Sitzung: 25.04.2013 Familien- und Sozialausschuss
Herr Ringelsiep wies einleitend darauf hin,
dass das Arbeitsmarktprogramm des Jobcenters offiziell erst Anfang Mai
vorgestellt würde. Wie des Öfteren in den letzten Jahren müsse er die Lage
bezogen auf Kamen als schwierig bezeichnen. Die Arbeitslosigkeit sei um 4,6 %
angestiegen. Das Jobcenter hatte im März 1806 Kunden aus Kamen zu betreuen.
Diese hohe Zahl sei auch der schlechten Witterungslage im I. Quartal 2013
geschuldet, da diese ein großes Vermittlungshemmnis darstelle. Zudem sei nach
seiner Einschätzung auf dem Arbeitsmarkt eine leichte Eintrübung zu
verzeichen. Auch private Arbeitsvermittler hatten unter den Vermittlungshemmnissen
zu leiden. Seit April habe sich die Lage jedoch gebessert und die Vermittlungszahlen
seien erstmals im Jahre 2013 zufriedenstellend.
In Bezug auf die
Kostensituation teilte Herr Ringelsiep mit,
dass das Jobcenter im Dezember 2012 811.000 € für Kamener Kunden an
Unterkunftskosten, die ja bekanntlich den kommunalen Kostenanteil darstellen
würden, aufgebracht habe. Dieser Betrag würde jedoch in den Monaten Januar und
Februar deutlich ansteigen, da durch den strengen Winter die Nebenkostenabrechnungen
Mehrausgaben verursachen würden.
Das
Arbeitsmarktprogramm sei wie immer gekennzeichnet durch die Erwartungen der
Träger. Die des Bundes seien durch Vorgaben für die Vermittlungstätigkeit
gekennzeichnet; großes Augenmerk solle auf die Vermittlung von
langzeitbetreuten Kunden gerichtet werden. Der Kreis erwarte vom Jobcenter
geringe Ausgabensteigerungen sowie verstärktes Ausschöpfen der SGB II-bezogenen
Mittel für das Bildungs- und Teilhabepaket.
Für das Jobcenter
selbst sei die Behebung des Fachkräftemangels in den Fokus der Betrachtung
gezogen worden. Anhand der Kundenstruktur lasse sich zweifelsfrei feststellen,
dass Fachkräfte sehr schnell aus einem Leistungsbezug ausscheiden würden.
Eines der
Haupthandlungsfelder sehe er weiterhin in der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit,
die sich 2011 auf einem historischen Tiefststand bewegte. Es müsse von
vornherein verhindert werden, dass die jungen Menschen in eine Abwärtsspirale
gelangen würden.
Herr Ringelsiep wies darauf hin, dass das
Handlungsfeld „Erschließen von Marktchancen“ für ALG-II-Bezieher häufig in
Zusammenarbeit mit Zeitarbeitsfirmen gelinge. In diesem Zusammenhang sprach er
die laut gewordene Kritik an einem großen Logistikunternehmen in Werne an.
Gerade Hilfskräften würde hier eine Chance für einen Wiedereinstieg geboten.
Die Zusammenarbeit zwischen dieser Firma und dem Jobcenter sei gut und
wichtig, und er halte die Kritik für überzogen. Er prognostiziere, dass am Ende des Jahres die durchschnittliche
Kundenzahl des Jobcenters höher liegen werde als im Jahr 2012. Auch und gerade
deshalb sei er dankbar für jede Vermittlungsmöglichkeit.
Im Nachgang wandte
sich Herr Ringelsiep den konkreten Maßnahmen für das Jahr 2013
zu. Der Schwerpunkt solle hier auf der Förderung der beruflichen Weiterbildung
liegen. 20% der verfügbaren Mittel für Eingliederungsleistungen werden hier
aufgewendet. Insgesamt ständen ca. 20 Mio € für Eingliederungsmaßnahmen zur
Verfügung; auch diese Mittel seien im Vergleich zum Vorjahr beschnitten worden.
Speziell in die zukunftsträchtigen Bereiche Pflege/Erziehung solle hier
investiert werden.
Erfolgsmöglichkeiten
böten sich auch bei der Förderung des Handwerks. Hier könne man der hiesigen
Strukturschwäche in Bezug auf das Fehlen von großen Industriebetrieben,
speziell Metallbetrieben, entgegenwirken.
Lohnend erscheinen
ihm weiterhin von Arbeitgebern durchgeführte Maßnahmen (wie z.B. Praktika),
die zwar teilweise bezuschusst und in der Gesellschaft mit Vorbehalt betrachtet
würden, aber nach seiner Erfahrung seien die häufig erfolgreich. In diesem
Zusammenhang wies Herr Ringelsiep darauf hin, dass 50% der seitens des
Jobcenters als schlecht qualifiziert eingestuften Kunden sich selbst eine
Stelle in diesem Segment gesucht haben.
