Sitzung: 26.03.2009 Familien- und Sozialausschuss
Beschluss:
Der Familien- und Sozialausschuss befürwortet die Einrichtung einer
Produktionsschule in Kamen und beauftragt die Verwaltung, in Gesprächen mit der
ARGE und dem Qualifizierungsträger Werkstatt im Kreis Unna die zeitnahe
Einrichtung dieser Produktionsschule zu betreiben.
Der Familien- und Sozialausschuss nimmt zur Kenntnis, dass die
Bereitstellung kommunaler Finanzmittel dem Haupt- und Finanzausschuss
vorgetragen wird.
Abstimmungsergebnis: einstimmig angenommen
Herr Weber dankte den Referenten der ARGE und der Werkstatt Unna für ihre Vorträge.
Herr Weber erteilten den
Herren Gründken und Klose von der ARGE das Wort.
Sie referierten anhand einer der Niederschrift in Kopie beigefügten
Powerpointpräsentation.
Herr Gründken bedankte sich
für die Einladung sowie die sich ihm bietende Möglichkeit, die Arbeit der ARGE
vorzustellen. Sein Part am Vortrag sei eher allgemein gehalten; detailliertere
Zahlen würde Herr Klose vortragen.
Er begrüßte ausdrücklich die Einrichtung einer Produktionsschule am Standort
Kamen. In diversen Gesprächen mit den Mitarbeitern der Werkstatt Unna und den
Herren Brüggemann und Völkel habe er diese Meinung vertreten.
Hier böte sich eine Möglichkeit, konkret etwas für arbeitslose
Jugendliche zu tun.
Anhand eines Diagramms erläuterte Herr Gründken die Entwicklung der
Anzahl der von der ARGE betreuten Bedarfsgemeinschaften (BGs) für den Bereich
Kamen. Erfreulich sei festzustellen, dass die Zahl in der Zeit von Januar 2008
– November 2008 von 2.353 BGs um 143 auf 2.210 gesunken sei. Zum Zeitpunkt der
Sitzung sei die Zahl noch weiter auf 2.200 BGs abgesunken; er wies jedoch
darauf hin, dass diese Zahl im Gegensatz zum angegebenen Novemberwert noch
nicht valide sei.
Die Anzahl der betreuten Personen ist im gleichen Zeitraum von 4.908 um
327 auf 4.581 gesunken. Dieses Ergebnis bezeichnete Herr Gründken als
außerordentlich gut.
Begründet sei dieser Rückgang zum Teil mit der durch die gute Konjunktur
bedingten Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes. Gleichzeitig wies er darauf
hin, dass die Anzahl der in Arbeitsverhältnisse vermittelten Personen natürlich
wesentlich höher sei, sich jedoch durch Fluktuation wieder vermindert habe.
Große Sorgen würde ihm die Zahl der Bedarfsgemeinschaften mit einer
Person bereiten.
Dieser Personenkreis würde derzeit etwa die Hälfte des aktuellen
Fallbestandes ausmachen.
In Kamen stelle sich die Situation im Vergleich zu den anderen Kommunen
im Kreisgebiet sogar noch relativ gut dar. Hier sei die Zahl der
Leistungsempfänger von 1.100 auf 1.049 Personen gesunken, während sie in
anderen Kommunen weiter anstieg. Herr Gründken wies darauf hin, dass die ARGE
in Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeberservice ihr besonderes Augenmerk auf
diesen Personenkreis richten würde. Erste Erfolge seien auch bereits zu
verzeichnen.
Anhand eines weiteren Schaubildes erläuterte Herr Gründken die
Entwicklung der vorgenannten Gruppen in Prozentzahlen. Die Zahl der
Bedarfsgemeinschaften sank im Betrachtungszeitraum um 6 %, die Personenzahl um
6,6 % und die Zahl der Ein-Personen-BGs um 4,6 %. Alle drei Werte sind stärker
als im Kreisdurchschnitt gesunken. Herr Gründken führte dies unter anderem
darauf zurück, dass die vom Arbeitgeberservice im Kamener Rathaus
durchgeführten Präsenztage ihre Wirkung zeigen würden. Das Zusammenspiel von
Leistung und Integration unter einem Dach habe sich bewährt und führe zu
Ergebnissen.
