Frau Gerdes und Her Weigel verließen während der Berichterstattung zu diesem Tagesordnungspunkt den Sitzungsraum.

 

Herr Bürgermeister Hupe erinnerte an seine Zusage in der letzten Ratssitzung und gab einen ausführlichen Bericht zur Problematik der Fassade des Alten Rathauses. Im Interesse umfassender Transparenz werde der Bericht im Rat und nicht im Haupt- und Finanzausschuss gegeben.

Er wies darauf hin, dass der Bericht sich ausschließlich auf die Problematik der Fassadenschäden der Vergangenheit beziehe und nicht auf die in den kommenden Wochen anstehende Fassadensanierung, die bereits in der letzten Sitzung des Planungs- und Umweltausschusses angekündigt und fachlich erläutert worden sei.

Geprüft worden sei der Sachverhalt vom Fachbereich Bauen und vom Fachbereich Rechnungsprüfung. Diese Sonderprüfung habe er gemäß § 103 Gemeindeordnung NRW angeordnet. Dem Grundansinnen eines entsprechenden Antrags der CDU-Fraktion werde damit auf der Grundlage der Gemeindeordnung und im Sinne des Rates entsprochen. Ein weiterer Prüfbereich des Fachbereichs Recht und Ordnung beziehe sich auf mögliche Haftungsansprüche gegen Dritte.

Zu den Grundlagen erklärte er, dass die Prüfung auf der Erfassung der entsprechenden Beschlüsse des Rates und des Haupt- und Finanzausschusses aus den Jahren 1993 und 1994 basiere. Nach Aktenlage sei die damalige Projektierung von Baukosten in Höhe von 6,115 Mio. DM ausgegangen. Hierzu sei eine Förderung von 2,68 Mio. DM zugesagt und eine weitere Förderung über zunächst 2.366.400 DM kalkuliert worden, die jedoch tatsächlich nur in Höhe von 931.000 DM realisiert worden sei. Auf dieser Grundlage sei in der Ratssitzung am 13.12.1996 eine Kostenberechnung nach DIN 276 beschlossen worden, die Baukosten in Höhe von 4.795.000 DM festgelegt habe. Dieser DIN-gestützten Reduzierung mit Einsparungen von 1,32 Mio. DM habe ein gekürztes Raumkonzept mit Wegfall des Vortragsraumes im Dachgeschoss – Glaskuppelplanung - sowie des Büchereitreffs im Keller entsprochen.

Herr Hupe hob hervor, dass der viel diskutierte Zusammenhang zwischen dieser Reduzierung des Bauvolumens, des kalkulierten Finanzaufwandes und der entsprechend verringerten Landesförderung nicht zu der Einschätzung führen dürfe, die Bauausführung hätte einer zu knappen Finanzierung unterlegen. Klar sei, dass Kostenschätzung und Finanzierung auch mit Blick auf das damals erstellte Leistungsverzeichnis in einem vernünftigen und auskömmlichen Verhältnis gestanden hätten.

Zur Umsetzung der Arbeiten stellte er fest, dass der Fassadensanierung umfassende Erörterungen zur Wahl des Verfahrens zugrunde lägen. So habe es 1995 eine Entscheidung für ein Verfahren gegeben, dass durch ein Gutachten des Instituts für Farbe-, Anstrich- und Bausanierung vorgeschlagen worden sei. 1996 seien zwei alternative Verfahren zur Flächenvorbereitung (Jos-Verfahren - Granulatstrahlverfahren und Rotec-Verfahren - Wasserdampf und Hochdruck) diskutiert und bewertet worden. In der Auswertung habe sich die Auffassung ergeben, dass die Fassade diffusionsoffen gestaltet werde solle. Man habe sich anschließend für das Verfahren aus dem Jahr 1995 entschieden. Hinsichtlich der Begründung könne nur spekuliert werden, ob Kostengesichtspunkte oder bautechnische Überlegungen, also das Risiko, den Unterputz des denkmalgeschützten Gebäudes zu beschädigen letztlich ausschlaggebend waren. In der Umsetzung der Maßnahme zeige sich immer wieder, dass es unterschiedliche Auffassungen im Detail gab, die zwischen der ausführenden Malerfirma, dem bauleitenden Architekten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung ausgetauscht worden seien. Hier gehe es u.a. um Feinabstimmungen mit der Denkmalpflege, insbesondere mit dem Westfälischen Amt für Denkmalpflege in Münster. Wichtig erscheine in diesem Zusammenhang auch die Absprache, dass vor der Farbbeschichtung ein Abnahmetermin der vorbereiteten Fassade stattfindet. Diese Abnahme sei lt. Bautagebuch am Donnerstag, 24.09.1998 vorgenommen worden. Das Abbeizen der Altfassade sei im übrigen auch denkmalbehördlich präferiert worden, um Beschädigungen am alten Unterputz ausgelöst durch mechanische Bearbeitung mittels Wasserhochdruck zu vermeiden. Die Denkmalbehörde habe im übrigen dem gesamten Farbkonzept zugestimmt.