Das in der
Vergangenheit eingesetzte Instrument „Arbeitsgelegenheit“ wolle man
zurückfahren.
Die Beschäftigung
in 1-€-Jobs habe nur ganz selten zu einer Arbeitsaufnahme geführt und werde
daher um 40% zurückgefahren. Ein anderer Mitteleinsatz erscheine sinnvoller.
So solle zum
Beispiel ein Sonderprojekt gestartet werden, das vorsieht, die Erstausbildung
von jungen Erwachsenen im Alter von 25 – 35 Jahren zu fördern. Jeder Kamener Kunde
würde hierzu befragt. Vor der Aufnahme in das Projekt würde eine Prüfung
stattfinden, an der unter anderem Psychologen beteiligt wären. Dies geschehe
auch vor dem Hintergrund der hohen Kosten für einen Ausbildungsplatz, die Herr Ringelsiep mit rund 1.000 € pro Monat
bezifferte. Kreisweit sollen 165 Maßnahmen durchgeführt werden, für Kamen
würden 100 Plätze anfallen.
Spezielle
Zielgruppen für Maßnahmen seien Frauen, Jugendliche sowie Migranten. Speziell
bei den Personen mit Migrationshintergrund sei ein Anstieg der
Arbeitslosenquote zu verzeichnen. Problematisch sei weiterhin die Feststellung,
dass der Eintritt in den Leistungsbezug häufig einhergehe mit einer langen
Verweildauer. Vor diesem Hintergrund sollen u.a. 2 neue Vermittler mit
russischen Sprachkenntnissen eingesetzt werden, die Arbeitsplätze bei
Arbeitgebern mit Migrationshintergrund akquirieren sollen.
Nicht zuletzt wolle
man die Kooperation zwischen den beteiligten Akteuren Jobcenter, Agentur sowie
Jugendamt verbessern. Das entsprechende Pilotprojekt in Selm laufe gut und
solle nach Möglichkeit auch in Kamen realisiert werden. Im Jahr 2013 sollen
weitere 24 Vermittler eingesetzt werden. Weiteres Augenmerk solle auf die
Mitarbeiterqualifizierung gelegt werden. Dies erfolge auch vor dem Hintergrund,
dass man zunehmend Kunden mit psychologischen Problemen zu betreuen habe.
Frau Hartig dankte für den Vortrag, der wie
eigentlich immer keine rosigen Perspektiven aufgezeigt habe. Sie empfände die
Umverteilung von Aufgabenschwerpunkten als richtig. Gefehlt hätten ihr in dem
Vortrag spezielle Maßnahmen für Frauen und im Besonderen für Alleinerziehende.
Herr Ringelsiep erwiderte, dass die
Aussichten für dieses Jahr wirklich nicht gut seien. Er wies darauf hin, dass
das im letzten Jahr aufgelegte Bundesprojekt für Alleinerziehende ausgelaufen sei. Das Jobcenter würde es
jedoch in Eigenregie fortführen. Dies erfolge sogar im vergrößerten Umfang.
Kreisweit würden rund 200 Frauen partizipieren.
Spezielle
Frauenprogramme würden nicht aufgelegt. Er wies jedoch darauf hin, dass Frauen
entsprechend ihrem Anteil an der Arbeitslosenquote an Maßnahmen teilhaben
würden. Eine ansteigende Arbeitslosigkeit ziehe daher auch eine stärkere
Partizipation von Frauen nach sich.
Frau Lenkenhoff äußerte Kritik an der hohen
Vermittlungsquote zu dem angesprochenen Werner Unternehmen. Es handle sich
hier um Zeitarbeit, die zudem noch schlecht bezahlt sei, sodass die
betroffenen Personen häufig noch Aufstockungsleistungen durch das Jobcenter in
Anspruch nehmen müssten. Weiterhin äußerte sie Kritik an der Ableistung von
Praktika. Der Arbeitgeber erhalte für 4 – 6 Wochen unentgeltlich eine
Arbeitskraft, die zudem noch weiterhin Zahlungen seitens des Jobcenters in
Anspruch nehmen müsse. Außerdem interessierte sie die Aufgabenstellung der
Psychologen im Zusammenhang mit dem Projekt Erstausbildung für junge
Erwachsene. Ebenfalls merkte sie an, dass sie eigentlich erwartet hätte, dass
Schulungen der Mitarbeiter für ihr sensibles Aufgabenfeld bereits seit 2005
stattfinden würden.
