert ist, dass die VKU nur ihre tatsächlichen Kosten finanziert bekommt.

 

 

Refinanzierungsvereinbarung

 

Die Refinanzierungsvereinbarung regelt im Innenverhältnis die Finanzverteilung zwischen dem Kreis und den beteiligten Kommunen.

 

Die zukünftigen Defizit- bzw. Kostenberechnungen im Rahmen der Refinanzierungsverein­barung werden nach den o.g. bisherigen Vereinbarungen durchgeführt. Materiell bleibt also die bisher praktizierte Finanzverteilung zwischen dem Kreis und den Partnern unverändert.

 

Entsprechend der Regelungen der Hauptsatzung schließt die Verwaltung die Refinanzierungs­vereinbarung mit dem Kreis Unna ab.


Anlagen:

 

Refinanzierungsvereinbarung

Betrauungsregelung