Frau Uysal stellte die Dortmunder Mitternachtsmission e.V. vor, die seit fast 90 Jahren eine Beratungsstelle unterhält für

-          Prostituierte,

-          Kinder und Jugendliche in der Prostitution und

-          Opfer von Menschenhandel.

Aufgabe der Mitarbeiterinnen sei es den Frauen, die sexuelle Dienstleistungen gegen Entgelt anbieten, Hilfe und Unterstützung zu geben. Frau Uysal schilderte, dass Frauen, insbesondere junge Mädchen durch die “Liebe” ins Prostitutionsmilieu geraten oder aufgrund finanzieller Probleme ins Milieu einsteigen. Für viele Frauen bedeute der Einstieg ins Milieu aber oft eine noch größere Verschuldung mit hohen Zinsen, die dann mit Gewalt eingetrieben werden. Die Mitternachtsmission halte Sprechstunden vor Ort ab, und bekomme den Erstkontakt oft, indem die Prostituierten um Unterstützung z.B. bei Formalitäten bitten. Wenn Vertrauen da sei, wenden sich die Frauen auch mit anderen Problemen an die Mitarbeiterinnen der Mitternachtsmission. Dabei sei nicht das Ziel alle Frauen zum Ausstieg zu überreden. Es sei aber eine Tatsache, dass viele Frauen irgendwann aussteigen wollen. Im letzten Jahr haben mehr als 900 Frauen Kontakt zur Mitternachtsmission gehabt. Frau Uysal berichtete weiter, dass durch das Prostitutionsgesetz denjenigen, die diese Tätigkeit freiwillig ausüben, Zugang zu den Sozialversicherungssystemen gewährt werde. Die Schaffung legaler Arbeitsbedingungen trage dazu bei, Prostitution zu entkriminalisieren und den Ausstieg zu erleichtern. In Dortmund gebe es seit einiger Zeit einen Runden Tisch, an dem alle beteiligten Behörden, Institutionen und Personen zusammenarbeiten, dieses Gesetz wirkungsvoll in die Praxis umzusetzen. Hieran beteilige sich auch eine Gruppe von 11 Clubbetreibern, denen es darum gehe sich korrekt zu verhalten, d.h. sie schließen Arbeitsverträge mit den Frauen, beschäftigen keine Frauen unter 18 Jahren und achten darauf, dass keine Opfer von Menschenhandel bei ihnen arbeiten.

 

Als eigenständigen Aufgabenbereich bezeichnete Frau Uysal die Arbeit für Frauen, die Opfer von Menschenhandel seien. Hierbei handele es sich um den jüngsten Arbeitsbereich, in dem die Mitternachtsmission seit ca. Mitte der 90er Jahre tätig sei. Seit diesem Zeitpunkt werden Mädchen und Frauen vorwiegend aus den osteuropäischen Ländern unter Vortäuschung falscher Tatsachen nach Deutschland gelockt und hier auf brutalste Weise zur Prostitution gezwungen. Kontakt zu diesen Frauen bekomme die Mitternachtsmission vorrangig über andere Prostituierte. Mithilfe der Polizei werden die Opfer dieses Verbrechens befreit und an sicheren Orten untergebracht. Durch einen Erlass, den NRW als erstes Bundesland 1994 verabschiedet habe, werden die Frauen nicht mehr sofort ausgewiesen, sondern können als Zeuginnen aussagen und bis zum Ende des Gerichtsverfahren in Deutschland verbleiben. Anschließend müssen sie ausreisen, haben aber den großen Vorteil, dass sie mit sauberen Papieren das Land verlassen können und in ihrem Heimatland keine Erklärungen für ihre Rückkehr abgeben müssen.

Abschließend ging Frau Uysal noch auf die Fußballweltmeisterschaft ein. Im Vorfeld der WM sei über die Medien verbreitet worden, dass damit zurechnen sei, dass 40.000 Frauen nach Deutschland eingeschleust und hier zur Prostitution gezwungen werden. Sie machte deutlich, dass es bekannt und normal sei, dass bei derartigen Großveranstaltungen die Anzahl an Prostituierten enorm ansteige. Die Zahl von vermutlich 40.000 Opfern von Menschenhandel, die während der WM nach Deutschland gebracht werden sollten, sei von der Mitternachtsmission von Beginn an angezweifelt worden und diese Zweifel habe man auch laut geäußert. Obwohl ihre Einrichtung diese Zahl als unrealistisch eingeschätzt habe, sei für die Zeit der WM ein Notruftelefon geschaltet worden, dass rund um die Uhr besetzt gewesen sei. Es habe sich aber gezeigt, dass dieser Notruf nicht öfter als bei anderen größeren Events nachgefragt worden sei. Der einzige Anstieg sei bei den Medienanfragen zu verzeichnen gewesen.

 

Frau Freundl erkundigte sich, wie hoch die Zahl von Minderjährigen sei, die hier zur Prostitution gezwungen werden.

 

Frau Uysal gab an, dass von 180 Opfern von Menschenhandel 13 Frauen unter 18 Jahre alt gewesen seien.

 

Frau Gerdes fragte nach, wie sich die Situation für Prostituierte darstelle, wenn diese schwanger werden.

 

Frau Uysal antwortete, dass die meisten Frauen die Kinder zur Welt bringen und mit ihnen zusammenleben.

 

Auf die Frage von Frau Bartosch, ob die Frauen sich gegen Verdienstausfall versichern könnten, erklärte Frau Uysal, dass einige Versicherungen sehr interessiert seien, in der Regel die Frauen dies aber ablehnen, da sie davon ausgehen nur einen begrenzten Zeitraum der Prostitution nachzugehen.

 

Frau Hartig erkundigte sich zum einen nach den Erfahrungen mit den sogenannten “Verrichtungsboxen”, die während der WM aufgestellt wurden und zum anderen wie dem Risiko der HIV-Infektion begegnet werde.

 

Frau Uysal berichtete, dass sich für die Aufstellung von Verrichtungsboxen in Dortmund die Prostituierten-Beratungsstelle “Kober” eingesetzt habe. Zum einen sollte aufgrund dauernder Beschwerden von Anwohnern der Straßenstrich aus dem Innenstadtbereich verlegt werden und zum anderen das Risiko tätlicher Angriffe eingeschränkt werden. Sie sehe den Erfolg gerade bezogen auf die Gewaltgefährdung eher kritisch, da ihrer Erfahrung nach gewaltbereite Freier nicht in diese Boxen fahren, sondern andere Ziele ansteuern. Zur Frage der HIV-Gefährdung gab Frau Uysal an, dass die Gesundheit das höchste Gut der Frauen sei und die meisten deshalb auch Kondome verwenden. Eine andere Situation sei auf dem Straßenstrich gegeben. Hier seien oft drogenabhängige Frauen zu finden, die eher bereit seien auf Kondome zu verzichten. Die Nachfrage von Männern nach Geschlechtsverkehr ohne Kondom sei erschreckend häufig.

 

Herr Ebbinghaus bedankte sich bei Frau Uysal für den informativen Bericht und nachträglich auch für die Einladung, die er als Vorsitzender des Gleichstellungsbeirates von der Mitternachtsmission zum Tag der offenen Tür im Club Escort erhalten habe. Aufgrund der Arbeitsbedingungen dort, z.B. Abschließen von Arbeitsverträgen, Kinderbetreuungsangebot, sei sein Eindruck gewesen, dass zumindest in diesem Club auf die Würde und die Sicherheit der Frauen geachtet werde.

 

Frau Uysal bestätigte diesen Eindruck und gab an, dass die Besitzerin des Club Escort auch aktiv an dem Dortmunder Runden Tisch teilnehme.