Herr Eisenhardt merkte an, dass er sich eine
andere Vortragsstruktur wie z.B. mittels einer Powerpointpräsentation
gewünscht hätte. Weiterhin würden ihn Statistiken über die Vermittlungsquoten
von Leiharbeitsfirmen in feste Arbeitsverhältnisse interessieren. Zudem könne
er sich nur schwer vorstellen, wie ein Psychologe die Eignung für ein
bestimmtes Berufsbild feststellen könne, von dem der Bewerber keinerlei
Vorstellung habe.
Frau Müller zeigte sich irritiert über die
Aussage des Herrn Ringelsiep, dass im Jahresdurchschnitt die Zahl der Kunden
des Jobcenters im Vergleich zum Vorjahr steigen würde. Sie habe das der Presse
anders entnommen. Weiterhin fragte sie nach, warum angesichts der hohen
Arbeitslosigkeitsquote der Migranten erst jetzt 2 Vermittler mit
Migrationshintergrund beschäftigt würden.
Herr Ringelsiep wies darauf hin, dass das
Arbeitsmarktprogramm des Jobcenters erst Anfang Mai der Öffentlichkeit
vorgestellt würde und er daher nicht schon im Vorgriff Präsentationen zugänglich
machen wollte.
In Bezug auf die
Kritik an der Zeitarbeit äußerte Herr Ringelsiep, dass die seitens der Presse
publizierten krassen Lohndumpingfälle nicht in dieser Region zu verzeichnen
gewesen wären. Weiterhin spiele das Jobcenter beim Eingehen von Zeitarbeitsverhältnissen
keine aktive Rolle. Die Vermittlungen an den großen Logistiker in Werne seien
allesamt ohne das Mitwirken von Zeitarbeitsfirmen erfolgt.
Zur Ableistung von
für Arbeitgeber kostenfreien Praktika teilte er mit, dass weitere Zahlungen als
der persönliche Regelsatz an die Kunden nicht erfolgen würden. Der Gesetzgeber
sehe aber diese Maßnahmen vor und sie seien erfolgreich. Die Kritik von Frau
Lenkenhoff teile er bedingt. Weiter verwies er darauf, dass Arbeitgeber, die
die Praktika durch mehrfache Inanspruchnahme
missbrauchen würden, sofort von weiteren Zuteilungen ausgeschlossen
würden.
Zur Inanspruchnahme
des psychologischen Dienstes bei der
Rekrutierung von Bewerbern für die Erstausbildung von 25 – 35-jährigen
teilte er mit, dass Personen dieses Alters durchaus schon einen Lebenslauf
hinter sich hätten und diesen wolle man in bestimmten Fällen aufhellen.
Stellten die Vermittler von vornherein die Tauglichkeit für eine Branche fest,
gebe es keinesfalls die Prüfung durch den Psychologen. Reihenuntersuchungen
seien erst recht nicht geplant.
In Bezug auf die
Schulungen der Mitarbeiter teilte er mit, dass natürlich schon immer geschult
worden sei. Hier handele es sich um spezielle vorbeugende Maßnahmen im
Deeskalationsbereich. Die Mitarbeiter seien aber bereits vorbereitet.
Weiterhin seien im
Jobcenter bereits viele Personen mit Migrationshintergrund tätig. Die von ihm
avisierten 2 Mitarbeiter mit Migrationshintergrund seien die ersten im
Arbeitgeberservice. Es handle sich um hochqualifizierte Personen mit
Hochschulabschluss.
Zahlenmaterial in
Bezug auf Vermittlungsquoten von Leiharbeitsfirmen liege ihm nicht vor. Dies
müsse bei Bedarf über die Arbeitsagentur beschafft werden.
Das von der Presse
publizierte Sinken der Arbeitslosigkeit im Jahresmittel möge vielleicht für den
Bund zutreffen. Nach den ihm vorliegenden Erkenntnissen werde das für den Kreis
Unna nicht eintreten; er lasse sich in diesem Fall jedoch gern eines Besseren
belehren.
Frau Lenkenhoff erkundigte sich, ob das
Jobcenter in Anbetracht der hohen Arbeitslosigkeitsquote bei den Migranten mit
dem multikulturellen Forum zusammenarbeite. Weiterhin erkundigte sie sich nach
der Joboffensive 50+. Hier seien in der Vergangenheit enorme Beträge investiert
worden; das scheine jetzt offensichtlich nicht mehr so zu sein.
Herr Ringelsiep
erwiderte, dass man eng mit dem Forum zusammenarbeite; es genieße jedoch kein
Alleinstellungsmerkmal. Das Programm 50+ sei ein Bundesprogramm und laufe
weiter.
20 Personen seien
damit weiterhin beschäftigt. Das Jobcenter werde dort zurzeit nicht in Eigeninitiative
tätig.