Die ersten Mängel seien bei einer Gebäudebegehung am 09.01.2001 vom bauleitenden Architekten festgestellt und der Verwaltung mitgeteilt worden. Hier habe es sich zunächst um kleine Schäden gehandelt, deren Beseitigung von der beauftragten Malerfirma als Mängel im Oktober 2001 anerkannt worden seien. Es habe seinerzeit allerdings keine Einigung über den Umfang der Schadensbeseitigung gegeben. Die Malerfirma habe nur die Schadstellen ausbessern wollen. Der Fachbereich Bauen habe demgegenüber zur Vermeidung von Farbabweichungen bei der Ausbesserung einen Komplettanstrich der Fassade erreichen wollen. Die Mängelbeseitigung sei bis heute nicht im Detail durchgeführt worden. Der Sicherheitseinbehalt der Malerfirma sei folglich noch nicht freigegeben und stehe noch zur Verfügung. Schwierig habe sich zudem die Beauftragung eines Unternehmens mit der Mängelbeseitigung gestaltet. Die damals ausführende Malerfirma führe kein Gewerbe mehr. Ein Insolvenzantrag über das Vermögen der Firma sei beim Amtsgericht Dortmund gestellt und am 22.01.2001 abgewiesen worden.

Bei der Beurteilung der Schäden, führte Herr Bürgermeister Hupe weiter aus, ergäben sich unterschiedliche Auffassungen. Der bauleitende Architekt gehe davon aus, dass der “durch die Malerfirma verwendete Abbeizer nicht vollständig entfernt wurde” (Zitat). Der mit der Schadenbegutachtung beauftragte vereidigte Sachverständige Simon komme in seinem Gutachten vom 13.05.2005 zu einem ähnlichem Ergebnis. Er sehe in dem Abbeizverfahren die Gefahr, dass Farbpartikel, die sich an der Fassade verfestigt hätten, nicht einwandfrei entfernt worden seien. Dadurch habe sich “bei der nachträglich aufgetragenen Beschichtung keine genügende Verkieselung mit dem Untergrund ergeben” (Zitat). Das habe “zur Bildung einer Sperrschicht geführt, weshalb die nachfolgenden mineralischen Beschichtungen sich weder verkieseln, noch mit dem Untergrund verkrallen konnten. Durch thermische Belastung sowie Winddruck und Sog kam es zu Spannungsspitzen und die Beschichtung löste sich ab” (Zitat).

Davon abweichend komme der Gutachter Jungermann mittels Kernbohrung an der Fassade mit dem Ziel einer mikroskopisch-morphologischen Untersuchung zu dem Ergebnis, dass durch die aufgetragenen Beschichtungen Feuchtigkeit, die automatisch in Fassaden eindringe, nicht entweichen konnte, weil der Fassade die erforderliche Wasserdampfdiffusionsfähigkeit fehlte. Herr Jungermann gehe insofern von einem partiellen Wasserstau im Oberputz aus.

Zusammenfassend zeige sich, dass eine letztlich einmütige Bewertung der Schadensursache nicht festgestellt werden könne. Gleichwohl müsse man vermuten, dass eine diffusionsoffene Ausführung der Fassadensanierung angemessener gewesen wäre.

Herr Hupe zog abschließend folgendes Fazit. Klar sei, dass es bei der Ausführung der Fassadensanierung Unschärfen in der Abstimmung der technischen Ausführung, der Dokumentation und der Verfahrenstransparenz gegeben habe. So sei beispielsweise aus der Aktenlage nicht eindeutig nachvollziehbar, warum der Hinweis auf eine diffusionsoffene Gestaltung der Fassade nicht weiter verfolgt worden und ein entsprechendes Verfahren nicht gewählt worden sei. Abwegig seien aber Vermutungen, die einen Zusammenhang zwischen Kostenveranschlagung der Gesamtmaßnahme und dem Auftreten späterer Mängel konstruierten. Ein Zusammenhang zwischen dem Leistungsverzeichnis und der Kostenauskömmlichkeit liege vielmehr im üblichen Vorgehen jeder Baumaßnahme. Ein Kostencontrolling habe im übrigen nicht die Funktion Gesamtkostenvolumina abzusenken. Insofern müssten an dem Ergebnisschluss im Bericht der Rechnungsprüfung zu diesem Punkt nachhaltige Zweifel angemeldet werden. In diesem Zusammenhang verwies Herr Bürgermeister Hupe auch mit Blick auf Nichtöffentlichkeit auf die entsprechenden Formulierungen der Seite 6 des Protokolls der Rechnungsprüfungsausschusssitzung vom 14.11.2005.

