Beschluss:

 

Der Familien- und Sozialausschuss befürwortet die Einrichtung einer Produktionsschule in Kamen und beauftragt die Verwaltung, in Gesprächen mit der ARGE und dem Qualifizierungs­träger Werkstatt im Kreis Unna die zeitnahe Einrichtung dieser Produktionsschule zu betreiben.

Der Familien- und Sozialausschuss nimmt zur Kenntnis, dass die Bereitstellung kommunaler Finanzmittel dem Haupt- und Finanzausschuss vorgetragen wird.


Abstimmungsergebnis: einstimmig angenommen

 

Herr Weber dankte den Referenten der ARGE und der Werkstatt Unna für ihre Vorträge.


Herr Weber erteilten den Herren Gründken und Klose von der ARGE das Wort.

Sie referierten anhand einer der Niederschrift in Kopie beigefügten Powerpointpräsentation.

 

Herr Gründken bedankte sich für die Einladung sowie die sich ihm bietende Möglichkeit, die Arbeit der ARGE vorzustellen. Sein Part am Vortrag sei eher allgemein gehalten; detailliertere Zahlen würde Herr Klose vortragen. Er begrüßte ausdrücklich die Einrichtung einer Produk­tionsschule am Standort Kamen. In diversen Gesprächen mit den Mitarbeitern der Werkstatt Unna und den Herren Brüggemann und Völkel habe er diese Meinung vertreten.

Hier böte sich eine Möglichkeit, konkret etwas für arbeitslose Jugendliche zu tun.

 

Anhand eines Diagramms erläuterte Herr Gründken die Entwicklung der Anzahl der von der ARGE betreuten Bedarfsgemeinschaften (BGs) für den Bereich Kamen. Erfreulich sei festzustellen, dass die Zahl in der Zeit von Januar 2008 – November 2008 von 2.353 BGs um 143 auf 2.210 gesunken sei. Zum Zeitpunkt der Sitzung sei die Zahl noch weiter auf 2.200 BGs abgesunken; er wies jedoch darauf hin, dass diese Zahl im Gegensatz zum angegebenen Novemberwert noch nicht valide sei.

Die Anzahl der betreuten Personen ist im gleichen Zeitraum von 4.908 um 327 auf 4.581 gesunken. Dieses Ergebnis bezeichnete Herr Gründken als außerordentlich gut.

Begründet sei dieser Rückgang zum Teil mit der durch die gute Konjunktur bedingten Auf­nahmefähigkeit des Arbeitsmarktes. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass die Anzahl der in Arbeitsverhältnisse vermittelten Personen natürlich wesentlich höher sei, sich jedoch durch Fluktuation wieder vermindert habe.

 

Große Sorgen würde ihm die Zahl der Bedarfsgemeinschaften mit einer Person bereiten.

Dieser Personenkreis würde derzeit etwa die Hälfte des aktuellen Fallbestandes ausmachen.

In Kamen stelle sich die Situation im Vergleich zu den anderen Kommunen im Kreisgebiet sogar noch relativ gut dar. Hier sei die Zahl der Leistungsempfänger von 1.100 auf 1.049 Personen gesunken, während sie in anderen Kommunen weiter anstieg. Herr Gründken wies darauf hin, dass die ARGE in Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeberservice ihr besonderes Augenmerk auf diesen Personenkreis richten würde. Erste Erfolge seien auch bereits zu verzeichnen.

 

Anhand eines weiteren Schaubildes erläuterte Herr Gründken die Entwicklung der vorgenannten Gruppen in Prozentzahlen. Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften sank im Betrachtungszeitraum um 6 %, die Personenzahl um 6,6 % und die Zahl der Ein-Personen-BGs um 4,6 %. Alle drei Werte sind stärker als im Kreisdurchschnitt gesunken. Herr Gründken führte dies unter anderem darauf zurück, dass die vom Arbeitgeberservice im Kamener Rathaus durchgeführten Präsenz­tage ihre Wirkung zeigen würden. Das Zusammenspiel von Leistung und Integration unter einem Dach habe sich bewährt und führe zu Ergebnissen.

