Beschluss:

 

1.    Der Rat der Stadt Kamen stellt fest, dass die Sparkassen neben den Genossenschafts­banken und den privaten Banken die unverzichtbare dritte Säule unseres Bankensystems sind. Mit dem Gesetzesentwurf „Novellierung des Sparkassengesetzes“ gefährdet die NRW-Landesregierung das bewährte Sparkassenwesen in Nordrhein-Westfalen. Betroffen hiervon sind die Kundinnen und Kunden der Sparkassen, die Sparkassenbeschäftigten und Auszubildenden, viele Vereine und Verbände, die kleinen und mittelständischen Betriebe und der Finanzplatz Nordrhein-Westfalen. Das Sparkassengesetz NRW darf nicht dazu führen, die Sparkassen in ihren Geschäftstätigkeiten einzuschränken oder zu behindern. Die Gemeinwohlorientierung der Sparkassen ist unbedingt zu erhalten.

2.    Der Rat der Stadt Kamen spricht sich in folgenden Punkten gegen die Novellierung des Sparkassengesetzes NRW aus:

Zusammenschluss der Sparkassenverbände (§ 36 SpkG Entwurf)
Sparkassen in Trägerschaft des Sparkassen- und Giroverbandes oder der
Sparkassenzentralbank (§ 38 SpkG Entwurf)
Sparkassen-Finanzverbund (§ 39 SpkG Entwurf)
Intensität der Landesaufsicht (§§ 40 ff. SpkG - Entwurf)
Ermöglichung der Privatisierung von Sparkassen über die WestLB

Der Rat der Stadt Kamen unterstützt ausdrücklich die Absicht des Landes, eine Bilanzie­rung von Sparkassen in kommunalen Bilanzen auszuschließen.

3.    Der Rat der Stadt Kamen fordert die Landesregierung Nordrhein-Westfalen auf, die allerorts geäußerte Kritik am Entwurf des neuen Sparkassengesetzes NW aufzunehmen und unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände und den Sparkassenverbänden einen verantwortbaren und zukunftsweisenden Gesetzesentwurf vorzulegen.


Abstimmungsergebnis: bei 2 Gegenstimmen mehrheitlich angenommen


Frau Dyduch begründete den vorgelegten Antrag. Ziel sei, in dem laufenden Gesetzgebungs­verfahren zur Reform des Sparkassengesetzes ein deutliches Signal zu setzen. Die Gesetz­gebung gefährde das Sparkassenwesen. Die Landesregierung unternehme nichts dagegen, gehe insbesondere auf die Proteste des Städtetages und des Städte- und Gemeindebundes nicht ein. Besonders kritisch werde gesehen, dass der Gesetzesentwurf das Vordringen privater Teilhaber bis hin zur Privatisierung ermögliche.

Im Interesse der örtlichen Sparkasse beziehe man eindeutig Position für den Erhalt der Gemein­wohlorientierung der Sparkassen. Die tragende Rolle der Sparkasse als soziale Fördergeberin, als Sponsorin für eine Vielzahl von Vereinen und Verbänden in allen Lebensbereichen des gesellschaftlichen Miteinanders dürfe nicht angetastet werden. Mit ihrem flächendeckenden, kundenfreundlichen Angebot in der Stadt sei sie verlässlicher Partner des heimischen Mittel­stands, aber auch für Menschen mit besonders geringem Einkommen. Zudem sei sie einer der größten Arbeitgeber in der Stadt.

Sie bat um Unterstützung der Aufforderung an die Landesregierung, den Gesetzesentwurf gemeinsam mit den Sparkassenverbänden und den kommunalen Spitzenverbänden ent­sprechend weiter zu gestalten. Dies leite sie für sich aus ihrem Ratsmandat und den Ver­pflichtungen gegenüber der Sparkasse aus der kommunalen Trägerschaft ab.

 

Herr Kissing gab zu bedenken, dass sich die Novellierung des Sparkassenrechts in einer schwierigen Gemengelage zwischen Bestrebungen auf Ebene der europäischen Union und der Krise der Westdeutschen Landesbank, die mit einem 5 Milliarden Darlehen habe gesichert werden müssen, bewege.