Herr Gründken übergab das
Wort an Herrn Klose. Dieser erläuterte anhand eines weiteren
Diagramms die Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit, unterschieden nach den
drei Bereichen ARGE Unna, Bereich Mitte und Kamen. Auffällig ist der enorme
Anstieg der Arbeitslosigkeit in den Sommermonaten. Herr Klose begründete dies
mit dem Drängen der Schulabgänger auf den Arbeitsmarkt. Nach den Sommerferien
ebbt die Arbeitslosenzahl stark ab. Es wird deutlich, wie gut der Arbeitsmarkt
die Arbeitskräfte aufgenommen hat. Betrachtet man die Monate Januar 2008/2009,
so ist festzustellen, dass hier nur marginale Veränderungen eingetreten sind. Herr
Klose wies darauf hin, dass die Vergleichszahlen des Jahres 2007 deutlich höher
gelegen hätten.
Herr Klose teilte mit, dass im Jahr 2008 die Integrationsquote für die
Personen, die auf den Arbeitsmarkt drängen, bei 26,5 % gelegen habe.
Bezugsgröße sei hierbei der Stand der Arbeitslosenzahl am 01.01.2008 sowie jede
weitere Neuanmeldung.
Herr Klose hob erneut hervor, dass durch die gute Aufnahmefähigkeit des
Arbeitsmarktes Bewerber vermittelt werden konnten, die man für nicht
vermittlungsfähig gehalten habe. Arbeitslos blieben die Personen, die multiple
Problemlagen aufweisen würden. Exemplarisch erwähnte er Schulmüdigkeit und
Aversion gegen Bildung. Hier müsse man neue Instrumente zur Vermittlung wählen.
Ausblickend auf das Jahr 2009 führte Herr Klose aus, dass das vergangene
Jahr für viele arbeitslose Jugendliche eine Chance geboten habe, die sich nach
seiner Einschätzung im Jahr 2009 vielleicht nicht wieder bieten würde. Er
fürchtete eine Erhöhung der Quote der arbeitslosen Jugendlichen durch die
„Rückkehr“ vieler in die Arbeitslosigkeit.
Herr Klose machte klar, dass bei vielen vorhandenen Arbeitslosen
absolute Basisqualifikationen zu vermitteln seien. Elementare Voraussetzungen
für den Einstieg in das Berufsleben, wie z.B. Körperhygiene oder saubere
Bekleidung, müssten oftmals erst geschaffen werden.
Frau Dyduch bat die
Referenten um eine Einschätzung der Situation im Jahre 2009 für den Personenkreis
U25. Aus ihrer persönlichen Erfahrung durch ihre Tätigkeit in Dortmund habe sie
den Eindruck gewonnen, dass das Zahlenmaterial sich negativ entwickle. In der
Arbeitslosigkeit verblieben die Personen mit großen Vermittlungsproblemen oder
sie kehrten dort hin zurück.
Herr Klose unterstrich diese
Einschätzung. Es sei damit zu rechnen, dass viele dieser Personen zunächst
wieder durch die Arbeitsagentur betreut würden und dann wieder Kunden der ARGE
würden.
Frau Dyduch erkundigte sich
nach dem Altersschnitt der Personen, die die Bedarfsgemeinschaften mit einer
Person bilden würden.
Herr Gründken antwortete,
dass der Großteil dieser Personen unter 30 Jahre alt sei.
Herr Eisenhardt reflektierte
auf den Rückgang der Zahl der erwerbslosen Jugendlichen und bat um
Einschätzung, von welchem Niveau aus dieser Rückgang erreicht wurde.
Herr Gründken erwiderte, dass
Kamen von den in Bönen vorhandenen Lager- und Logistikkapazitäten profitieren
würde. Tendenziell schätze er den Kamener Arbeitsmarkt als nicht sonderlich gut
ein. Indikator hierfür sei die vergleichsweise geringe Anzahl von
sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen.
Herr Weber erteilte den
Herren Dörmann und Zude das Wort. Sie referierten anhand einer der
Niederschrift in Kopie beigefügten Powerpointpräsentation.
Einleitend wies Herr Dörmann
darauf hin, dass anlässlich des 25jährigen Bestehens der Werkstatt Unna eine
Broschüre herausgegeben worden sei, die er den Ausschussmitgliedern zur
Verfügung stellen wolle.