 

Herr Gründken übergab das Wort an Herrn Klose. Dieser erläuterte anhand eines weiteren Diagramms die Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit, unterschieden nach den drei Bereichen ARGE Unna, Bereich Mitte und Kamen. Auffällig ist der enorme Anstieg der Arbeitslosigkeit in den Sommermonaten. Herr Klose begründete dies mit dem Drängen der Schulabgänger auf den Arbeitsmarkt. Nach den Sommerferien ebbt die Arbeitslosenzahl stark ab. Es wird deutlich, wie gut der Arbeitsmarkt die Arbeitskräfte aufgenommen hat. Betrachtet man die Monate Januar 2008/2009, so ist festzustellen, dass hier nur marginale Veränderungen eingetreten sind. Herr Klose wies darauf hin, dass die Vergleichszahlen des Jahres 2007 deutlich höher gelegen hätten.

 

Herr Klose teilte mit, dass im Jahr 2008 die Integrationsquote für die Personen, die auf den Arbeitsmarkt drängen, bei 26,5 % gelegen habe. Bezugsgröße sei hierbei der Stand der Arbeitslosenzahl am 01.01.2008 sowie jede weitere Neuanmeldung.

 

Herr Klose hob erneut hervor, dass durch die gute Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes Bewerber vermittelt werden konnten, die man für nicht vermittlungsfähig gehalten habe. Arbeitslos blieben die Personen, die multiple Problemlagen aufweisen würden. Exemplarisch erwähnte er Schulmüdigkeit und Aversion gegen Bildung. Hier müsse man neue Instrumente zur Vermittlung wählen.

 

Ausblickend auf das Jahr 2009 führte Herr Klose aus, dass das vergangene Jahr für viele arbeitslose Jugendliche eine Chance geboten habe, die sich nach seiner Einschätzung im Jahr 2009 vielleicht nicht wieder bieten würde. Er fürchtete eine Erhöhung der Quote der arbeitslosen Jugendlichen durch die „Rückkehr“ vieler in die Arbeitslosigkeit.

 

Herr Klose machte klar, dass bei vielen vorhandenen Arbeitslosen absolute Basisqualifikationen zu vermitteln seien. Elementare Voraussetzungen für den Einstieg in das Berufsleben, wie z.B. Körperhygiene oder saubere Bekleidung, müssten oftmals erst geschaffen werden.

 

Frau Dyduch bat die Referenten um eine Einschätzung der Situation im Jahre 2009 für den Personenkreis U25. Aus ihrer persönlichen Erfahrung durch ihre Tätigkeit in Dortmund habe sie den Eindruck gewonnen, dass das Zahlenmaterial sich negativ entwickle. In der Arbeitslosigkeit verblieben die Personen mit großen Vermittlungsproblemen oder sie kehrten dort hin zurück.

 

Herr Klose unterstrich diese Einschätzung. Es sei damit zu rechnen, dass viele dieser Personen zunächst wieder durch die Arbeitsagentur betreut würden und dann wieder Kunden der ARGE würden.

 

Frau Dyduch erkundigte sich nach dem Altersschnitt der Personen, die die Bedarfs­gemeinschaften mit einer Person bilden würden.

 

Herr Gründken antwortete, dass der Großteil dieser Personen unter 30 Jahre alt sei.

 

Herr Eisenhardt reflektierte auf den Rückgang der Zahl der erwerbslosen Jugendlichen und bat um Einschätzung, von welchem Niveau aus dieser Rückgang erreicht wurde.

 

Herr Gründken erwiderte, dass Kamen von den in Bönen vorhandenen Lager- und Logistik­kapazitäten profitieren würde. Tendenziell schätze er den Kamener Arbeitsmarkt als nicht sonderlich gut ein. Indikator hierfür sei die vergleichsweise geringe Anzahl von sozialversiche­rungspflichtigen Arbeitsplätzen.

 

Herr Weber erteilte den Herren Dörmann und Zude das Wort. Sie referierten anhand einer der Niederschrift in Kopie beigefügten Powerpointpräsentation.

 

Einleitend wies Herr Dörmann darauf hin, dass anlässlich des 25jährigen Bestehens der Werkstatt Unna eine Broschüre herausgegeben worden sei, die er den Ausschussmitgliedern zur Verfügung stellen wolle.

Das von ihnen heute vorzustellende Modellprojekt „Produktionsschule“ sei ein modellhafter Ansatz zur Bekämpfung der Jugendberufsnot. Anhand einer Folie erläuterte Herr Dörmann die Zielgruppen und das Angebotsspektrum der Produktionsschule. Zur Zeit würden 200 Jugend­liche außerbetrieblich ausgebildet. Die Werkstatt sei Schulungsstätte für die Berufsfelder Lager und Logistik. Weiterhin organisiere man für die Firma Kettler den Arbeitsmarkttransfer und begleite den Personalabbau.

Mittels einer weiteren Folie stellte Herr Dörmann die besonderen Zielgruppen der Werkstatt vor. Im Besonderen verwies er auf den nach seiner Ansicht wegweisenden Ansatz, Mitglieder von Bedarfsgemeinschaften en bloc zu betreuen.

Das Leistungsspektrum der Werkstatt sei vielfältig. Man arbeite eng mit der heimischen Wirt­schaft zusammen. Zusammen mit Unternehmen organisiere die Werkstatt Ausbildungen. Die Werkstatt selbst ist Ausbildungsbetrieb. Zurzeit habe man 300 Beschäftigte bei der GmbH und Tochterunternehmen.

Anhand eines weiteren Schaubildes stellte Herr Dörmann die zentralen Fördergeber der Werkstatt vor. Diese finanzierten 30 Förderinstrumente mit.

Die Ausgangslage für ausbildungsplatzsuchende Jugendliche stelle sich im Kreis Unna sehr problematisch dar. Nur 25 % der von der ARGE betreuten Jugendlichen verfügten über einen gewerblichen Ausbildungsplatz.

Von den Teilnehmern des Berufskollegs der Werkstatt verfügen nur 50 % über einen Ausbil­dungsplatz. Die Teilnehmer am Berufskolleg seien häufig nicht motiviert. Dies äußere sich oftmals durch Fernbleiben vom Unterricht. Es ergäben sich große Probleme für den Lehrkörper, der regelmäßig zu disziplinarischen Maßnahmen greifen müsse.

 

Im Anschluss stellte Herr Dörmann eine Sonderuntersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) vor. Zielgruppe waren Personen, die das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten und im ALG-II-Leistungsbezug standen. Untersuchungszeitraum waren die Jahre 2005 und 2006. Hiernach schafften zwar 60 % der Leistungsbezieher den Ausstieg aus ALG II, jedoch kehrten 50 % hiervon wieder in den Leistungsbezug zurück. Herr Dörmann wies hier noch einmal darauf hin, dass Grundlagenarbeit ganzheitlich innerhalb der Bedarfsgemein­schaften geleistet werden müsse.

Weiteres Untersuchungsergebnis war, dass die Chancen auf ein Verlassen des Leistungs­bezuges nach mehr als einem Jahr Bezugsdauer rapide sinken.

 

Mit einem weiteren Schaubild erläuterte Herr Dörmann die zu beachtenden Handlungs­erfordernisse. Oberstes Ziel sei, dass sich die Hilfebedürftigkeit nicht verfestigen darf. Bei Angeboten an Jugendliche sei jedoch zu beachten, dass ein Großteil den betrieblichen Anforderungen nicht gewachsen ist.

 

Im Anschluss wandte sich Herr Dörmann konkret der Produktionsschule zu.

Vorbild sei hier Dänemark, das schon über Erfahrungen auf diesem Sektor verfüge. Wichtigstes Merkmal der Produktionsschule sei für ihn, dass die beschäftigten Jugendlichen für den Markt produzieren, was nicht überall so gehandhabt werde. „Nebeneffekt“ der Arbeit müsse sein, dass sich für die Jugendlichen Lernbedarf ergebe.

 

Herr Dörmann stellte dar, dass Produktionsschulen durch Wechselwirkungen Gewinne für Jugendliche und Kommunen bringen würden. Ziel der Produktionsschule ist es, die Jugend­lichen zu „Direktoren ihres eigenen Lebens“ zu formen.

 

Mittels eines weiteren Schaubildes schilderte Herr Dörmann die vier Phasen, die die beteiligten Jugendlichen während der Arbeit in der Produktionsschule durchlaufen sollen.

 

Anhand einer weiteren Folie erläuterte Herr Dörmann den zu bewältigenden Spagat zwischen Zielsetzungen und Prinzipien der Produktionsschule.

Nach Meinung von Herrn Dörmann sind die schwierigsten aller Jugendlichen die Zielgruppe für die Produktionsschule. Hier erhielten sie häufig die letzte Chance.

 

Frau Müller fragte nach, ob das den Jugendlichen so bewusst sei.

 

Herr Dörmann bejahte dies.

 

Er führte weiterhin aus, dass 50 % der Beschäftigten von Produktionsschulen eine direkte Anschlussperspektive eröffnet würde.

 

Im Anschluss schilderte Herr Dörmann eine mögliche Angebotsstruktur für eine in Kamen ansässige Produktionsschule. Er schlägt den Aufbau eines Projektes mit 36 Teilnehmern vor. Ältere Arbeitslose sollen hierbei als Vorarbeiter tätig werden.

 

Das Strukturmodell solle sich über die Bereiche Metall, Holz, und Textil erstrecken. Produziert werden könnten zum Beispiel Schulmöbel, Parkbänke, Fahrradständer. Mögliche Tätigkeits­felder böten sich auch für Kultureinrichtungen und Kindergärten.

 

Anhand einer weiteren Folie erläuterte Herr Dörmann Kalkulations- und Berechnungsgrund­lagen. Das Vorhalten professioneller Technik, die für eine marktförmige Produktion notwendig sei, erfordere eine Investitionssumme i.H.v. 243.000 €. Der von der Stadt Kamen zu leistende Zuschuss betrage einmalig 47.000 €.

 

Herr Weber dankte Herrn Dörmann für den umfassenden Vortrag. Er wies darauf hin, dass man angesichts der Fülle von Zahlen nicht die dahinter stehenden Menschen vergessen dürfe.

 

Frau Müller dankte Herrn Dörmann für den überaus informativen Vortrag. Nach ihren gewon­nenen Erkenntnissen sei die Errichtung einer Produktionsschule in Kamen insbesondere unter dem Aspekt, dass hier vielen Jugendlichen eine letzte Chance geboten würde, sehr wichtig.

 

Frau Werning wies darauf hin, dass die Produktionsschule stark subventioniert würde. Sie erkundigte sich nach Auswirkungen auf die Wirtschaft.

 

Herr Dörmann erwiderte, dass die im ARGE-Beirat sitzenden Vertreter der Arbeitgeberverbände den Produktionsschulen positiv gegenüber stehen würden. Die Produktionsschulen würden dazu beitragen, einen bestehenden Facharbeitermangel zu beheben. Die mengenmäßige Produktion sei unter diesem Aspekt zu vernachlässigen.

 

Herr Eisenhardt wertete den Vortrag als beeindruckend, aber auch bedrückend angesichts des vorgelegten Zahlenmaterials. Herr Dörmann habe eindrucksvoll die Notwendigkeit der Instal­lation einer Produktionsschule aufgezeigt. Für sich habe er mitgenommen, dass von den potenziell 36 Beschäftigten der Produktionsschule 34 % wieder in Arbeit vermittelt werden könnten, weitere 15 % zu einem erneuten Schulbesuch motiviert werden könnten. Für die andere Hälfte gäbe es jedoch offensichtlich keine weitere Perspektive. Diese würde erneut in den ALG-II-Bezug geraten.

Für die CDU-Fraktion bejahte er die Notwendigkeit der Errichtung einer Produktionsschule.

 

Frau Dyduch wies darauf hin, dass das Finden einer geeigneten Fläche für die Schule ein Problem sei. Da die Werkstatt Unna als seriöses Unternehmen einzuschätzen sei, halte sie die vorgelegte Kalkulation für stimmig. Das zu investierende Kapital sei gut angelegtes Geld.

 

Herr Brüggemann wies darauf hin, dass er im Hauptausschuss noch einmal detailliert auf die Finanzierungsfragen eingehen werde.

An die Referenten der ARGE richtete er die Frage, ob es denn auch nach der fachlichen Einschätzung der ARGE die Werkstatt Unna sein solle, die in ihrer regionalen Ausrichtung Auftragnehmer für den Betrieb einer Produktionsschule sein solle. Weiterhin stellte er die Frage, ob die ARGE die Werkstatt Unna beauftragen werde.

 

Herr Gründken stimmte den Fragen vorbehaltlos zu. Mit der Arbeit der Werkstatt Unna sei er hoch zufrieden.

 

Herr Brüggemann fragte nach, ob er den Aufbau der drei Tätigkeitsfelder Metall, Holz und Textil für sinnvoll halte.

 

Herr Gründken bejahte dies.

 

Im Anschluss formulierte Herr Brüggemann für die Verwaltung folgenden Beschlussvorschlag: