Frau Flechsig referierte anhand einer der Niederschrift in Kopie beigefügten Powerpointpräsen­tation. Sie ist seit 1973 bei der Kreisverwaltung Unna beschäftigt und seit 1998 in der Be­treu­ungs­stelle tätig. Diese ist kreisweit tätig, lediglich die Städte Unna und Lünen haben eigene Betreuungsstellen eingerichtet. Frau Flechsig ist innerhalb der Betreuungsstelle für das Kamener Stadtgebiet zuständig.

Mit Einführung des Betreuungsgesetzes im Jahre 1992 wurden die Begrifflichkeiten Vormund­schaft und Pflegschaft abgeschafft. Seither würde der Terminus Betreuung verwendet.

 

Ein verbreiteter Irrglaube in der Bevölkerung sei es, dass lediglich für „alte“ Leute eine Be­treuung eingerichtet werden könne. Auch die Annahme, zwischen Eheleuten oder Eltern und ihren erwachsenen Kinder bestehe ein Angehörigenvertretungsrecht, sei irrig.

Eingerichtet werden kann eine Betreuung für alle Personen, die aufgrund einer körperlichen, geis­tigen oder seelischen Behinderung nicht in der Lage sind, ihre rechtlichen Dinge allein zu regeln. Frau Flechsig wies ausdrücklich darauf hin, dass gegen den freien Willen des Menschen eine Betreuung nicht eingerichtet werden darf. Aufgrund der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland hat der Staat nicht das Recht, seine erwachsenen und zur freien Willensbildung fähigen Bürger zu erziehen, zu bessern oder zu hindern, sich selbst zu schädigen. Exemplarisch führte Frau Flechsig hier den notorischen Trinker an. Auch dieser kann nicht ohne weiteres unter Betreuung gestellt werden.

Solange eine Person in der Lage sei, einen freien Willen zu bilden, könne jedoch mit ihrer Zu­stimmung trotzdem eine Betreuung eingerichtet werden.

 

In diesem Zusammenhang wies Herr Brüggemann auf die mehrfach auch in diesem Ausschuss erörterten Probleme mit einem stadtbekannten Obdachlosen hin. Dem Verhalten dieser Person stehe man mit einer gewissen Ohnmacht gegenüber. Vorübergehend bestand  eine Betreuung, die jedoch vom Betreuer niedergelegt wurde. Die nach dem PsychKG  erfolgte Einweisung in die Westfälische Klinik für Psychiatrie in Aplerbeck konnte nicht aufrechterhalten werden, da ein dort erstelltes Gutachten der Person bescheinige, in der Lage zu sein, einen freien Willen zu bilden. Aufgrund dieser Tatsache wurde der Obdachlose entlassen.

Herr Brüggemann wies darauf hin, dass man sich sehr wohl der Verantwortung gerade gegen­über Kindern und Jugendlichen bewusst sei. In diesem konkreten Fall seien jedoch alle Mittel ausgeschöpft worden.

 

Frau Flechsig ergänzte, dass der Staat nicht erziehen könne und dürfe.

 

Frau Sekunde wies darauf hin, dass durch das Verhalten des Obdachlosen durchaus Ver­letzungs­gefahr für Dritte bestehe.

 

Herr Grudnio wendete ein, dass man dem durch ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit ent­gegenwirken könne.

 

Frau Sekunde erwiderte, dass das bei Dunkelheit nicht immer möglich sei.

 

Herr Brüggemann trug vor, es sei bekannt, dass der Obdachlose häufig auf Bürgersteigen, die Schul­kinder auf ihrem Schulweg nutzen, seine Habschaft ausbreiten würde. In vielen Fällen wirke die Polizei auf ihn ein, diesen Zustand zu ändern. Die Weisungen der Polizei befolge er  auch für den Moment. Jedoch würde er sich dann nach kurzer Zeit an anderer Stelle nieder­lassen.

Herr Brüggemann war dankbar, dass diese Problematik erneut thematisiert wurde und bat die Ausschussmitglieder, in der Bevölkerung Verständnis für diese schwer zu akzeptierende Proble­matik zu wecken.

 

Frau Sekunde wies erneut auf das Gefährdungspotenzial insbesondere im Bereich des Perthes-Zentrums hin.

 

Frau Flechsig stellte fest, dass der Staat den Obdachlosen vor unangemessenen Maßnahmen schütze.

 

Anschließend schilderte Frau Flechsig das Verfahren zur Einrichtung einer Betreuung. Die Bestellung des Betreuers erfolgt nach Abschluss des Verfahrens durch das sogenannte Betreu­ungsgericht. 

 

Mittels einer weiteren Folie erläuterte Frau Flechsig welche Aufgabenkreise durch eine Betreu­ung abgedeckt werden können. Im Besonderen wies sie darauf hin, dass eine Betreuung für mini­mal ½ Jahr, maximal für 7 Jahre eingerichtet werden kann. Besonderheiten gelten für die Entgegennahme von Post durch bestellte Betreuer. Diese müssen ausdrücklich ermächtigt sein, die Post des Betreuten zu öffnen.

 

Im Nachgang schilderte Frau Flechsig die Rangfolge der zur Ausübung der Betreuerfunktion be­fug­ten Personen. Zuerst würde eine geeignete Wunschperson des zu Betreuenden bestellt wer­den. Sollte kein Wunsch vorliegen, kämen nahe Angehörige in Betracht. Erst danach kämen in dieser Reihenfolge zum Zuge:

- fremde ehrenamtliche Betreuer

- freiberufliche Betreuer

- Betreuungsverein

Erst dann, wenn aus diesen Personenkreisen niemand zur Verfügung steht, wird die Betreuung durch die Betreuungsbehörde wahrgenommen. Frau Flechsig wies darauf hin, dass sie derzeit  für lediglich eine Person das Betreuungsamt ausüben würde. Die Betreuerfunktion endet auto­matisch mit dem Tod des Betreuten.

 

Frau Sekunde fragte nach, was im Todesfall mit den persönlichen Sachen und eventuell vor­handenen Barmitteln passiere, die sich im Besitz des Betreuers befänden.

 

Frau Flechsig erwiderte, diese seien an die Erben auszuhändigen.

 

Frau Flechsig erläuterte exemplarisch die Pflichten eines Betreuers. Von der grundsätzlichen Verpflichtung zur Rechnungslegung seien die Familienangehörigen, die als Betreuer fungieren, ausgenommen. Bei Auffälligkeiten kann ihnen diese Pflicht jedoch auferlegt werden.

Üblicherweise wird bei der Verwaltung von großen Vermögen die Pflicht zur Rechnungslegung von vornherein auferlegt. Sind Betreuer für den Betreuten im gesundheitlichen Bereich tätig, so unterliegen sie dort gewissen Einschränkungen. So müssen sie vor schwerwiegenden medizi­nischen Eingriffen die Genehmigung des Betreuungsgerichtes einholen. Gleiches gilt für die ge­schlossene Unterbringung eines Betreuten sowie die Durchführung von unterbringungsähn­lichen Maßnahmen, wie z.B. das Anbringen eines Bettgitters im Pflegeheim.

 

Anschließend wendete sich Frau Flechsig der Erläuterung des Wesens der Vollmacht zu.

Diese diene dazu, das Selbstbestimmungsrecht wahrzunehmen sowie gerade eben die Einrichtung einer Betreuung zu vermeiden.

Voraussetzung für das Erstellen einer Vollmacht ist das Vorliegen von Geschäftsfähigkeit. Die Schriftform ist zwingend vorgeschrieben. Das Dokument muss weiterhin Datum und Unterschrift enthalten. Die Unterschrift kann beglaubigt werden, nicht jedoch der Inhalt der Vollmacht. Frau Flechsig wies darauf hin, dass beim Vorhandensein eines kritischen Umfeldes ( die “böse Nich­te“) die Erstellung der Vollmacht durch einen Notar angebracht sei. Wichtig sei das detaillierte Aufführen der Bereiche, für die Vollmacht erteilt werden soll. 

Frau Flechsig wies im Besonderen darauf hin, dass bei Erteilung einer Vollmacht für den Ge­sund­heitsbereich ausdrücklich das Regelungsrecht für schwerwiegende gesundheitliche Eingriffe eingeräumt werden muss. Gleiches gelte für die geschlossene Unterbringung oder andere freiheitsentziehende Maßnahmen wie das Anbringen eines Bettgitters. Sind diese Bereiche nicht ausdrücklich geregelt, hat die Vollmacht hier keine Wirkung, und es muss, obschon dies vermieden werden sollte, eine Betreuung eingerichtet werden.

Frau Flechsig wies darauf hin, dass die Vollmacht auf eine Vertrauensperson ausgestellt werden sollte. Wichtig fände sie es, dass für den Fall der Handlungsunfähigkeit des Vollmachtnehmers eine Ersatzbevollmächtigter benannt worden ist. Im Auge behalten sollte man die Entwicklung der Beziehung zum Vollmachtnehmer.

 

Frau van Lück fragte nach, ob die Möglichkeit der Festlegung von mehreren Bevollmächtigten mit Rangfolge bestehe.

 

Frau Flechsig bejahte dies.

 

Herr Hunsdiek erkundigte sich, inwieweit die Möglichkeit besteht, die Vollmacht zu entziehen.

 

Frau Flechsig erwiderte, dass dieses jederzeit möglich sei unter der Voraussetzung, dass die Geschäftsfähigkeit noch besteht.

 

Herr Hunsdiek fragte nach, ob die Vollmacht beim Amtsgericht hinterlegt werden solle.

 

Frau Flechsig hielt dies nicht für notwendig. Sie würde sie zu Hause deponieren.

 

Herr Grudnio ergänzte, dieses sei zweckmäßig für den Fall, dass die Vollmacht zurückgezogen werden solle. Ist der Vollmachtnehmer im Besitz der Vollmacht und weigert sich dann, die Vollmacht herauszugeben, entstünden Probleme.

 

Frau van Lück fragte nach, was man tun könne, falls man mit der Leistung eines eingesetzten Betreuers nicht zufrieden sei.

 

Frau Flechsig empfahl, in diesem Fall Kontakt zum Amtsgericht oder zur Betreuungsstelle aufzunehmen, damit das Verfahren zur Aufhebung der Betreuung eingeleitet werden kann.

 

Abschließend wies Frau Flechsig auf die Möglichkeit des Erstellens einer Betreuungsverfügung hin. Dies sei für Personen, die weder Verwandte noch Freunde hätten, für den Fall der Notwen­digkeit der Einrichtung einer Betreuung eine Möglichkeit, die Person oder Institution der eigenen Wahl bereits im Vorfeld zu benennen. Hier könnten auch schon Wünsche an den potenziellen Betreuer festgelegt werden.

 

Herr Hunsdiek wies darauf hin, dass nach seinem Kenntnisstand Betreuer einmal jährlich über­prüft würden.

 

Frau Flechsig bestätigte dies. Im Falle des Bekanntwerdens von Beschwerden würden von den Betreuern auch Zwischenberichte verlangt.