Der Entwurf selbst bekräftige den Erhalt der Sparkassen als öffentlich-rechtliche Einrichtungen. Um die Eigenständigkeit der Geldinstitute herauszuheben, dürfe eine Bilanzierung in den kommunalen Bilanzen nicht erfolgen. Die Eigentümerfrage werde geklärt. Die Sparkassen gehörten weiterhin den Kommunen.

Der vorliegende Antrag enthalte einige falsche Behauptungen. Die Spendenmöglichkeit der Sparkasse bleibe von dem Gesetzesentwurf völlig unberührt. Änderungen seien nicht zu befürchten. Allein die Ausschüttungskompetenz könne verlagert werden auf die Träger­kommune. Die Gemeinwohlorientierung gelte auch in Zukunft. Auch einkommensschwachen Bürgern werde ein Girokonto nicht verwehrt. Die Möglichkeit der Bildung von Trägerkapital müsse differenzierter betrachtet werden. Nach dem Gesetzesentwurf obliegt es der Entschei­dungsgewalt der Träger, ob das Trägerkapital handelbar sei oder nicht.

Die aufgezeigten Szenarien treffen nicht zu, Dramatik sei nicht angebracht. Die CDU werde dem Antrag deshalb nicht zustimmen.

 

Herr Kühnapfel stimmte mit Frau Dyduch in der Bewertung der Risiken und Gefahren der Gesetzesnovellierung überein und erklärte, dass der Antrag im Interesse der örtlichen Spar­kasse unterstützt werde.

 

Herr Kloß bezweifelte die Chance auf einen tragfähigen Kompromiss aufgrund der gesetz­geberischen Mehrheit beim Land und der Aktienmehrheit der Sparkassen. Das von der SPD vorgelegte Papier werfe Fragen auf. Die BG teile die Bedenken der SPD nicht. Der NRW-Gesetzesentwurf sei inhaltlich vollständig von dem bereits verabschiedeten Gesetz in Rheinland-Pfalz übernommen worden. Das Gesetz bringe den Kommunen und den Bürgern Vorteile. Arbeitsplätze und die Gemeinnützigkeit seien nicht in Gefahr und das Geld sei sicher. Den Antrag werde man deshalb ablehnen.

 

Herr Hupe nahm in seiner Eigenschaft als Verwaltungsratsvorsitzender Stellung. Er merkte an, dass es zwischen politischen Mehrheiten und Aktienmehrheiten und einem Gesetzgebungs­verfahren keine sächlichen Zusammenhänge gebe. Bei den angesprochenen „dubiosen Zah­lungen der Sparkassen“, habe es sich um die Einlage aus dem Sicherungsfonds in Höhe von 2 Milliarden Euro gehandelt, die in die Sicherheitsabschirmung von 5 Milliarden als Bestandteil des insgesamt 23 Milliarden umfassenden Hilfefonds für die Westdeutsche Landesbank gehöre. Die Landesregierung übernehme aus beihilferechtlichen Gründen die Absicherung.

Die Behauptung, der Gesetzestext sei inhaltsgleich von Rheinland-Pfalz übernommen worden, treffe nicht zu. Zu berücksichtigen sei zudem der formale Unterschied der Begrifflichkeiten Gemeinwohlorientierung im Gesetzesentwurf und Gemeinnützigkeit. Die Kernproblematik liege aber an der Stelle, wo das EU-Verfahren die Westdeutsche Landesbank verpflichte und berechtige, in das Privatkundengeschäft der Sparkassen vorzudringen, weil zugelassen werde, dass privat-juristische Personen sich an der Westdeutschen Landesbank beteiligen können. In einem Antwortschreiben auf den Brief des Finanzministers an alle Verwaltungsratsvorsitzenden, der diesen Punkt völlig ausblende, habe er besonders auf diesen Umstand hingewiesen.

 

Auf mehrfache Anfrage im weiteren Verlauf der Debatte sagte Herr Hupe zu, den Fraktions­vorsitzenden sowie den Herren Frey und Grosch diesen Schriftwechsel zuzuleiten.

 

Herr Knop hielt es nicht für angemessen, die Sparkassen aus Anlass der Gesetzesnovelle kaputt reden zu wollen. Die Novellierung ziele darauf ab, die Wettbewerbsfähigkeit der Spar­kassen zu erhalten. Bezüglich der Westdeutschen Landesbank müsse indes noch nach ver­handelt werden. Insgesamt sei der Antrag unseriös. Die FDP-Fraktion werde sich deshalb an der Abstimmung nicht beteiligen.

 

Frau Dyduch entgegnete, sie halte fest an ihrer Überzeugung, dass es zur Ratsarbeit gehöre, sich mit einem Landesgesetz auseinander zu setzen, das direkt Einfluss auf die örtliche Spar­kasse und damit die Lebensbedingungen in der Stadt habe. Die Trägerschaft der Sparkasse verpflichte dazu. Die kommunale Bilanzierung der Sparkassen werde übereinstimmend abgelehnt. Das Risiko der Einführung handelbaren Trägerkapitals bleibe, das werde auf EU-Ebene bereits diskutiert. Fest stehe, dass die Sparkassen mit einem Marktanteil im Anlagen­bereich von 51 % in Deutschland zunehmend für Privatinvestoren interessant werde. Wie bewegt und risikoreich die Bankenbranche sei, lasse sich täglich in den Medien beobachten. Sie habe Fakten genannt und Risiken aufgezeigt. In anderen Städten, u.a. in Dortmund, hätten sich die Stadträte bereits öffentlich für den Erhalt des 3-Säulen-Modells im Bankenwesen über alle Parteigrenzen hinweg positioniert. Sie hielt es für notwendig, dass der Rat als Träger der Spar­kasse sich öffentlich artikuliere und für die Interessen der Sparkasse einsetze. Sie forderte alle Ratsmitglieder auf, dem Dortmunder Beispiel zu folgen und den Antrag zu unterstützen. Es gehe darum ein Zeichen zu setzen, dass man die Sparkasse haben wolle, wie sie sei, und nicht erlaube, dass da irgendwie in dieser verbrecherischen Art und Weise eingegriffen werde.

 

Herr Grosch war der Auffassung, dass die Novellierung des Sparkassengesetzes den Weg in die Privatisierung möglich mache. Die Ängste, die andere Trägerkommunen im Umfeld, die gewerkschaftliche Vertretungen der Beschäftigten und die Vorständen teilten, dürfe man nicht als Hysterie abtun. Es handele sich dabei um wohl überlegte Bedenken. Erlaube man den Privatunternehmen den Kauf von Trägerkapital, könne Profitmaximierung das Ziel sein mit der Folge von Arbeitsplatzabbau. Die Änderung von Gemeinnützigkeit zu Gemeinwohlorientierung begründe die Angst davor, dass die Sparkasse künftig ihre Leistungen für Kultur, Sport und Soziales in der Stadt so nicht mehr erbringen könne. Dem SPD-Antrag werde er sich deshalb anschließen.

 

Herr Kaminski nahm eine politische Bewertung der Ursachen und Verantwortlichkeiten der Krise der Westdeutschen Landesbank vor. Aufsicht und Kontrollsysteme hätten komplett versagt. Die Bürger vor Ort müssten letztlich das Geld verdienen und bereit stellen, das zur Sicherung der Bank benötigt werde.

 

Herr Kissing erklärte, dass die letzte Novellierung des Sparkassengesetzes 14 Jahre zurück­liege. Die rechtlichen Rahmenbedingungen haben sich inzwischen weiterentwickelt. Daran müsse das Sparkassengesetz nun angepasst werden. Trotz der vorgelegten Minimallösung sei deshalb aus Brüssel weiterer Druck zu erwarten.

Er bat, die im Verlauf der Debatte getroffene Äußerung von Frau Dyduch, die von ihm als „verbrecherische Politik des Landes“ verstanden worden sei, wörtlich zu protokollieren. Er vermisse den sachlich fachlichen Umgang mit dem Gesetzesentwurf. Eine derart emotional geführte Auseinandersetzung verunsichere die Kunden der Sparkasse und wirke sich schädigend aus.

Er stellte fest, dass der Rat nach der Geschäftsordnung nur Angelegenheiten der Stadt in Form von Beschlussvorlagen behandeln und entscheiden dürfe. Ein Gesetzesentwurf des Landes falle nicht in den Zuständigkeits- und Aufgabenbereich der Stadt. Er forderte Herrn Hupe auf, die weitere Behandlung des Tagesordnungspunktes nicht zuzulassen und keine Abstimmung herbei zu führen. Falls ein Beschluss gefasst werde, behalte man sich vor, die Aufsichtsbehörde  zur Prüfung der Rechtmäßigkeit einzuschalten.

 

Herr Klanke erwiderte, dass einige Regelungen des Gesetzesentwurfes die Kompetenzen der Stadt als Träger der Sparkasse direkt betreffen. Aus dieser Betroffenheit leite sich die Zustän­digkeit des Rates ab.

Er befürchte, dass mit der Gemeinwohlorientierung der Sparkassen den Kommunen die Mög­lichkeit genommen werden könne, von den Gewinnausschüttungen zu profitieren. Das gelte vor allem für Kommunen, die sich in der Haushaltssicherung befänden.

 

Auf Anfrage von Herrn Kloß, der sich auf Presseberichte bezog, teilte Herr Hupe mit, dass das Spendenvolumen der Sparkasse etwa 200.000 Euro betrage und bestätigte, dass die juristische Definition der Begrifflichkeiten mit Blick auf die Verwendung der „Gemeinnützigkeit“ engere Grenzen setze als „Gemeinwohlorientierung“.

 

Frau Gube verließ den Sitzungsraum und nahm am Fortgang der Sitzung nicht mehr teil.

 

Frau Scharrenbach ging auf den Gesetzesentwurf ein. Nach Information der Landesregierung stelle er ein Minimum dessen dar, was die EU-Kommission fordere. Der Ausgang der laufenden Verhandlungen auf EU-Ebene, insbesondere der Ausgang der Restrukturierungsbestrebungen für die Westdeutsche Landesbank, sei derzeit noch offen. Darauf abgestellt sei aber der SPD-Antrag. Dem könne man zum gegenwärtigen Verfahrensstand nicht zustimmen.

Zu der Frage der Gewinnausschüttungen hob sie hervor, dass die Sparkasse nur dann Leistungen ausschütten könne, wenn ihre wirtschaftliche Lage und die erfolgreiche Erfüllung ihres öffentlich-rechtlichen Auftrags das zuließen. Es sei unredlich, die Vereine und Verbände über die künftige Sponsorentätigkeit der Sparkasse zu verunsichern. Nach dem Gesetzes­entwurf werde die Entscheidung über die Verwendung und Verteilung verlagert auf die Träger­kommune. Der Rat werde diese Aufgabe verantwortungsvoll vornehmen.

Zudem obliege die Ausweisung von Trägerkapital der Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit des Rates. In Rheinland-Pfalz sei es noch zu keiner Privatisierung gekommen, obwohl dort 1/3 der Sparkassen handelbares Trägerkapital ausgewiesen haben. Hier dürfe im Gegensatz dazu das Trägerkapital nicht handelbar sein. Auch der Kontrahierungszwang der Sparkassen werde nicht aufgehoben, so dass auch künftig jeder Bürger ein Konto eröffnen könne, wenn er dies wünsche. Sie bitte um Würdigung des Gesetzesentwurfes unter diesen Aspekten.

 

Auf Nachfrage von Herrn Knop stellte Herr Hupe klar, dass die Gemeinwohlorientierung die Spendentätigkeit nicht untersage.

Er hielt es für geboten, das Gesetzgebungsverfahren zur Novellierung des Sparkassenrechts zeitlich zu trennen von dem EU-Verfahren zur Sanierung der WestLB. Unterbleibe das weiterhin, bliebe es bei dem Risiko der Privatisierung nach § 37 Abs. 3 des Entwurfs.

 

Zur Frage der Berechtigung des Rates, sich mit dem Tagesordnungspunkt zu befassen und einen Beschluss zu treffen, erklärte Herr Hupe, dass es legitimes kommunales Recht sei, sich als Träger bzw. Eigentümer der Sparkasse mit dem Thema zu beschäftigen. Es werde nicht über einen Gesetzesentwurf entschieden, sondern Feststellungen und Positionsbestimmungen zu Einzelaspekten beschlossen und daraus eine Aufforderung an den Gesetzgeber, formuliert aus Interesse dem Stadt an der gesicherten, unbehelligten Existenz der Sparkasse.

 

Die Mitglieder der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion haben sich an der Abstimmung nicht beteiligt.