Das von ihnen heute vorzustellende Modellprojekt „Produktionsschule“ sei
ein modellhafter Ansatz zur Bekämpfung der Jugendberufsnot. Anhand einer Folie
erläuterte Herr Dörmann die Zielgruppen und das Angebotsspektrum der
Produktionsschule. Zur Zeit würden 200 Jugendliche außerbetrieblich
ausgebildet. Die Werkstatt sei Schulungsstätte für die Berufsfelder Lager und
Logistik. Weiterhin organisiere man für die Firma Kettler den
Arbeitsmarkttransfer und begleite den Personalabbau.
Mittels einer weiteren Folie stellte Herr Dörmann die besonderen
Zielgruppen der Werkstatt vor. Im Besonderen verwies er auf den nach seiner
Ansicht wegweisenden Ansatz, Mitglieder von Bedarfsgemeinschaften en bloc zu
betreuen.
Das Leistungsspektrum der Werkstatt sei vielfältig. Man arbeite eng mit
der heimischen Wirtschaft zusammen. Zusammen mit Unternehmen organisiere die
Werkstatt Ausbildungen. Die Werkstatt selbst ist Ausbildungsbetrieb. Zurzeit
habe man 300 Beschäftigte bei der GmbH und Tochterunternehmen.
Anhand eines weiteren Schaubildes stellte Herr Dörmann die zentralen
Fördergeber der Werkstatt vor. Diese finanzierten 30 Förderinstrumente mit.
Die Ausgangslage für ausbildungsplatzsuchende Jugendliche stelle sich im
Kreis Unna sehr problematisch dar. Nur 25 % der von der ARGE betreuten
Jugendlichen verfügten über einen gewerblichen Ausbildungsplatz.
Von den Teilnehmern des Berufskollegs der Werkstatt verfügen nur 50 %
über einen Ausbildungsplatz. Die Teilnehmer am Berufskolleg seien häufig nicht
motiviert. Dies äußere sich oftmals durch Fernbleiben vom Unterricht. Es
ergäben sich große Probleme für den Lehrkörper, der regelmäßig zu
disziplinarischen Maßnahmen greifen müsse.
Im Anschluss stellte Herr Dörmann eine Sonderuntersuchung des Instituts
für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) vor. Zielgruppe waren Personen, die
das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten und im ALG-II-Leistungsbezug
standen. Untersuchungszeitraum waren die Jahre 2005 und 2006. Hiernach
schafften zwar 60 % der Leistungsbezieher den Ausstieg aus ALG II, jedoch
kehrten 50 % hiervon wieder in den Leistungsbezug zurück. Herr Dörmann wies hier noch einmal darauf hin, dass
Grundlagenarbeit ganzheitlich innerhalb der Bedarfsgemeinschaften geleistet
werden müsse.
Weiteres Untersuchungsergebnis war, dass die Chancen auf ein Verlassen
des Leistungsbezuges nach mehr als einem Jahr Bezugsdauer rapide sinken.
Mit einem weiteren Schaubild erläuterte Herr Dörmann die zu beachtenden
Handlungserfordernisse. Oberstes Ziel sei, dass sich die Hilfebedürftigkeit
nicht verfestigen darf. Bei Angeboten an Jugendliche sei jedoch zu beachten,
dass ein Großteil den betrieblichen Anforderungen nicht gewachsen ist.
Im Anschluss wandte sich Herr Dörmann konkret der Produktionsschule zu.
Vorbild sei hier Dänemark, das schon über Erfahrungen auf diesem Sektor
verfüge. Wichtigstes Merkmal der Produktionsschule sei für ihn, dass die
beschäftigten Jugendlichen für den Markt produzieren, was nicht überall so
gehandhabt werde. „Nebeneffekt“ der Arbeit müsse sein, dass sich für die
Jugendlichen Lernbedarf ergebe.
Herr Dörmann stellte dar, dass Produktionsschulen durch Wechselwirkungen
Gewinne für Jugendliche und Kommunen bringen würden. Ziel der Produktionsschule
ist es, die Jugendlichen zu „Direktoren ihres eigenen Lebens“ zu formen.
Mittels eines weiteren Schaubildes schilderte Herr Dörmann die vier
Phasen, die die beteiligten Jugendlichen während der Arbeit in der Produktionsschule
durchlaufen sollen.
Anhand einer weiteren Folie erläuterte Herr Dörmann den zu bewältigenden
Spagat zwischen Zielsetzungen und Prinzipien der Produktionsschule.
Nach Meinung von Herrn Dörmann sind die schwierigsten aller Jugendlichen
die Zielgruppe für die Produktionsschule. Hier erhielten sie häufig die letzte
Chance.
Frau Müller fragte nach, ob
das den Jugendlichen so bewusst sei.
Herr Dörmann bejahte dies.
Er führte weiterhin aus, dass 50 % der Beschäftigten von
Produktionsschulen eine direkte Anschlussperspektive eröffnet würde.
Im Anschluss schilderte Herr Dörmann
eine mögliche Angebotsstruktur für eine in Kamen ansässige
Produktionsschule. Er schlägt den Aufbau eines Projektes mit 36 Teilnehmern
vor. Ältere Arbeitslose sollen hierbei als Vorarbeiter tätig werden.
Das Strukturmodell solle sich über die Bereiche Metall, Holz, und Textil
erstrecken. Produziert werden könnten zum Beispiel Schulmöbel, Parkbänke,
Fahrradständer. Mögliche Tätigkeitsfelder böten sich auch für
Kultureinrichtungen und Kindergärten.
Anhand einer weiteren Folie erläuterte Herr Dörmann Kalkulations- und
Berechnungsgrundlagen. Das Vorhalten professioneller Technik, die für eine
marktförmige Produktion notwendig sei, erfordere eine Investitionssumme i.H.v.
243.000 €. Der von der Stadt Kamen zu leistende Zuschuss betrage einmalig
47.000 €.
Herr Weber dankte Herrn
Dörmann für den umfassenden Vortrag. Er wies darauf hin, dass man angesichts
der Fülle von Zahlen nicht die dahinter stehenden Menschen vergessen dürfe.
Frau Müller dankte Herrn
Dörmann für den überaus informativen Vortrag. Nach ihren gewonnenen
Erkenntnissen sei die Errichtung einer Produktionsschule in Kamen insbesondere
unter dem Aspekt, dass hier vielen Jugendlichen eine letzte Chance geboten
würde, sehr wichtig.
Frau Werning wies darauf hin,
dass die Produktionsschule stark subventioniert würde. Sie erkundigte sich nach
Auswirkungen auf die Wirtschaft.
Herr Dörmann erwiderte, dass
die im ARGE-Beirat sitzenden Vertreter der Arbeitgeberverbände den
Produktionsschulen positiv gegenüber stehen würden. Die Produktionsschulen
würden dazu beitragen, einen bestehenden Facharbeitermangel zu beheben. Die
mengenmäßige Produktion sei unter diesem Aspekt zu vernachlässigen.
Herr Eisenhardt wertete den
Vortrag als beeindruckend, aber auch bedrückend angesichts des vorgelegten
Zahlenmaterials. Herr Dörmann habe eindrucksvoll die Notwendigkeit der Installation
einer Produktionsschule aufgezeigt. Für sich habe er mitgenommen, dass von den
potenziell 36 Beschäftigten der Produktionsschule 34 % wieder in Arbeit
vermittelt werden könnten, weitere 15 % zu einem erneuten Schulbesuch motiviert
werden könnten. Für die andere Hälfte gäbe es jedoch offensichtlich keine
weitere Perspektive. Diese würde erneut in den ALG-II-Bezug geraten.
Für die CDU-Fraktion bejahte er die Notwendigkeit der Errichtung einer
Produktionsschule.
Frau Dyduch wies darauf hin,
dass das Finden einer geeigneten Fläche für die Schule ein Problem sei. Da die
Werkstatt Unna als seriöses Unternehmen einzuschätzen sei, halte sie die
vorgelegte Kalkulation für stimmig. Das zu investierende Kapital sei gut
angelegtes Geld.
Herr Brüggemann wies darauf
hin, dass er im Hauptausschuss noch einmal detailliert auf die
Finanzierungsfragen eingehen werde.
An die Referenten der ARGE richtete er die Frage, ob es denn auch nach
der fachlichen Einschätzung der ARGE die Werkstatt Unna sein solle, die in
ihrer regionalen Ausrichtung Auftragnehmer für den Betrieb einer
Produktionsschule sein solle. Weiterhin stellte er die Frage, ob die ARGE die
Werkstatt Unna beauftragen werde.
Herr Gründken stimmte den
Fragen vorbehaltlos zu. Mit der Arbeit der Werkstatt Unna sei er hoch
zufrieden.
Herr Brüggemann fragte nach,
ob er den Aufbau der drei Tätigkeitsfelder Metall, Holz und Textil für sinnvoll
halte.
Herr Gründken bejahte dies.
Im Anschluss formulierte Herr Brüggemann
für die Verwaltung folgenden Beschlussvorschlag: