Sitzung: 12.04.2010 Behindertenbeirat
Frau Flechsig referierte
anhand einer der Niederschrift in
Kopie beigefügten Powerpointpräsentation. Sie ist seit 1973 bei der
Kreisverwaltung Unna beschäftigt und seit 1998 in der Betreuungsstelle
tätig. Diese ist kreisweit tätig, lediglich die Städte Unna und Lünen haben
eigene Betreuungsstellen eingerichtet. Frau
Flechsig ist innerhalb der Betreuungsstelle für das Kamener Stadtgebiet
zuständig.
Mit Einführung des Betreuungsgesetzes im Jahre 1992 wurden die
Begrifflichkeiten Vormundschaft und Pflegschaft abgeschafft. Seither würde der
Terminus Betreuung verwendet.
Ein verbreiteter Irrglaube in der Bevölkerung sei es, dass lediglich für
„alte“ Leute eine Betreuung eingerichtet werden könne. Auch die Annahme,
zwischen Eheleuten oder Eltern und ihren erwachsenen Kinder bestehe ein
Angehörigenvertretungsrecht, sei irrig.
Eingerichtet werden kann eine Betreuung für alle Personen, die aufgrund
einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht in der Lage
sind, ihre rechtlichen Dinge allein zu regeln. Frau Flechsig wies ausdrücklich darauf hin, dass
gegen den freien Willen des Menschen eine Betreuung nicht eingerichtet werden
darf. Aufgrund der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland hat der Staat
nicht das Recht, seine erwachsenen und zur freien Willensbildung fähigen Bürger
zu erziehen, zu bessern oder zu hindern, sich selbst zu schädigen. Exemplarisch
führte Frau Flechsig hier den notorischen Trinker an. Auch dieser kann nicht
ohne weiteres unter Betreuung gestellt werden.
Solange eine Person in der Lage sei, einen freien Willen zu bilden,
könne jedoch mit ihrer Zustimmung trotzdem eine Betreuung eingerichtet werden.
In diesem Zusammenhang wies Herr
Brüggemann auf die mehrfach auch in diesem Ausschuss erörterten Probleme
mit einem stadtbekannten Obdachlosen hin. Dem Verhalten dieser Person stehe man
mit einer gewissen Ohnmacht gegenüber. Vorübergehend bestand eine Betreuung, die jedoch vom Betreuer
niedergelegt wurde. Die nach dem PsychKG
erfolgte Einweisung in die Westfälische Klinik für Psychiatrie in
Aplerbeck konnte nicht aufrechterhalten werden, da ein dort erstelltes
Gutachten der Person bescheinige, in der Lage zu sein, einen freien Willen zu
bilden. Aufgrund dieser Tatsache wurde der Obdachlose entlassen.
Herr Brüggemann wies darauf
hin, dass man sich sehr wohl der Verantwortung gerade gegenüber Kindern und
Jugendlichen bewusst sei. In diesem konkreten Fall seien jedoch alle Mittel
ausgeschöpft worden.
Frau Flechsig ergänzte, dass
der Staat nicht erziehen könne und dürfe.
Frau Sekunde wies darauf hin,
dass durch das Verhalten des Obdachlosen durchaus Verletzungsgefahr für
Dritte bestehe.
Herr Grudnio wendete ein,
dass man dem durch ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit entgegenwirken könne.
Frau Sekunde erwiderte, dass
das bei Dunkelheit nicht immer möglich sei.
Herr Brüggemann trug vor, es
sei bekannt, dass der Obdachlose häufig auf Bürgersteigen, die Schulkinder auf
ihrem Schulweg nutzen, seine Habschaft ausbreiten würde. In vielen Fällen wirke
die Polizei auf ihn ein, diesen Zustand zu ändern. Die Weisungen der Polizei
befolge er auch für den Moment. Jedoch
würde er sich dann nach kurzer Zeit an anderer Stelle niederlassen.
Herr Brüggemann war dankbar, dass diese Problematik erneut thematisiert
wurde und bat die Ausschussmitglieder, in der Bevölkerung Verständnis für diese
schwer zu akzeptierende Problematik zu wecken.
Frau Sekunde wies erneut auf
das Gefährdungspotenzial insbesondere im Bereich des Perthes-Zentrums hin.
Frau Flechsig stellte fest,
dass der Staat den Obdachlosen vor unangemessenen Maßnahmen schütze.
Anschließend schilderte Frau Flechsig das Verfahren zur Einrichtung
einer Betreuung. Die Bestellung des Betreuers erfolgt nach Abschluss des
Verfahrens durch das sogenannte Betreuungsgericht.
Mittels einer weiteren Folie erläuterte Frau Flechsig welche
Aufgabenkreise durch eine Betreuung abgedeckt werden können. Im Besonderen
wies sie darauf hin, dass eine Betreuung für minimal ½ Jahr, maximal für 7
Jahre eingerichtet werden kann. Besonderheiten gelten für die Entgegennahme von
Post durch bestellte Betreuer. Diese müssen ausdrücklich ermächtigt sein, die
Post des Betreuten zu öffnen.
Im Nachgang schilderte Frau Flechsig die Rangfolge der zur Ausübung der
Betreuerfunktion befugten Personen. Zuerst würde eine geeignete Wunschperson
des zu Betreuenden bestellt werden. Sollte kein Wunsch vorliegen, kämen nahe
Angehörige in Betracht. Erst danach kämen in dieser Reihenfolge zum Zuge:
- fremde ehrenamtliche Betreuer
- freiberufliche Betreuer
- Betreuungsverein
Erst dann, wenn aus diesen Personenkreisen niemand zur Verfügung steht,
wird die Betreuung durch die Betreuungsbehörde wahrgenommen. Frau Flechsig wies
darauf hin, dass sie derzeit für
lediglich eine Person das Betreuungsamt ausüben würde. Die Betreuerfunktion
endet automatisch mit dem Tod des Betreuten.
Frau Sekunde fragte nach, was
im Todesfall mit den persönlichen Sachen und eventuell vorhandenen Barmitteln
passiere, die sich im Besitz des Betreuers befänden.
Frau Flechsig erwiderte,
diese seien an die Erben auszuhändigen.
Frau Flechsig erläuterte exemplarisch die Pflichten eines Betreuers. Von
der grundsätzlichen Verpflichtung zur Rechnungslegung seien die
Familienangehörigen, die als Betreuer fungieren, ausgenommen. Bei
Auffälligkeiten kann ihnen diese Pflicht jedoch auferlegt werden.
Üblicherweise wird bei der Verwaltung von großen Vermögen die Pflicht
zur Rechnungslegung von vornherein auferlegt. Sind Betreuer für den Betreuten
im gesundheitlichen Bereich tätig, so unterliegen sie dort gewissen Einschränkungen.
So müssen sie vor schwerwiegenden medizinischen Eingriffen die Genehmigung des
Betreuungsgerichtes einholen. Gleiches gilt für die geschlossene Unterbringung
eines Betreuten sowie die Durchführung von unterbringungsähnlichen Maßnahmen,
wie z.B. das Anbringen eines Bettgitters im Pflegeheim.
Anschließend wendete sich Frau Flechsig der Erläuterung des Wesens der
Vollmacht zu.
Diese diene dazu, das Selbstbestimmungsrecht wahrzunehmen sowie gerade
eben die Einrichtung einer Betreuung zu vermeiden.
Voraussetzung für das Erstellen einer Vollmacht ist das Vorliegen von
Geschäftsfähigkeit. Die Schriftform ist zwingend vorgeschrieben. Das Dokument
muss weiterhin Datum und Unterschrift enthalten. Die Unterschrift kann
beglaubigt werden, nicht jedoch der Inhalt der Vollmacht. Frau Flechsig wies
darauf hin, dass beim Vorhandensein eines kritischen Umfeldes ( die “böse Nichte“)
die Erstellung der Vollmacht durch einen Notar angebracht sei. Wichtig sei das
detaillierte Aufführen der Bereiche, für die Vollmacht erteilt werden
soll.
Frau Flechsig wies im Besonderen darauf hin, dass bei Erteilung einer
Vollmacht für den Gesundheitsbereich ausdrücklich das Regelungsrecht für
schwerwiegende gesundheitliche Eingriffe eingeräumt werden muss. Gleiches gelte
für die geschlossene Unterbringung oder andere freiheitsentziehende Maßnahmen
wie das Anbringen eines Bettgitters. Sind diese Bereiche nicht ausdrücklich
geregelt, hat die Vollmacht hier keine Wirkung, und es muss, obschon dies
vermieden werden sollte, eine Betreuung eingerichtet werden.
Frau Flechsig wies darauf hin, dass die Vollmacht auf eine
Vertrauensperson ausgestellt werden sollte. Wichtig fände sie es, dass für den
Fall der Handlungsunfähigkeit des Vollmachtnehmers eine Ersatzbevollmächtigter
benannt worden ist. Im Auge behalten sollte man die Entwicklung der Beziehung
zum Vollmachtnehmer.
Frau van Lück fragte nach, ob
die Möglichkeit der Festlegung von mehreren Bevollmächtigten mit Rangfolge
bestehe.
Frau Flechsig bejahte dies.
Herr Hunsdiek erkundigte
sich, inwieweit die Möglichkeit besteht, die Vollmacht zu entziehen.
Frau Flechsig erwiderte, dass
dieses jederzeit möglich sei unter der Voraussetzung, dass die
Geschäftsfähigkeit noch besteht.
Herr Hunsdiek fragte nach, ob
die Vollmacht beim Amtsgericht hinterlegt werden solle.
Frau Flechsig hielt dies
nicht für notwendig. Sie würde sie zu Hause deponieren.
Herr Grudnio ergänzte, dieses
sei zweckmäßig für den Fall, dass die Vollmacht zurückgezogen werden solle. Ist
der Vollmachtnehmer im Besitz der Vollmacht und weigert sich dann, die
Vollmacht herauszugeben, entstünden Probleme.
Frau van Lück fragte nach,
was man tun könne, falls man mit der Leistung eines eingesetzten Betreuers
nicht zufrieden sei.
Frau Flechsig empfahl, in
diesem Fall Kontakt zum Amtsgericht oder zur Betreuungsstelle aufzunehmen,
damit das Verfahren zur Aufhebung der Betreuung eingeleitet werden kann.
Abschließend wies Frau Flechsig auf
die Möglichkeit des Erstellens einer Betreuungsverfügung hin. Dies sei für
Personen, die weder Verwandte noch Freunde hätten, für den Fall der Notwendigkeit
der Einrichtung einer Betreuung eine Möglichkeit, die Person oder Institution
der eigenen Wahl bereits im Vorfeld zu benennen. Hier könnten auch schon
Wünsche an den potenziellen Betreuer festgelegt werden.
Herr Hunsdiek wies darauf
hin, dass nach seinem Kenntnisstand Betreuer einmal jährlich überprüft würden.
Frau Flechsig bestätigte
dies. Im Falle des Bekanntwerdens von Beschwerden würden von den Betreuern auch
Zwischenberichte verlangt.