Zur Prüfung der Verwaltung über möglich haftungsrechtlich Ansprüche gegen Dritte stellte er fest, dass keine durchsetzbaren Haftungsansprüche gegen irgendeinen Verfahrensbeteiligten bestehen.

Die Fassadenschäden seien nach Auffassung des Gutachters Jungermann darauf zurück zu führen, dass durch die dichte kunststoffmodifizierende Spachtelmasse und die relativ dicke Beschichtung eine notwendige Verdunstung des im Putz vorhandenen Wassers über nicht vorhandene Kapillaröffnungen nur sehr eingeschränkt habe stattfinden können. Durch diesen im Putz verbleibenden Wassereintrag sei es dann auch unter witterungsbedingten Einwirkungen zu Abplatzungen in der Beschichtung gekommen. Allerdings sei das vorher angewandte Verfahren zur Fassadensanierung im Jahr 1995 von fachlich kompetenter Stelle empfohlen worden.

Insofern sei haftungsrechtlich in drei Richtungen geprüft worden. Dabei sei zunächst ein möglicher Haftungsanspruch gegen den damals beauftragten Geschäftsführer des Malerbetriebs geprüft worden. Das sei von vornherein zweifelhaft erschienen, da nicht anzunehmen sein dürfte, dass die Malerfirma hätte wissen müssen, inwieweit die von einem unabhängigen Lieferanten gelieferte nach Vorlage eines Gutachtens verwandte Beschichtung Probleme bereiten würde. Im übrigen habe sich die Malerfirma engagiert in die Verfahrensgestaltung eingebracht und ihre Bedenken jeweils vorgetragen, wobei es nicht um Materialwahl und Beschichtung gegangen sei. Zudem wäre ein möglicher Anspruch nach den Gewährleistungsfristen der VOB inzwischen ohnehin bereits verjährt.

Weiterhin seien mögliche Haftungsansprüche gegen den bauleitenden Architekten analysiert worden. Dabei bleibe ebenfalls fraglich, ob er nach dem Gutachten des Instituts für Farbe, Anstrich und Bausanierung begründet hätte annehmen müssen, dass der Anstrich Probleme bereiten würde. Selbst wenn man berücksichtige, dass die Denkmalbehörde sich zunächst kritisch zu dem gewählten Verfahren gestellt, bei der Ausführung der Gesamtmaßnahme aber zugestimmt habe, komme man zu keinem anderen Schluss. Auch dieser mögliche Anspruch sei wegen Verjährung letztendlich nicht durchsetzbar.

Letztlich habe man auch gegen Mitarbeiter der Verwaltung Haftungsansprüche geprüft. Dabei sei wohl von den Veraltungsmitarbeitern nicht zu erwarten, dass sie Bedenken gegen den Fassadenaufbau entwickeln, wenn der bauleitende Architekt und die ausführende Malerfirma dies begründet nicht taten. Vorsätzliche oder fahrlässige Fehlleistungen könne man deshalb den Verwaltungsmitarbeitern nicht vorwerfen.

Herr Bürgermeister Hupe resümierte, insgesamt müsse man die Tatbestände als ärgerlichen Vorgang hinnehmen. Es sei auch nicht zufriedenstellend, dass es in den Abstimmungsprozessen Unschärfen gegeben habe, wie das Prüfverfahren zeige. In der Abwicklung hätte es mehr Klarheit und Eindeutigkeit bedurft.

So bleibe als Fazit der Prüfung festzuhalten, dass im Verfahrensablauf die Einzelabstimmungen jeweils verantwortungsvoll vorgenommen worden seien und, dass persönliche Haftungsansprüche auch unter dem Aspekt der Verjährung nicht durchsetzbar seien.

 

Herr Kissing erklärte den Antrag der CDU-Fraktion nach dieser Berichterstattung für erledigt. Eine Beratung bzw. Abstimmung über den Antrag erfolgte deshalb nicht.